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Qualitätvolle Zulieferteile 12.07.2024, 11:59 Uhr

Werkzeugmaschinen für Höchstpräzision in Lohnarbeit

Spezialisierte Zulieferbetriebe sind essenziell für die europäischen Industriestandorte. Jedoch sind sie einem zunehmenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt, der viele zum Aufgeben zwingt. Was macht einen Zulieferer erfolgreich, von den Fertigungsmaschinen bis hin zur Belegschaft? – ein Praxisbeispiel.

Bearbeitungsbeispiele: Hartmetall lässt sich mit den präzisen Maschinen der Firma Rauch fräsen, koordinatenschleifen und mit Gewinden versehen (rechts). Beim Stanzwerkzeug (links) besteht der Arbeitsbereich aus einer Hartmetallplatte, die auf einem Unterteil aus Werkzeugstahl befestigt ist. Foto: Klaus Vollrath

Bearbeitungsbeispiele: Hartmetall lässt sich mit den präzisen Maschinen der Firma Rauch fräsen, koordinatenschleifen und mit Gewinden versehen (rechts). Beim Stanzwerkzeug (links) besteht der Arbeitsbereich aus einer Hartmetallplatte, die auf einem Unterteil aus Werkzeugstahl befestigt ist.

Foto: Klaus Vollrath

Die Gerhard Rauch Ges.m.b.H. in Trasdorf (Österreich) ist ein vielseitiger Hersteller von mechanischen Komponenten und Baugruppen für höchste Ansprüche. Kunden sind Unternehmen des Maschinenbaus, der Feinmechanik, der Luft- und Raumfahrt oder der Medizintechnik. Das Leistungsspektrum geht von Planung und Lohnfertigung über Folienstanzmaschinen und -werkzeuge bis hin zur Produktion von Sondermaschinen. In Trasdorf gefertigte Teile sind sogar auf dem Mars im Einsatz. Doch warum setzt die Firma bei der Höchstpräzisionszerspanung konsequent auf Fräsbearbeitungszentren eines Anbieters aus Norddeutschland?

Von den Anfängen bis zum heutigen Leistungsumfang

„Unsere Firma wurde 1970 von meinem Stiefvater als Einmannbetrieb in einer Garage in Wien gegründet“, erinnert sich Anton Buresch, CEO des heute in Trasdorf angesiedelten Unternehmens. Zunächst wurden anspruchsvolle Profilschleifarbeiten für den Werkzeugbau und den Maschinenbau ausgeführt. Den Schwerpunkt bildeten besonders knifflige Aufgabenstellungen mit hohem Schwierigkeitsgrad wie beispielsweise Stanzwerkzeuge. Bald wurden auch eigene Stanzmaschinen für dünne Folien für die Lebensmittelbranche entwickelt und hergestellt. Dieser Markt wird auch heute noch bedient. Mittlerweile liegt der Schwerpunkt jedoch bei der Herstellung hoch anspruchsvoller mechanischer Bauteile und Prototypen im Lohnauftrag. Das Leistungsspektrum erstreckt sich hierbei von der partnerschaftlichen Entwicklung und Fertigung im Lohn bis hin zur Herstellung von Vorrichtungen und Sondermaschinen. Das Motto des familiengeführten Unternehmens ist: „Bestmögliche Qualität zum bestmöglichen Termin und zum bestmöglichen Preis.“

Leopold Killian (Betriebsleiter Wien, links) und Raphael Schloffer (Maschinenbediener und CAM-Programmierer), beide langjährig bei G. Rauch tätig, begutachten einen Flansch vor der Maschine Röders RXP 601 DSH.

Foto: Klaus Vollrath

Hierfür setzt die Firma Gerhard Rauch eine große Bandbreite an Technologien wie Schleifen, Erodieren, Fräsen, Drehen, Hartdrehen und Laserbeschriften sowie das PECM-Verfahren (Präzise Elektrochemische Metallbearbeitung) ein.

Fräs-/Schleifmaschinen bearbeiten Stähle einstufig statt mehrstufig

„Wir stellen nach wie vor Stanzwerkzeuge mit besonders hohen Ansprüchen an die Genauigkeit der Konturen her“, erläutert Anton Buresch. Bei extrem dünnen Alufolien für zum Beispiel Joghurtbecherdeckel dürfen die Schneidspalte teils nur 2 µm breit sein. Das bedingt Toleranzvorgaben von weniger als ± 1 µm für Stempel und Matrize. Früher mussten solche Werkzeuge in mehreren Schritten bearbeitet werden.

Weiterhin ein Kerngeschäft: Schnelle Stanzsysteme für dünne Folien, die zum Beispiel als Deckel für Joghurtbecher in der Lebensmittelindustrie Verwendung finden.

Foto: Klaus Vollrath

Zunächst wurden sie im weichen Zustand vorgefräst. Dann folgte das Härten, wobei es zu einem gewissen Verzug kommt. Anschließend wurden die Werkzeuge im harten Zustand durch Fräsen und Schleifen auf Endmaß gebracht. Diese mehrstufige Bearbeitung war erforderlich, weil sich die Maschinen und die Fräswerkzeuge mit der Bearbeitung gehärteter Stähle schwer taten. Dieses Handicap konnte durch die Beschaffung von Bearbeitungszentren des Werkzeugmaschinenbauers Röders überwunden werden. Diese sind sowohl steif als auch präzise genug, um auch hochharte Materialien mit der erforderlichen Genauigkeit zu bearbeiten.

Jetzt könne man gleich gehärtete Rohlinge aufspannen und durch Fräsen und Koordinatenschleifen auf Endmaß bearbeiten. Das sorgt für enorme Einsparungen an Personal, Durchlaufzeit und so letztlich an Kosten. Durch die einstufige Bearbeitung entfalle der zusätzliche Aufwand für den Bau mehrfacher Vorrichtungen, das mehrfache Auf- und Abspannen und die Unterbrechung der Abläufe durch die Verschickung zur Härterei. Auch falle der zusätzliche Verwaltungsaufwand für Versand, Wareneingang und Qualitätskontrolle weg. Mit den Röders-Fräsmaschinen, die zugleich das Koordinatenschleifen mit höchster Genauigkeit erlauben, lasse sich selbst Hartmetall direkt bearbeiten, erläutert der CEO.

Eine neue Hochpräzisionsabteilung entsteht

„Als wir unsere erste Maschine aus Soltau im Jahr 2015 erhielten, haben wir damit zunächst ein wenig gefremdelt, weil wir bisher mit Heidenhain-Steuerungen gearbeitet hatten“, erzählt Raphael Schloffer, Maschinenbediener und CAM-Programmierer in der „Röders-Abteilung“. Der Umgang mit der neuen Steuerung habe sich jedoch schnell als erfreulich einfach erwiesen. Die integrierte Technologie-Datenbank biete viele interessante Möglichkeiten beim Schleifen. Auch können in den Programmen sogenannte „Heidenhain-Zyklen“ verwendet werden. Heute stehen in der Abteilung insgesamt fünf fünfachsige Fräsbearbeitungszentren: Drei RXP 501 DS und zwei RXP 601 DSH. Alle sind mit dem Palettenwechsler RCE 1 automatisiert. Darin können je nach Palettentyp acht bis 45 Werkstücke vorgehalten werden. Drei der Anlagen arbeiten mit Ölschwall-Schmierung, eine mit KSS-Minimalmengenschmierung und eine weitere mit dem Medienverteiler der Firma MHT.

Fünfachsige Hartbearbeitung mit Mikrometer-Präzision: Bei Gerhard Rauch sind mittlerweile fünf automatisierte Fräsbearbeitungszentren der RXP-Baureihe im Einsatz.

Foto: Klaus Vollrath

Die Mitarbeiter übernehmen bei der Bedienung die komplette Verantwortung für den jeweiligen Auftrag. Jeder macht somit alles – von der CAM-Programmierung über die Werkzeugbestellung und die Herstellung der benötigten Vorrichtungen bis zur Endkontrolle. Auf diese Werkerselbstkontrolle wird bei Gerhard Rauch großer Wert gelegt. Das zeigt sich auch daran, dass die einzelnen Abteilungen zusätzlich zur umfassend ausgestatteten zentralen Qualitätssicherungs-Abteilung jeweils über gesonderte klimatisierte Prüfräume mit hochpräzisen Messsystemen verfügen.

Beispiel für Präzision: Flansch für eine Verpackungsmaschine

„Dieser Flansch wird heute nach einer Weichbearbeitung gehärtet und danach lediglich einseitig plangeschliffen, bevor er auf die Röders kommt“, weiß Anton Buresch. Das Bauteil besteht aus hochfestem Stahl mit einer Härte von 58 HRC. Die wesentlichen Herausforderungen bei seiner Bearbeitung sind die konische Bohrung im Zentrum des Bauteils sowie die beiden seitlich davon angeordneten zylindrischen Bohrungen, deren Durchmessertoleranz mit lediglich 0 + 5 µm vorgegeben wird. Zudem ist das Stichmaß ihrer Achsen zur Achse der konischen Bohrung mit einer Genauigkeit von ± 5 µm einzuhalten.

Anspruchsvoll: Wesentliche Herausforderungen bei der Bearbeitung dieses Flanschs für eine Verpackungsmaschine sind die konische Bohrung im Zentrum sowie die beiden seitlich angeordneten zylindrischen Bohrungen mit enger Durchmessertoleranz.

Foto: Klaus Vollrath

Die Bearbeitung umfasst die Arbeitsgänge Hartfräsen und Koordinatenschleifen, alles in einer Aufspannung. Die beiden kleineren Bohrungen werden zirkular geschruppt und im Schnellhubverfahren auf Maß geschliffen. Die Herstellung des Konus, der mit einem Schleifstift im Schnellhubverfahren auf Hochglanz bearbeitet wird, ist besonders anspruchsvoll. Der Konus wird hierbei fünfachssimultan koordinatengeschliffen. Mit großem Erfolg werden dazu die von der Röders Steuerung bereitgestellten, fünfachsigen Schleifzyklen genutzt. Die Spiegelung des Karomusters der beim Fotografieren verwendeten Unterlage an den Wänden des Konus dokumentiert die Qualität der so erzeugten Oberfläche, die eine Oberflächengüte von unter Ra 0,15 µm aufweist.

Besondere Spezialität: Bauteile aus Hartmetall

„Auf den Anlagen bearbeiten wir häufig auch Werkstücke aus Hartmetall“, ergänzt Buresch. Das sei in bestimmten Fällen sogar preisgünstiger als ein monolithisches Stahlwerkzeug, indem man einen Schaft aus Werkzeugstahl mit einer vergleichsweise dünnen Decklage aus Hartmetall verbindet. Nur dieses Teil aus Hartmetall muss mit der erforderlichen hohen Genauigkeit bearbeitet werden. Unterstützt wird diese Strategie durch die Tatsache, dass es möglich ist, mit den Röders-Anlagen Gewinde in Hartmetall einzubringen. In einem anderen Fall habe man sogar ein monolithisches Hartmetall-Stanzwerkzeug mit 300 x 200 mm Kantenlänge mit insgesamt sieben Stempeln hergestellt. Für dieses Werkzeug ebenso wie für die entsprechende Matrize musste ein Schneidspaltmaß von 3 µm eingehalten werden.

Darüber hinaus werden auf den Maschinen auch zahlreiche kleinere Präzisionswerkzeuge beziehungsweise Formkomponenten – teils aus Hartmetall, teils aus Werkzeugstählen – hergestellt. Hier komme es häufig auf äußerste Präzision auch bei den Spaltmaßen an, beispielsweise bei Formbestandteilen für sehr dünnflüssige Spritzgießwerkstoffe wie Silikone.

Mitarbeiter als „wichtigstes Kapital“ des Unternehmens

„Solche Spitzenleistungen im Bereich Präzision erreichen wir nicht nur mit guter Ausrüstung, sondern vor allem dank der hohen Qualifikation und des Engagements unserer Mitarbeiter“, betont Leopold Killian, Betriebsleiter der Wiener Niederlassung der Firma. Als familiengeführtes Unternehmen achte man traditionell auf ein Arbeitsumfeld, in dem sich die Mitarbeiter wohl fühlen und Anerkennung finden. Das umfasse auch Sonderleistungen wie Sportförderung, die Nutzung firmeneigener Urlaubseinrichtungen oder den kostenlosen Mittagstisch. Integraler Bestandteil dieser Firmenphilosophie sei der mit 15 % recht hohe Anteil an Auszubildenden in der Belegschaft.

Bei der Ausbildung werde Wert auf moderne Ausstattung gelegt. Schon die angehenden Mitarbeiter wüssten, dass von ihnen viel erwartet werde, ihnen aber durch ein attraktives Arbeitsumfeld und ein gutes Einkommen auch viel geboten werde. Auch könnten sie auf langfristig sichere Arbeitsplätze zählen, weil das Geld in der Firma bleibe. Gewinne würden nicht aus dem Betrieb herausgezogen, sondern stetig auch in dessen Wachstum reinvestiert. Deshalb gebe es in der Belegschaft nur wenig Fluktuation. Killian resümiert: „Ich bin selbst ein solches ,Eigengewächs‘, habe im Unternehmen meine Lehre gemacht und bin inzwischen seit 38 Jahren dabei.“

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Von Klaus Vollrath

Klaus Vollrath ist freier Fachjournalist in Aarwengen/Schweiz.