Ohne Polieren: Perfekte Oberflächen mit Spiegelglanz
Oberflächen, in denen sich der Betrachter widerspiegelt, und Ebenheiten im Nanometerbereich: Dies sind Eigenschaften, die sich nur mit dem Prozess der Ultrapräzisionszerspanung realisieren lassen. Wie ist das wirtschaftlich durchführbar?
Für das bestmögliche Ergebnis sorgt bei der „Hochglanzbearbeitung“ das eingesetzte Präzisionswerkzeug mit dem passenden Schneidstoff. Denn die erzeugte Oberfläche ist immer das Spiegelbild der Werkzeugschneide. Nur eine Schneide aus monokristallinem Diamanten (MKD) lässt sich aufgrund seiner inneren Struktur und der Härte so fein polieren, dass bei der Zerspanung eine makellose Oberfläche entsteht.
Das perfekte Tool sorgt für die optimale Oberfläche
Um die perfekte Politur der schartenfreien Schneidkante herzustellen, gibt es keine computergesteuerten Maschinen. Nur das Feingefühl und das Know-how speziell geschulter Mitarbeiter entscheiden über das hochglänzende Ergebnis. Denn das Finishing der hochkarätigen Werkzeuge ist reine Handarbeit.
Die Hochglanzbearbeitung mit MKD gehört zu den „Königsdisziplinen“ der spanenden Fertigung mit geometrisch bestimmten Schneiden. Zwei hundertstel Millimeter Schlichtaufmaß trennen eine sehr gute Oberfläche von der perfekten Oberfläche mit Spiegelglanz. Das Einsatzspektrum dieser Technologie ist breit gefächert; der Fertigungsprozess ist in zahlreichen Branchen im Einsatz. In der Schmuckindustrie sorgen die Werkzeuge für den Glanz beispielsweise bei der Fertigung von sichtbaren Teilen einer hochwertigen Armbanduhr, und auch bei den meisten Eheringen. Bei der Fertigung von Spiegeln für Weltraumteleskope garantiert die nahezu perfekte Formgenauigkeit der gefrästen Spiegelfläche für einen verzerrungsfreien Blick ins All. Bei der Fertigung nahezu jeder Sehhilfe, egal ob Brille oder Kontaktlinse, waren Werkzeuge mit Diamantbestückung im Einsatz. Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist der Werkzeug-, Modell- und Formenbau. Hier können aufwendige und teure Polierarbeiten eingespart werden. Die Liste lässt sich erweitern, nicht zuletzt in der Medizintechnik sind diese Werkzeugsysteme fest etabliert.
Praxisbeispiel zeigt die Raffinesse der Zerspanungsaufgabe
Für die Drehbearbeitung eines Wandauslauf-Prototyps bekam ein Fertigungsbetrieb den Auftrag, sich mit der Hochglanzzerspanung auseinanderzusetzen. Auftraggeber war in diesem Anwendungsfall ein Hersteller von Premium-Armaturen. Die klaren Geometrien und die planen Flächen des Prototypendesigns erfordern die Zerspanung mit MKD. Abweichungen in den Oberflächen und der Geometrie wären durch das spätere Verchromen sichtbar. Wegen dieser Qualitätsanforderungen wurde das Polieren nach der spanenden Bearbeitung ausgeschlossen, da kleine Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche die Lichtbrechung in der wenigen Mikrometer dicken Chromschicht immens beinträchtigen würden.
Viel Zeit hatte der Werkzeuganwender nicht, um die Lösung für die Zerspanungsaufgabe zu finden. Die Schwierigkeit bei der Zerspanung des aus Messing gegossenen Rohlings lag in der langen Auskraglänge von rund 200 Millimetern. Der Tübinger Werkzeugspezialist Horn löste die Aufgabe mit einer MKD-bestückten ISO-Schneidplatte. Die geforderte (minimale) Rauheit der Konstrukteure des Armaturenherstellers konnte somit durch die strengen Qualitätskontrollen erreicht werden.
Einsatz in der Forschung: Spiegel für die Astrophysik
In der Wissenschaft erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse, die sich mithilfe von Spiegeln mit hochglänzenden und präzisen Oberflächen gewinnen lassen. Ein Beispiel ist eine Gruppe von Astrophysikern der Universität Kassel. In einer Vakuumkammer erzeugen die Wissenschaftler Materie, die sonst nur im All vorkommt, und sammeln so Erkenntnisse über das Werden und Vergehen von Sternen.
Ausgeklügelte Lasersysteme und präzise Spiegelsysteme helfen den Forschern bei der Umsetzung ihrer Ideen und Theorien. Bei der Forschung werden Laserstrahlen über die Spiegel durch eine entstandene Gaswolke gelenkt. Je öfter der Strahl hin und her reflektiert wird, je häufiger also die Gaswolke durchleuchtet wird, desto eindeutiger sind die detektierten Signale. Vor der Hochglanzbearbeitung setzten die Forscher auf polierte Spiegel. Diese besaßen zwar eine spiegelnde Oberfläche, aber die Ebenheit hatte aufgrund der vielen Polituren zu viele geometrische Ungenauigkeiten. Die mit MKD bestückten Fräser konnten diese Probleme lösen.
Keine spezielle Maschinentechnik erforderlich
Auch auf nicht speziellen, universellen Bearbeitungszentren lassen sich hochglänzende Oberflächen erzeugen. Die Lagerung der Antriebe und der Spindel spielen hierbei die entscheidende Rolle. Die Hochglanzzerspanung ist auf Nicht-Eisen-Metalle, Edelmetalle und faserfreie Kunststoffe begrenzt. Der wirtschaftliche Einsatz in Stahlwerkstoffen ist durch die chemische Wechselwirkung nicht möglich. Im Einsatz würde der Kohlenstoff des Diamanten in das Eisen im Stahl diffundieren und somit den Diamanten auflösen.
Handwerkskunst: die hochwertigen Schneidkanten erzeugen
Um Oberflächengüten mit Spiegelglanz zu erzeugen, spielt die Qualität der Werkzeugschneidkante die entscheidende Rolle. Die Qualität der Schneidkante spiegelt sich in der zu bearbeitenden Oberfläche wider. Der finale Schliff beziehungsweise die Politur der MKD-Schneide gleicht einer Handwerkskunst. Ähnlich wie beim Schliff eines Schmuck-Brillanten geschieht das Finishing einer Werkzeugschneide für die Hochglanzzerspanung mit einer Schleifzange von Hand. Optimale Voraussetzungen zum Schleifen der Schneiden bieten luftgelagerte Schleiftische mit einer Tischplatte aus massivem Granit. Für die optische Kontrolle wird ein Mikroskop mit 200-facher Vergrößerung genutzt. Unter dieser Vergrößerung muss die Schneidkante absolut schartenfrei sein. Die dabei entstehende Schneide hat einen Radius vom maximal 0,0002 Millimetern. Für das Schleifen von MKD-Kugelfräsern zur Hochglanzzerspanung von Freiflächen haben die Tübinger Spezialisten eine spezielle Schleifmaschine entwickelt, mit der sich auch kleinste Radien prozesssicher schleifen lassen.
Synthetische Diamanten als Grundlage des Erfolgs
Bei der Hochglanzzerspanung kommen hauptsächlich vom Menschen erzeugte Diamanten zum Einsatz. Zur Herstellung der synthetischen Steine kommen zwei unterschiedliche Verfahren in Betracht. Beim HPHT (High Pressure, High Temperature)-Verfahren entstehen die Diamanten unter hohem Druck und großer Hitze – also auf fast natürlichem Wege. Jedoch benötigt dieser Prozess nicht über Millionen Jahre, sondern läuft innerhalb einiger Stunden oder Tage ab, je nach gewünschter Größe.
Hierbei wird reines Grafitpulver mit einem Druck von 60.000 Bar und einer Temperatur von 1.500 Grad Celsius zu einem Diamanten umgewandelt. Diamanten aus diesem Prozess kennzeichnen sich durch eine leichte gelbliche Färbung, die durch die Lichtbrechung von eingelagerten Stickstoffatomen entsteht. Die maximale Kantenlänge der synthetischen Steine liegt bei 10 Millimetern. Dimensionen darüber hinaus sind theoretisch möglich, wären jedoch nicht wirtschaftlich.
Bei der Bestückung der MKD-Werkzeuge setzt Horn jedoch auf die noch reineren „MCC“-Diamanten. Diese monokristallinen Steine entstehen durch das CVD-Verfahren (Chemical Vapour Deposition – chemische Gasphasenabscheidung). Als Kohlenstoffquelle dienen verschiedene Gase, hauptsächlich Methan, die sich im Prozess abscheiden und den Diamanten wachsen lassen. Die Diamanten haben als Kennzeichen ihre glasklare bis (je nach Dicke) leicht bräunliche Farbe. Ein großer Vorteil dieses Verfahrens ist die mögliche Kantenlänge der Steine. So können auch lange Bestückungen mit beispielsweise 30 Millimetern Schneidkantenlänge realisiert werden. Für solche Werkzeuge musste zuvor auf natürliche Diamanten zurückgegriffen werden. Diese sind durch den hohen Preis, die Verfügbarkeit und die natürlichen Einschlüsse nur schwer zum Einsatz zu bringen. Durch das CVD-Verfahren steht nun eine ideale Alternative zur Verfügung – und eröffnet beste Perspektiven für die weitere Verbreitung der Hochglanzbearbeitung.
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