Effizienter fertigen: Werkzeugmanagementsystem selbst entwickelt
Ein innovativer Lohnfertiger mit Sitz in Schweinfurt hat ein maßgeschneidertes Tool für das Werkzeugmanagement aus eigenen Erfahrungen heraus selbst entwickelt. Geplant ist, das Tool zukünftig auch Branchenkollegen anzubieten.
Etwa 115 Mitarbeiter zählt das innovative, inhabergeführte metallverarbeitende Unternehmen in der unterfränkischen Hochschul- und Industriestadt. Die Tätigkeiten an den Maschinen in den Werkhallen bestehen überwiegend aus den spanenden Fertigungsverfahren Drehen, Fräsen, Bohren und Schleifen sowie Sägen. Seine Aufträge erhält der Betrieb vor allem von langjährigen namhaften Stammkunden, was für die Qualität der Arbeit spricht.
Gebündeltes Know-how für zahlreiche Herstellungsprozesse
Die Kritzner Metalltechnik GmbH wurde 2014 durch einen Asset Deal als eigenständiges Unternehmen aus der Maincor-Gruppe herausgelöst und bündelt das Know-how aus den Vorgängerfirmen Unicor Maschinenfabrik, Sörberg und Maintools. Der Fokus liegt auf der hochwertigen Lohnfertigung von spezifischen Metallteilen für einen weitgehend festen Kundenstamm, zu dem vor allem namhafte Industriebetriebe aus Deutschland und Österreich zählen. Neben den „klassischen“ Zerspanungstechniken sind fortschrittliche Wärme- und Oberflächenbehandlungen mit im Portfolio. Die Fertigungstiefe ist groß. Auch die fachmännische Montage der Bauteile zählt zum Leistungsspektrum, das die Fertigung von Einzel- und Serienteilen sowie innovativen und auch unkonventionellen Prototypen umfasst. Bei den Fertigungsprozessen wird neben hohen Qualitätsansprüchen auch auf ökologische Aspekte geachtet. So ist das Unternehmen nach DIN EN ISO 9001 (Qualitätsmanagement) und 14001 (Umweltmanagement) zertifiziert.
Eigenentwicklung spart Geld und Schulungsaufwand
Betriebe wie Kritzner Metalltechnik gibt es viele. In der Branche ist die Digitalisierung seit geraumer Zeit auf dem Vormarsch. Die dazu benötigte Software wird in der Regel von externen Quellen angeboten. Aus Mangel an Alternativen im eigenen Haus sind die Unternehmen auf diese mehr oder weniger kostspieligen und aufwendig einzuschulenden Systeme angewiesen. Dass dies bei Kritzner anders ist – und nun eine eigene Lösung zur Verfügung steht – liegt an der Eigeninitiative und dem Know-how eines Mitarbeiters.
Christian Krick ist ein „Glücksfall“ für den fortschrittlichen Schweinfurter Lohnfertigungsbetrieb. Einerseits ist der Mittvierziger ein versierter CAM (Computer Aided Manufacturing)-Programmierer und damit ein wertvoller Mitarbeiter für die Fertigung. Einzigartig für seinen Arbeitgeber macht ihn allerdings sein Faible für das Programmieren. Seit mittlerweile 15 Jahren entwickelt er exklusiv ein passgenau auf die betrieblichen Bedürfnisse abgestimmtes Werkzeugmanagementsystem, das daher auch seinen Namen trägt: das „KrickTool“.
Aus der Praxis für die Praxis
Und das kam so: Der ausgebildete Industriemechaniker heuerte 2005 als CNC-Fräser bei Maintools, der Vorgängerfirma seines heutigen Arbeitgebers, an. Damals wurden die Programme direkt an der Maschine erstellt, ab dem Jahr 2008 schließlich am neu eingeführten CAM-System. Dabei gab es ein Problem: „Um Rückfragen zu minimieren, bedurfte es einer Liste der Werkzeuge mit eindeutiger Identifikation. Mit der CAM-eigenen Werkzeugdatenbank ist dies zwar gegeben, allerdings konnten dort keine Lagerorte und Bestelldaten gepflegt werden“, erklärt Christian Krick.
Da sich der Mitarbeiter bereits privat mit PHP (einer serverseitigen Webprogrammiersprache) und SQL (Structured Query Language)-Datenbanken beschäftigte, bot er an, die fehlende Liste zu erstellen. Mithilfe seiner Programmierkenntnisse in PHP, JavaScript, HTML und CSS entwickelte er diese in jahrelanger Bildschirmarbeit schließlich zur zentralen Datenbank weiter, die von jedem PC mit Browser einfach aufgerufen werden kann. „Anhand der ID-Nummer konnte nun jeder Mitarbeiter nachvollziehen, um welches Werkzeug es sich handelt, wo dieses zu finden ist und wie viele noch auf Lager sind. Zudem sollte bei der Unterschreitung eines Mindestbestandes automatisch eine Bestellerinnerung ausgelöst werden“, erläutert Krick.
Das aus der Praxis entwickelte Tool vereinfachte die tägliche Arbeit und erhöhte signifikant die Effizienz der Fertigung. In vielen hundert Stunden programmierte Krick das nach ihm benannte System bis heute weiter. Mittlerweile hat es beeindruckend viele Funktionen und ist gleichzeitig sehr einfach zu bedienen, was der Entwickler als große Herausforderung bezeichnet.
Wie kann das KrickTool die rationelle Fertigung unterstützen?
Im wichtigsten Anwenderbereich, der Werkzeugverwaltung, bietet das neue Programm umfangreiche Funktionen – von der Anlage von Werkzeugen mit Parametern und Bild über die Lagerplatz- und Stückzahl-Verwaltung bis zur Auswertung der Verbräuche der einzelnen Werkzeuge. Erfasst werden hier auch die Benutzergruppen mit Vergabe unterschiedlicher Rechte-Ebenen.
Viele Daten werden aus dem NC-Programm gelesen. Dabei bietet das KrickTool den Vorteil, dass die Rüstdaten direkt an der Maschine anpassbar sind. Es benötigt keinen zusätzlichen Arbeitsschritt, um die Werkzeuglisten anzupassen. Selbst wenn Änderungen also nicht im CAM übernommen wurden, befinden sich die Werkzeuglisten auf dem aktuellen Stand.
Weiter können in der NC-Programmverwaltung Bauteile mit Parametern und Bildern sowie NC-Programme mit Parametern, der zugehörigen Werkzeugliste, NC-Kommentaren, Aufspannbeschreibungen und Bildern angelegt werden. Zentrale Funktionen bilden hier die Verknüpfung von NC-Programmen zum Bauteil, die NC-Programmübertragung zur Maschine und zurück, Programmvergleich und Übernahme der rückübertragenen Programme mit Versionsverwaltung und Archiv. Weitere Funktionen erleichtern unter anderem die Feinplanung, die Erfassung der Messdaten und die Möglichkeit der „digitalen Schichtübergabe“ an der Maschine.
Mehrere Schnittstellen verbinden das KrickTool mit internen und externen Softwarekomponenten wie Openmind Hypermill, Infor Brain, Inform Felios, Heidenhain, Siemens und Kelch. Das Backoffice hat überdies Zugriff auf Benutzerverwaltung, Kunden- und Lieferantenverwaltung, Kostenstellen- und Maschinenverwaltung, Gruppen- und Klassenverwaltung sowie verschiedene Auswertungen.
Zwei Praxisanwendungen – Beispiel 1: Entnahme-Management
Zur Veranschaulichung, welchen Mehrwert das KrickTool bietet, führt sein Entwickler zwei Beispiele aus dem Praxiseinsatz auf: „Ohne unsere Software hatten die Mitarbeiter an der Maschine anhand von Erfahrung und Vermutung entschieden, welche Werkzeuge aus der Maschine genommen werden, um Platz für den neuen Werkzeugsatz zu schaffen. So kam es nicht selten vor, dass heute ein Werkzeug demontiert wurde, welches übermorgen wieder zusammengebaut werden musste.
Das KrickTool prüft die in Zukunft an der Maschine geplanten Aufträge und hebt in der Werkzeugliste die nicht benötigten Werkzeuge hervor. Weil jedoch keine feste Entnahmeliste existiert und die Magazinbelegung minütlich direkt aus der Steuerung der Maschine aktualisiert wird, bleibt genügend Flexibilität für den Fachmann an der Maschine, um eigene Entscheidungen zu treffen. Dies ist wichtig, denn in kleineren Betrieben kommen gerne mal ‚ungeplante‘ Arbeiten dazwischen. Beispiele dafür sind die kurzfristige Fertigung einer kleinen Vorrichtung oder eine schnelle Nacharbeit, damit der Auftrag noch pünktlich und in passender Qualität geliefert werden kann.“
Beispiel 2: „Vergessene Tools“
„Früher kam es vor, dass eine Werkzeugliste nicht mehr dem dazugehörigen Programm entsprach, weil während der Fertigung auftretende Probleme wie etwa Vibrationen oder eine leicht geänderte Aufspannsituation dazu führten, dass ein Werkzeug, eine Werkzeugaufnahme oder nur eine Ausspannlänge geändert werden musste. Dass man dies theoretisch auch ohne Extra-Software in der Werkzeugliste nachtragen kann, ist klar, jedoch wurde dies in der Praxis aus verschiedenen Gründen oftmals ‚vergessen‘. Das kennen erfahrungsgemäß viele aus der Branche. Mit dem KrickTool kann das nicht mehr passieren.“
Eine praktikable Lösung für viele Fertigungsbetriebe
„Am Markt werden meist sehr komplexe, eher unflexible und – auch preislich – aufwendige ‚akademische‘ Systeme angeboten, die weit über die Bedürfnisse eines Betriebs unserer Größenordnung hinausgehen“, sagt Krick. Deshalb war der Unternehmensleitung um Geschäftsführer Thomas Kritzner die Entscheidung leichtgefallen, stattdessen den eigenen Mitarbeiter bei der Entwicklung der hauseigenen Alternative zu unterstützen. Zuletzt investierte das Unternehmen in die Anschaffung von Tablets für die Maschinen und für die Werkzeugvorbereitung. Damit kann die Software noch schneller zum Einsatz gebracht und somit die Rüstzeiten deutlich reduziert werden.
Aus dem KrickTool macht Kritzner kein Geheimnis, im Gegenteil: In naher Zukunft möchte er es Branchenkollegen zur Verfügung stellen und daraus ein zusätzliches Standbein aufbauen – mit zugehörigen Schulungen und Support. Thomas Kritzner ist vom Gelingen dieses Plans überzeugt.
Christian Krick hat „sein“ Tool zwar genau nach den Anforderungen seines Arbeitgebers optimiert, jedoch stehen Unternehmen ähnlicher Größe und Ausrichtung im Prinzip vor den gleichen Herausforderungen, wie sie die Schweinfurter mit ihrem KrickTool gelöst haben. Die Stellschrauben, das Tool an die jeweiligen Gegebenheiten anderer Betriebe anzupassen, sind jedenfalls bereits integriert.
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Manfred Spörl, freier Journalist, hat die Reportage im Auftrag der Kritzner Metalltechnik GmbH via Pressebeck, Kitzingen, erstellt. Foto: Mondelli Fotostudio