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Industrieroboter optimiert Abläufe 18.07.2024, 11:28 Uhr

Revolution im 3D-Druck von komplexen Metallbauteilen

Bionische Konstruktionen, komplexe Strukturen und geringe Losgrößen – um diesen Herausforderungen der modernen Fertigung in der Metallindustrie zu begegnen, bietet sich die additive Fertigung an. Dank einer passenden Automatisierung gelingt dies nun noch wirtschaftlicher.

Der 3D-Drucker schweißt Schichten mit minimaler Wandstärke von 2 mm. Die Fertigung aus vollem Material ist ebenfalls möglich. Foto: Kuka

Der 3D-Drucker schweißt Schichten mit minimaler Wandstärke von 2 mm. Die Fertigung aus vollem Material ist ebenfalls möglich.

Foto: Kuka

Den Herausforderungen der modernen Fertigung gerecht zu werden: Das funktioniert mit einer modularen Automationszelle, die HS Automation aus dem Baden-Württembergischen Vöhringen für eine neue Art des 3D-Metalldrucks entwickelt hat. Für die Umsetzung des Laserschweißverfahren dient ein Roboter des Automatisierungsspezialisten Kuka aus Augsburg. Die Lösung ermöglicht eine wirtschaftliche und materialschonende Fertigung von komplexen Metallteilen – ohne Verwendung jeglicher Stützstrukturen. Bei der gemeinsam entwickelten Roboterlösung schweißt der 3D-Drucker Schichten mit einer minimalen Wanddicke von 2 Millimetern auf. Die Fertigung aus vollem Material ist ebenfalls möglich. Das fertige Werkstück muss nicht (oder nur minimal) nachbearbeitet werden. Die Anlagenentwickler erreichen mit der Zusammenarbeit minimalen Materialabfall und geringe Herstellungskosten bei fast unbegrenzten Gestaltungsmöglichkeiten.

Synchrone Bewegungsführung realisiert

Der 3D-Metalldrucker von HS Automation kombiniert den Industrieroboter aus der „KR Iontec“-Familie mit einem Drehkipptisch, der sich synchron zum Roboterarm entsprechend der Werkstückvorgaben bewegt. Sechs Schweißlaser am Ende des Druckkopfes, der vom spanischen Hersteller Meltio stammt, schmelzen den zugeführten Draht präzise auf das Trägermaterial beziehungsweise das entstehende Werkstück. Schicht für Schicht wächst so das vorab designte 3D-Objekt. Das Laserauftragsschweißen verringert den Materialaufwand im Vergleich zum Fräsen oder Drehen aus einem kompletten Metallblock um bis zu 98 Prozent.

Mit der Automationszelle, die HS Automation entwickelt hat, können Unternehmen den Herausforderungen der modernen Fertigung in der Metallindustrie gerecht werden.

Foto: Kuka

Der Drehkipptisch, der ebenfalls von Kuka entwickelt wurde, positioniert das Werkstück so, dass der Druckkopf immer an der richtigen Stelle neues Material aufschweißen kann. Stützstrukturen, wie sie beim herkömmlichen 3D-Druck üblich sind, werden somit überflüssig.

Präzision wird ohne aufwendige Nachbearbeitung erzielt

Der Einsatz des absolut vermessenen Roboters garantiert die Genauigkeit, die die Metalldruckanwendung von der bestehenden Konkurrenz unterscheidet. „Mit der Roboterlösung erweitern wir die Möglichkeiten der Fertigung enorm“, so Rolf Steidinger, Geschäftsführer sowie kaufmännischer Leiter von HS Automation, zum Potenzial des 3D-Metalldruckers: „Sobald ein Teil nicht konventionell gefertigt werden kann, ist der Einsatz dieses Geräts unumgänglich.“ Das Verfahren löst zum Beispiel Ersatzteilprobleme, da nicht mehr verfügbare Bauteile selbst produziert werden können.

Bei konventionell herstellbaren Teilen überzeugt das Verfahren durch reduzierte Kosten und eine nach Herstellerangaben viermal höhere Produktivität. Das Laserauftragsschweißen verringert sowohl den Materialaufwand als auch die Nachbearbeitungszeit im Vergleich zur spanenden Bearbeitung aus einem kompletten Metallblock. Die Vorteile des Verfahrens bewähren sich vor allem im Werkzeugbau, im Sonderanlagenbau oder in der Fertigung von Prototypen. Herstellung, Test und Optimierung von strömungsoptimierten Bauteilen – zum Beispiel von Windkraftanlagen – werden so immens beschleunigt.

Anpassungsfähiges Verfahren für zahlreiche Werkstoffe

Die Präzision des robotergeführten Laserauftragsschweißens hebt die bekannte Anwendung des Metalldrucks nach Meinung der Kooperationspartner auf ein neues Level. Das Robotersystem ist beispielsweise in der Lage, doppelwandige Objekte wie Bauteile mit innen liegenden Kühlkanälen herzustellen. Der mit sechs 200-Watt-Lasern ausgestattete Druckkopf verarbeitet neben dem Einzelmaterialdruck auch zwei unterschiedliche Metall-Materialien in einem Druckteil.

Die Geschäftsführer von HS Automation – Marc Steidinger (links) und Rolf Steidinger – eröffnen mit dem Metall-3D-Druck vor allem dem Mittelstand neue Fertigungsperspektiven.

Foto: Kuka

„Fast jedes Material kann verarbeitet werden: Edelstahl, Titan, Werkzeugstähle, Nickellegierungen. Unser Laserpartner Meltio arbeitet aktuell daran, Kupfer zu drucken. Damit rückt der Einsatz auch für E-Mobilitätsprojekte in greifbare Nähe“, prognostiziert Marc Steidinger. Der Geschäftsführer von HS Automation, zuständig für die technische Leitung des Projekts, sieht Einsatzbereiche vor allem in der Ersatzteilproduktion, in der Entwicklung von Serien und in der Medizintechnik. Im Prototypenbau profitieren Anwender von der komplett flexiblen Anpassung der Druckparameter. Künstliche Kniegelenke aus Titan und andere medizinische Implantate werden dank 3D-Metalldruck in Zukunft individuell an den Patienten angepasst.

Der Einsatz von innovativen Software-Lösungen wie „Kuka.CNC“ macht die Technologie noch attraktiver für kleine und mittlere Unternehmen. Dank der Software können per CAD/CAM-System designte Strukturen direkt gefahren werden – ohne dass sie vorher in eine „Robot Language“ umgewandelt werden müssen.

Erfolgreiche Systempartnerschaft nutzt Synergien

HS Automation verfolgt mit seinen circa 20 Mitarbeitenden das Ziel, Automatisierung auch für andere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) produktiv nutzbar zu machen. Rolf Steidinger sieht das Unternehmen als Partner eines leistungsfähigeren, nachhaltigeren Mittelstands: „Einige unserer Kunden unterstützen wir bereits seit 24 Jahren bei der automatisierten Produktion. Gemeinsam entwickeln wir stetig zukunftsfähige Lösungen auf dem neuesten Stand der Technik.“

Der Automatisierungsdienstleister HS Automation arbeitet seit 2017 mit dem Roboterhersteller zusammen.

Foto: HS Automation

Im Zuge der Systempartnerschaft mit dem Augsburger Roboterhersteller, die seit 2017 besteht, nutzen die beiden Unternehmen lösungsorientiert und gewinnbringend die Stärken des jeweils anderen: direkter Zugang zu praktischen Herausforderungen, branchenspezifisches Know-how und hohe Applikationserfahrung. Die Experten von HS Automation konzipieren und bauen komplette Fertigungslinien – von der Maschinenbeladung, der Einspeisung von Maßen und Zuschnitt über das automatisierte Zusägen hin zum Verschrauben oder Vernageln. Sie setzen aber auch Einzelprojekte wie Punktschweißzellen um. Vor Inbetriebnahme nutzt HS Automation ebenfalls Augsburger Produkte wie „Kuka.Sim“, um den Projekterfolg zu sichern. Die Experten planen damit Raummaße, Bewegungsradien und Sicherheitsbereiche der Anlage schon vorab und sparen damit Zeit und Kosten.

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