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Optimierte Metallpulver 17.09.2024, 09:34 Uhr

Metallischer 3D-Druck von und für die Stahlindustrie

Additive Fertigungsverfahren und insbesondere das Pulverbettverfahren (Laser Powder Bed Fusion – L-PBF) werden in unterschiedlichsten Industriebereichen eingesetzt. Neue Möglichkeiten ergeben sich durch Additive Manufacturing (AM) auch für die Stahlindustrie – und der Schlüssel zum Erfolg sind optimierte Metallpulver.

Der innovative Stahlhersteller stellt sich auch der Herausforderung "Dekarbonisierung": Um die Produktion umweltfreundlicher zu gestalten, gewinnt die Elektrolichtbogenofen-Route zunehmend an Bedeutung. 
Foto: Swiss Steel Group

Der innovative Stahlhersteller stellt sich auch der Herausforderung "Dekarbonisierung": Um die Produktion umweltfreundlicher zu gestalten, gewinnt die Elektrolichtbogenofen-Route zunehmend an Bedeutung.

Foto: Swiss Steel Group

Zu den Branchen, die AM am meisten nutzen, gehören die Luft- und Raumfahrt, die Medizintechnik, die Automobilindustrie und der Maschinenbau. Aufgrund des schichtweisen Produktaufbaus lassen sich mit dem L-PBF-Verfahren Bauteile mit sehr hoher Komplexität erzeugen.

Was zeichnet die unterschiedlichen Verfahren aus?

Die additive Fertigung mit Pulver, bekannt als selektives Laserschmelzen (SLM), ist ein Verfahren, bei dem ein Pulverbett aus beispielsweise Metall- oder Kunststoffpulver schichtweise aufgebaut wird. Ein Laserstrahl schmilzt das Pulver an den gewünschten Stellen, um eine Schicht des Objekts zu erzeugen. Anschließend wird eine neue Pulverschicht aufgetragen, und der Prozess wird so lange wiederholt, bis das gesamte Objekt erstellt ist.

Die additive Fertigung mit Draht hingegen, auch als „Wirearc“-Additive Fertigung (WAAM) bekannt, basiert auf dem Schmelzen eines Metall- oder Legierungsdrahts. Der Draht wird durch einen Lichtbogen oder einen Laserstrahl geschmolzen und auf die gewünschten Stellen aufgetragen, um das Objekt schichtweise aufzubauen.

Beide Ansätze haben ihre Vorteile. Die additive Fertigung mit Pulver ermöglicht hohe Präzision und Detailgenauigkeit, da das Pulver in feinen Schichten aufgetragen wird. Sie eignet sich auch für komplexe Geometrien und kann eine Vielzahl von Materialien verarbeiten. Die additive Fertigung mit Draht hingegen bietet eine hohe Baugeschwindigkeit und kann großformatige Objekte herstellen. Die Wahl des additiven Verfahrens hängt von den jeweiligen Anforderungen der Anwendung ab.

Die Grundlage: gasverdüste Metallpulver

Die Swiss steel Group bietet ein breites Spektrum an gasverdüsten Metallpulvern auf Fe-, Ni- und Co-Basis an. Die Grundlage für die Fertigungsverfahren bildet ein hochwertiges Metallpulver, dessen Herstellung komplexe Prozessschritte beinhaltet.

Schematische Darstellung der Metallpulververdüsung. Grafik: Swiss Steel Group

Die Gruppe mit Sitz in Luzern/Schweiz zeichnet sich auch in ökologischer Hinsicht aus: Sie ist aktueller Sieger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises und einer der führenden Anbieter individueller Lösungen im Bereich Spezialstahl-Langprodukte weltweit. Sowohl bei Werkzeugstahl als auch bei rostfreiem Langstahl zählt der Konzern zu den weltweit führenden Herstellern und gehört zu den größten Unternehmen in Europa für legierten und hochlegierten Edelbaustahl. Von der Produktidee über die Werkstoffentwicklung bis hin zum fertigen Produkt und Fragen des idealen Recyclings deckt die additive Metallverarbeitung ein breites Spektrum ab. Als ein stark wachsendes Segment bietet die Swiss Steel Group hohe Produktvielfalt, neueste Produktionsanlagen und höchste Qualität.

Zur Pulverherstellung werden die Rohstoffe und Einsatzmaterialien zunächst in einem Induktionsofen erschmolzen und anschließend einer Gasverdüsungsanlage zugeführt. In einem geschlossenen Behälter wird der Schmelzestrahl mithilfe eines Inertgases (Stickstoff) unter hohem Druck zerstäubt. Die so entstehenden Partikel formen sich während der Abkühlung sphärisch ein. Nur so ist ein passendes Fließverhalten gewährleistet, welches für die spätere Weiterverarbeitung entscheidend ist. Schließlich verbessert die sphärische Form die Dosierbarkeit des Pulvers.

Weitere Bearbeitungsschritte für hohe Pulverqualität

Der erste Teil des Prozesses läuft komplett unter Inertgas ab, wodurch das Pulver ohne schädliche Oberflächenoxidation abkühlt. Das Metallpulver wird anschließend gesiebt und windgesichtet. Das bedeutet, dass das Pulver auf diesem Wege z.B. für die Anwendung in der additiven Fertigung vorbereitet wird. Die zu feinen und zu groben Partikel werden entfernt, sodass die für den 3D-Druck-typische Partikelverteilung von 10 – 63 µm erzeugt wird. Mit dem Metallpulver in der benötigten Korngrößenverteilung ist die Grundlage für den eigentlichen 3D-Druck-Prozess geschaffen. Zum Abschluss der Herstellung wird das Pulver homogenisiert und nach Kundenvorgabe verpackt und etikettiert.

Metallpulver für die additive Fertigung aus dem Printdur-Portfolio bieten spezielle, anwendungsspezifische Eigenschaften.

Foto: Swiss Steel Group

Der Druckprozess und die spezifischen Pulver

Beim Pulverbettverfahren läuft der Aufbau von Bauteilen Schicht für Schicht ab. Daher werden diese Verfahren als „additive“ Verfahren bezeichnet. Ein Laser dient beim L-PBF Prozess als Energiequelle, welcher die Metallpulver auf Mikrometerebene miteinander verschweißt. So entsteht Schicht für Schicht ein dreidimensionales Bauteil, welches sehr komplex aufgebaut sein kann.

Diese Komplexität stellt einen der großen Vorteile dieser neuen Fertigungsverfahren dar. Direkt damit einhergehend, folgen aus den neuen Möglichkeiten jedoch auch neue Anforderungen und Herausforderungen. Zum einen gibt es einen Bedarf nach neuen und angepassten Werkstoffen, sodass das maximale Potential aus dieser Technologie herausgeholt werden kann. Zum anderen müssen die neuen Möglichkeiten in der industriellen Praxis auch umgesetzt werden. Im folgenden werden die anwendungsspezifischen Varianten vorgestellt.

Metallpulver auf Eisen-Basis

Metallpulver auf Eisen-Basis für den 3D-Druck können in die austenitischen, aushärtbaren und martensitischen Güten unterteilt werden. Die austenitische Güte „Printdur 4404“ weist eine hohe Korrosionsbeständigkeit sowie eine gute Oxidationsbeständigkeit auf. Die Güten „Printdur 4545“ und „Printdur 4548“ haben die optimale Kombination aus Verschleiß-, Korrosions- und Oxidationseigenschaften. Auch für Anwendungen mit verstärkter Verschleißbeanspruchung sind passende Werkstoffe verfügbar.

Lichtmikroskopische Gefügeaufnahme des Printdur HSA im gedruckten Ausgangszustand.

Foto: Swiss Steel Group

Metallpulver auf Nickel-Basis

Für Anwendungen, die eine starke Korrosionsbeständigkeit erfordern, bietet sich ein Metallpulver auf Nickel-Basis an. „Printdur Ni625“ weist eine gute Beständigkeit gegen mineralische Säuren wie z.B. Salpeter-, Phosphor-, Schwefel- oder Salzsäure auf. Ebenso ist die Korrosionsbeständigkeit gegen Alkalien und organische Säuren gegeben. Des weiteren besitzt der Werkstoff im lösungsgeglühten Zustand eine gute Beständigkeit gegen Heißgaskorrosion sowie eine hohe Zeitstandfestigkeit oberhalb von 600 °C.

Metallpulver auf Kobalt-Basis

Das Metallpulver auf Kobalt-Basis („Printdur CoCrF75“) kann in zwei unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden: Hochtemperaturanwendungen und Medizintechnik. Hervorzuheben ist der besonders gute Widerstand gegen Thermoschock. Beständig ist der Werkstoff zudem gegen oxidierende sowie reduzierende Atmosphären bis circa 1150 °C. Sehr gute Biokompatibilität und Korrosionsbeständigkeit zählen ebenfalls zu seinen Eigenschaften.

Niedriglegierte Stähle

„Bainidur AM“ erweitert das Portfolio der Metallpulver. Es sind derzeit nur wenige niedrig- und mittellegierte Stähle auf dem Markt erhältlich, die mittels der additiven Fertigung verarbeitet werden können. Das Pulver hingegen erfüllt diesen Bedarf, da es ein schnelles und effizientes Drucken von Erstmustern ermöglicht, die auch die späteren Bauteileigenschaften aufweisen. Wärmebehandlung und thermochemische Oberflächenbehandlungen können mit dem gleichen Werkstoff wie in der Serienfertigung getestet und optimiert werden. Selbst Ersatzteile können durch Additive Manufacturing mit vergleichbaren Eigenschaften wie das Original hergestellt werden. Dies wird durch sein gutes Umwandlungsverhalten in das Bainitgefüge unterstützt. Dadurch ist das Material auch beim Druck leicht zu handhaben.

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Von Swiss Steel Group / Birgit Etmanski