Zum E-Paper
Arbeitsschutz in der Metallbearbeitung 27.05.2020, 11:19 Uhr

Wie Kühlschmierstoffdämpfe sicher abgesaugt werden

Sowohl bei spanenden Bearbeitungsverfahren als auch in der Umformtechnik sind Kühlschmierstoffe ein unabdingbares Hilfsmittel, um die die Prozesssicherheit zu gewährleisten. Für das Bedienpersonal können sie jedoch äußerst gesundheitsschädlich sein. Welche technischen Möglichkeiten gibt es, um den Arbeitsschutz zu verbessern?

Schmuckbild Hochgeschwindigkeits-Schleifprozess

Ein Hochleistungs-Schleiföl im Einsatz: Besondere Präzision am Werkstück und beste Kühlung werden zum Beispiel beim gezeigten Hochgeschwindigkeits-Schleifprozess garantiert.

Foto: Oelheld

Unter einem Kühlschmierstoff (KSS) wird ein meist sehr komplexes Stoffgemisch verstanden, das beim Trennen oder Umformen von Werkstoffen je nach Prozess eine oder mehrere Aufgaben übernimmt. Dazu gehören vor allem das Kühlen, Schmieren und der Späneabtransport aus der Bearbeitungszone in der Werkzeugmaschine. KSS verringern den abrasiven Verschleiß und erhöhen die Standzeit der Werkzeuge. Während sich Ende der 1990er Jahre viele Forschungsarbeiten dem Thema Minimalmengenschmierung (mit 5–50 ml/h) oder sogar der Trockenbearbeitung widmeten, ist zwischenzeitlich sogar ein gegenläufiger Trend zu beobachten: Viele Veröffentlichungen befassen sich mit der Hochdruckkühlung. Bei Drücken bis zu 80 bar werden dabei große Mengen an KSS zugeführt.

Arten von Kühlschmierstoffen

Grundsätzlich lassen sich nach DIN 51 385 wassermischbare KSS (Emulsionen) oder nicht-wassermischbare KSS (Schneid- oder Schleiföle) unterscheiden. Um die Eigenschaften zu optimieren, kann eine Vielzahl an Additiven zugesetzt werden, welche zum Beispiel die Schmiereigenschaften oder das Alterungsverhalten verbessern oder das Rosten von Bauteilen verhindern. Andere Substanzen (wie Siliconplymere) sollen helfen, das Aufschäumen zu vermeiden. Biozide werden zugesetzt, um die Bildung von Bakterien, Keimen und Pilzen zu unterbinden – wie Formaldehyd oder Phenol. Auch diese Substanzen, die noch nicht alle in der Auswirkung auf den Menschen vollständig untersucht sind, werden unter Umständen an die Umgebung abgegeben. Die sichere Handhabung und Wartung von KSS ist aufwendig. Der Unternehmer steht jedoch in der Pflicht, möglichen Gefährdungen der Arbeitnehmer und der Umwelt wirkungsvoll vorzubeugen. Im Beitrag liegt die Konzentration auf dem Bereich der zerspanenden Bearbeitung.

Risiken und Gefahren für die Mitarbeiter

Der Mitarbeiter an der Maschine ist folgenden möglichen Gefährdungen ausgesetzt: Kontakte der flüssigen KSS mit der Haut und den Augen können zu Reizungen und Allergien führen. Durch hohe Zerspantemperaturen werden Dämpfe der KSS in die Atemluft emittiert, können in die Lunge gelangen und ebenfalls Gesundheitsschäden hervorrufen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Einfluss auf die Umwelt: KSS sollten sich daher möglichst oft wieder aufbereiten lassen und am Ende ihrer Nutzungsdauer gefahrlos entsorgt werden können, ohne das Grundwasser zu gefährden.

Außerdem ist je nach zerspantem Werkstoff und entstehender Temperatur die Gefahr hoch, dass es zu einer Explosion kommt. Aluminium und Magnesium sind als besonders kritisch anzusehen. Vorbeugende Maßnahmen sind bei diesen Werkstoffen besonders wichtig. Ende der 1990er Jahre geriet beispielsweise die Werkzeugträgerfertigung der Firma Walter in Tübingen in die Schlagzeilen, als ölbasierte KSS einen Brand auslösten und die gesamten Fertigungseinrichtungen in der Halle zerstörten.

Wird die Absaugung nicht korrekt ausgelegt oder werden Filterelemente nicht regelmäßig gereinigt sowie ausgetauscht, kann es zu gefährlichen Verpuffungen und Bränden kommen.

Foto: Büchel

KSS-Emissionen treten als Aerosole, Dämpfe oder Rauch auf. Entweder entstehen sie auf mechanischem Wege – durch eine Zerstäubung bei schnell rotierenden Teilen –, oder durch das Verdampfen von KSS an heißen Oberflächen (Werkstücken/Werkzeugen). Eine Rauchbildung wird durch Verbrennungsprozesse erzeugt.

Arten von Absaugungen: Welche Reinigungsmethode ist für welche Fertigung die Richtige?

In der Regel werden KSS heutzutage in geschlossenen Maschinensystemen eingesetzt. Diese verfügen über Absauganlagen, die die Aerosole des KSS aus der Luft zuverlässig abscheiden und in den Kreislauf der Anlage zurückführen. Abscheidesysteme sollten nicht nur nach der Funktionsweise, sondern auch der Absaugleistung passend ausgelegt sein, damit der Betreiber die Betriebskosten und -sicherheit unter Kontrolle halten kann. Neben der Absaugung direkt an der Maschine ist auch eine Hallenabsaugung oder eine mobile Lösung möglich.

Viele wichtige Anregungen und Empfehlungen vermitteln die Normen VDI 3677 (Blatt 1 und 2 – Oberflächenfilter, Tiefenfilter aus Fasern), VDI 3676 (Massenkraftabscheider), VDI 3678 Blatt 1 und 2 (Elektrofilter), VDI 3679 (Nassabscheider). Der grundlegenden Beschreibung und der Pflege von KSS widmet sich die Norm VDI 3397. Alle Normen können über den Beuth-Verlag, Berlin, bezogen werden. Einen guten Überblick zu Auswahlkriterien und zu den Betriebskosten vermittelt der VDMA-Leitfaden „Kühlschmierstoffe“. Für eine korrekte Wahl und Dimensionierung von Absaugvorrichtungen ist es empfehlenswert, einen Fachbetrieb hinzu zu ziehen. Ein kurzer Überblick stellt im Folgenden mögliche Varianten vor.

Ein Mitarbeiter bei der Wartung: Hat jede Werkzeugmaschine ihren eigenen Abscheider, liegt eine Direktabsaugung vor. Dieses Verfahren spart Energie und ist wartungsfreundlich.

Foto: Reven

1. Filternde Abscheider

Die zu reinigende Abluft wird durch ein Filtermedium geleitet, in dem die Feststoff- oder Aerosolpartikel dispergiert und zurückgehalten werden. Für KSS eignen sich dazu Materialien wie Filtervliese/-matten oder „Demistoren“ (Gestricke, die ähnlich wie ein Koaleszenzabscheider wirken, siehe Kapitel 2). Die Filtervliese können über eine eine oleo- sowie eine hydrophobe Oberfläche verfügen. Die Anwendung ist universell an Dreh-/Fräsmaschinen, Bearbeitungszentren, Schleifmaschinen, Hon-/Läppmaschinen sowie Funkenerosionsmaschinen möglich.

Mehrere verschiedene Filterarten werden passend hintereinander angeordnet, um die die Abluft auf die gewünschte Qualität zu reinigen. Wirkungsvoll ist ein Filtersystem in drei Stufen, bestehend aus einem Vorabscheider, einem Hauptabscheider und einem Nachfilter. Es erzielt (zum Beispiel nach Angaben der Firma Esta) einen Abscheidegrad von nahezu 100 %. Die Filtermaterialien sind bei Erreichen eines bestimmten Sättigungsgrads zu reinigen beziehungsweise zu ersetzen.

2. Koaleszenzabscheider

Bei dieser Art von Abscheidern lagern sich die KSS an den Fasern des Koaleszenz-Elements ab. Ursächlich dafür sind verschiedene mechanisch-physikalisch-chemischer Prozesse. Im Fasergefüge vereinen sich die mikroskopisch kleinen Öltröpfchen wieder. Sie werden zu größeren Tropfen und kommen mithilfe der Luftströmung an die Oberfläche des Filterelements. Von dort aus wandern sie durch einen Drainageeffekt sowie ihre Schwerkraft zum Gehäuseboden. Die Drainage sorgt für eine vorteilhafte, dauernde Selbstreinigung des Filterelements.

3. Elektrostatische Abscheider

Elektrostatische Abscheider haben sich seit Jahrzehnten bewährt: Sie arbeiten zuverlässig und preisgünstig erzeugen keine Vibrationen an der Werkzeugmaschine. Der Reinigungseffekt wird durch das physikalische Prinzip der Ablenkung von aufgeladenen Aerosolen in einem elektrischen Feld erzielt. Häufig läuft der Luftstrom zunächst durch einen Vorfilter aus Aluminiumdrahtgeflecht, der grobe Partikel und Späne abhält. In der ersten Zone des eigentlichen Abscheiders (Ionisationszone) werden die im Trägergas enthaltenen festen / flüssigen Aerosole unipolar aufgeladen. In der nachgeschalteten Abscheidezone werden sie in einem induzierten elektrischen Feld in Richtung der geerdeten Platte abgelenkt und auf den Kollektorplatten abgeschieden. Von dort aus fließen sie durch die Schwerkraft ab. Der Kollektor besteht in der Regel aus einer Reihe senkrechter Metallplatten, die parallel zum Luftstrom stehen.

4. Zentrifugalabscheider

Zentrifugalabscheider gehören zur Familie der Massenkraftabscheider. Sie eignen sich für größere Partikel und Aerosole. Zur Luftreinigung wird ausgenutzt, dass Flieh- oder Zentrifugalkräfte auf die luftfremden Stoffe wirken. Unterschiedliche Gebläse und Motorisierungen sorgen für eine große Leistungs-Bandbreite. Die Partikel und Aerosole folgen aufgrund ihrer Massenträgheit einer – quer zur Strömungsrichtung der Luft verlaufenden – Bewegungsrichtung und werden somit aus dem Luftstrom abgeschieden.

5. Nassabscheider

Nassabscheider werden zum Reinigen der Luft bei klebrigen, adhäsiven Stoffen genutzt – vor allem bei explosiven oder leicht entzündlichen trockenen Metallstäuben. Je nach genutztem Verfahren werden verschiedene Bauformen wie Sprühwäscher, Strahlwäscher, Wirbelwäscher, Rotationswäscher oder Venturi-Wäscher unterschieden. Die abzuscheidenden Partikel oder Aerosole werden mit einer Waschflüssigkeit besprüht oder durch ein Flüssigkeitsbad geleitet. In einem weiteren Schritt werden die dabei gebildeten Agglomerate, bestehend aus Tropfen und Partikeln, aus dem Luftstrom entfernt. Das Abscheideprinzip richtet sich nach dem verwendeten KSS; häufig werden in der betrieblichen Praxis Systeme kombiniert.

Zentral oder dezentral Absaugen?

In umfangreicheren Projekten ist zu stets prüfen, ob jede Emissionsquelle/Maschine mit einem eigenständigen Einzelgerät bestückt werden soll, oder ob der gesamte, absaugtechnisch relevante Maschinenpark mittels einer Zentral- oder Gruppenabsauganlage abzusaugen ist.

Gruppenabsaugung in einem Kurbelwellenwerk in den USA: Hierbei kommen verschiedene Nass- und Trockenfiltrationssysteme auf Basis des elektrostatischen und mechanischen Abscheideprinzips zum Einsatz; die Gesamtabsaugleistung beträgt 104.000 Kubikmeter in der Stunde.

Foto: LTA Lufttechnik

Beide Konzepte haben, abhängig vom Anwendungsfall, ihre Berechtigung. Bei jedem absaugtechnischen Ansatz sollten zudem alle unvermeidbaren Emissionsquellen (Arbeitsraum, Späneförderer, Auswurfkasten, KSS-Aufbereitungsanlage) mit in das Konzept einbezogen werden. Bei Zentralanlagen ist zu beachten, dass erfahrungsgemäß ein großer Anteil des Wassers verdunstet. Bei wassergemischten KSS ist mit einer Vorabscheidung des Ölanteils in der Rohrleitung zu rechnen.

Mit einem Einzel-Absauggerät (dezentral) wird die Abluft von jeweils nur einer Maschine – mit einer oder mehreren Emissionsquellen – erfasst. Das Gerät kann direkt an oder auf die Maschine gebaut werden. Es lässt sich auch neben der Maschine auf einem Untergestell platzieren. Die gereinigte Abluft wird als Umluft in die Halle ausgeblasen. Dementsprechend sind die gesetzlichen Vorschriften für den Umluftbetrieb einzuhalten. Die Regeln ergeben sich aus den Bestimmungen der TRGS (Technische Regeln für Gefahrstoffe – www.baua.de) beziehungsweise der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – www.dguv.de). Die Höhe des Absaugvolumenstroms ergibt sich aus der abzusaugenden Größe des Arbeitsraums und des Bearbeitungsprozesses.

Auch die Wartungsfreundlichkeit sollte bei der Auswahl der Anlage berücksichtigt werden. Diese ist bei einer Einzelabsaugung, die weniger komplex ist, besser. Wartungsmaßnahmen an einer Maschine unterbrechen nicht den gesamten Betrieb.

Auch Ölnebel-Abscheider brauchen gelegentlich ein „Facelifting“. Spezielle Retrofit-Angebote unterstützen kritische Zerspanungen wie die Mehrspindelbearbeitung oder das Tieflochbohen. Dabei ist auch auf die Energieeffizienz des Ventlilators zu achten.

Foto: Reven

Allgemeine zu beachtende Richtlinien

In der Umhausung einer Werkzeugmaschine sollte stets ein Unterdruck herrschen. Der Absaugvolumenstrom muss an den Bearbeitungsprozess (beispielsweise über eine Drosselklappe oder eine Drehzahlregelung) angepasst werden können. Besonders wichtig ist die Luftführung in der Maschine: Die Absaugstelle sollte möglichst im Decken- oder Wandbereich gegenüberliegend zu den Maschinentüren sein.

Zur effizienten Kühlschmierstofferfassung an großen Drehmaschinen wird in diesem Beispiel ein „ROM-Drall“-Absaugelement eingesetzt, welches das Prinzip eines Wirbelsturms nutzt.

Foto: Rud. Otto Meyer Technik

Vor dem Absaugstutzen sollte ein Prallblech installiert sein, damit die größeren Partikeln nicht in das Abscheidesystem oder in die Rohrleitung gelangen. Die notwendigen Absauggeschwindigkeiten in der Rohrleitung sind in der Norm VDI 3802 Blatt 2 beschrieben, ebenso die Ansauggeschwindigkeit im Erfassungsquerschnitt in der Werkzeugmaschine (<4 m/s). Das gesamte Rohrnetz sollte strömungsoptimiert ausgelegt sein, um möglichst geringe Druckverluste/Widerstände zu verursachen.

Fazit

Die Auswahl eines Abscheidersystems ist von vielen Gegebenheiten abhängig: vom Bearbeitungsprozess (KSS-Menge, MMS), der Art der Zerspanung (Drehen, Fräsen, Bohren), der genutzten Werkzeugmaschine (Bearbeitungsraumgröße, Türen, Werkstückposition, Antriebsleistung), dem Werkstückmaterial (Stahl, Edelstahl, Aluminium, Titan), den KSS-Eigenschaften und der Art der KSS-Zufuhr (Schwallkühlung, Innenkühlung, KSS-Druck) sowie auch der Rohgaskonzentration. Die Vielzahl an Variablen zeigt, dass es sich um eine äußerst komplexe Problemstellung handelt. Obwohl diverse Normen Hilfestellung bieten, werden (nicht nur) weniger versierte Betreiber kaum umhin kommen, die Expertise eines Fachbetriebs hinzuzuziehen. Denn nur die passende Auslegung stellt den wirtschaftlichen Betrieb sicher, der sich langfristig im TCO (Total Cost of Ownership) bezahlt macht.

Von Birgit Etmanski

Birgit Etmanski, promovierte Maschinenbau-Ingenieurin, ist Chefredakteurin der VDI-Z.