Wie On-Demand-Manufacturing die Produktion revolutioniert
Eine maßgeschneiderte Fertigung, wann und wo immer Unternehmen sie brauchen – das ist das Versprechen von On-Demand-Fertigung. Doch warum konnte sich die Fertigungsmethode noch nicht flächendeckend durchsetzen?
Die On-Demand-Fertigung ist in Branchen, in denen der schnelle Zugang zu Ersatzteilen einen potenziellen Wettbewerbsvorteil darstellt, bereits Realität. Branchen wie der Schienenverkehr, die Rüstungsindustrie und die Automobilindustrie sind Vorreiter und nutzen Technologien wie Additive Manufacturing (AM), um die Produktion zu lokalisieren und Ersatzteile, Werkzeuge und Produkte zu drucken, wann und wo immer sie benötigt werden.
Die Vorteile der neuen Strategie reichen von der Verringerung des Risikos in der Lieferkette über die Reduzierung von Abfällen bis hin zur Einsparung von Kosten durch digitale Lagerbestände. Außerdem können die Produkte individuell auf die Bedürfnisse der Kund:innen angepasst werden und verändern so die Arbeitsweise der Industrie. Warum ist die On-Demand-Fertigung also nicht weiter verbreitet?
Reaktion auf eine sich verändernde Zulieferteile-Landschaft
Während eine globale Lieferkette früher einen besseren Zugang zu den richtigen Materialien, Technologien und Talenten bedeutete, haben die aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen dazu geführt, dass die einstigen Vorteile zu Hindernissen geworden sind. Während die grenzüberschreitende Arbeit immer noch enorme Vorteile mit sich bringt, wenn es um Ideen und Innovationen geht, haben Unternehmen in den letzten Jahren gelernt, dass die Verlagerung eines Teils der Produktion in die Nähe des eigenen Landes die Markteinführung erheblich beschleunigen kann.
Längere Lieferketten sind nach wie vor anfällig für Verzögerungen. On-Demand-Fertigung dagegen umgeht diese Problematik und hält die Produktion am Laufen. Unternehmen wie die Deutsche Bahn (DB) haben On-Demand in ihre Reparatur- und Wartungszyklen eingebaut, um Reparaturen zu beschleunigen und so Zeit, Kosten und Ressourcen zu sparen. Der „Bahngigant“ produzierte im Mai 2023 sein 100.000stes 3D-gedrucktes Ersatzteil und verfügt über ein „digitales Lager“ mit virtuellen Dateien von Ersatzteilen. Dieses will die DB bis 2030 von 1.000 auf 10.000 noch weiter ausbauen.
AM macht digitale Lagerbestände in einer ganzen Reihe von Branchen zur Realität. Technologien wie Digital Forge erlauben es Unternehmen, die benötigten Teile zu drucken, wann und wo immer sie benötigt werden. Das trägt nicht nur dazu bei, Reparaturzyklen und Reaktionszeiten zu verkürzen, sondern kann auch die hohen wirtschaftlichen und ökologischen Kosten des Transports senken sowie Abfall und Lagerkosten reduzieren.
Agiles Design und Nachhaltigkeit in der Konstruktion berücksichtigen
Neben der digitalen Lagerhaltung und Wartung verändert die On-Demand-Fertigung auch die Art und Weise, wie Teile und Produkte entworfen werden. Das Produktdesign kann mit Blick auf eine größere Flexibilität optimiert werden – und dank AM ist eine Anpassung an die spezifischen Kundenanforderungen möglich. Es können auch komplexere Geometrien als bei herkömmlichen Fertigungsverfahren berücksichtigt werden, was zu stärkeren und leichteren Strukturen führt. Das ist insbesondere in Branchen wie der Automobilindustrie und bei Fluggesellschaften von Vorteil, wenn es um die Reduzierung von Emissionen geht.
Der digitale Charakter der On-Demand-Fertigung fördert die abteilungs-, grenz- und branchenübergreifende Zusammenarbeit, wodurch Designs und Fähigkeiten verbessert werden und eine agilere und flexiblere Belegschaft entsteht.
Welche Herausforderungen sind zu bewältigen?
Obwohl die Möglichkeiten und Vorteile der On-Demand-Fertigung klar und weitreichend sind, ist sie nicht für alle Produktionsarten geeignet. Globale Lieferketten werden dadurch nicht abgeschafft, sondern eher kürzer, weniger anfällig, effizienter und innovativer.
Die Einführung neuer Technologien geht mit Unsicherheit, Angst vor Veränderungen und Trägheit einher. Der Austausch von Erfolgsgeschichten und Innovationen spielt eine wichtige Rolle bei deren Überwindung. Neben den Herausforderungen der Verhaltensänderung gibt es noch weitere Hindernisse zu überwinden, wenn es darum geht, die On-Demand-Fertigung in großem Maßstab einzuführen:
- Skalierbarkeit und Produktionskapazität: Die On-Demand-Fertigung eignet sich gut für die Herstellung und Produktion in kleinerem Maßstab. Wenn allerdings die Nachfrage und das Produktionsvolumen steigen, ist es entscheidend, dass die Produktionskapazität, die Ausrüstung und die Arbeitskräfte in der Lage sind, auch größere Aufträge zu bewältigen und eine gleichbleibende Qualität zu liefern.
- Digitale Infrastruktur, Konnektivität und Sicherheit: Die On-Demand-Fertigung stützt sich in hohem Maße auf digitale Technologien und Konnektivität. Unternehmen benötigen eine effiziente digitale Infrastruktur, einschließlich robuster CAD-Systeme, digitaler Kommunikationsplattformen und sicherer Datenübertragung. Aufstrebende Technologien wie Blockchain tragen dazu bei, die sichere Übertragung von Dateien über Grenzen hinweg zu gewährleisten und so geschützte Daten und geistiges Eigentum zu schützen. In dem Maße, in dem das Vertrauen in die Sicherheit wächst, werden auch Technologien eingeführt, die die Konnektivität fördern und die Zusammenarbeit zwischen Designer:innen, Herstellern und Kund:innen erleichtern, die für eine florierende On-Demand-Fertigung erforderlich ist.
- Qualitätskontrolle und Zertifizierung: Bevor sich die On-Demand-Fertigung flächendeckend durchsetzen kann, müssen Fragen der Produkthaftung und der Zertifizierung geklärt werden – vor allem in regulierten Branchen. Dies erfordert die Zusammenarbeit zwischen Interessengruppen, politischen Entscheidungsträger:innen und Aufsichtsbehörden. Vernetzte AM-Plattformen wie The Digital Forge sind mit digitalen Werkzeugen wie KI-gestützter Validierung und Simulation integriert, um einen reibungslosen digitalen Arbeitsablauf und Wiederholbarkeit zu ermöglichen, die für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften unerlässlich sind.
- Bildung: „Wissen ist Macht“, und obwohl bereits in digitale Skills investiert wird, müssen die Arbeitskräfte in der Fertigung noch weitergebildet werden. Ingenieur:innen, Produktdesigner:innen und Kreative müssen zusammenarbeiten und abteilungsübergreifend tätig werden, um Innovationen voranzutreiben. Industrie und Bildungseinrichtungen müssen weiterhin durch Einrichtungen wie Print City und iAero zusammenarbeiten, um die praktische und betriebswirtschaftliche Ausbildung zu gewährleisten.
Die Zukunft der On-Demand-Fertigung
Wie bei allen technologischen Fortschritten werden auch bei der On-Demand-Fertigung die Kosten mit zunehmender Verbreitung sinken. Letztendlich liegt der Erfolg der On-Demand-Fertigung in ihrer Fähigkeit, den Endverbraucher:innen zu nutzen. Sie hilft den Herstellern nicht nur, Zeit und Ressourcen zu sparen und Abfälle und Emissionen zu reduzieren, der wahre Wert der On-Demand-Fertigung liegt auch in ihrer Fähigkeit, die Lieferketten zu entlasten und Probleme näher an den Kund:innen zu lösen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die gesamte Prozesskette des Additive Manufacturing im Blick
Wie lässt sich die additive Fertigung mit Methoden aus der Natur optimieren?
Gesa Schneider ist Senior Territory Manager Central Europe bei Markforged. Bereits seit über zehn Jahren arbeitet sie im Bereich Additive Manufacturing; zunächst bei BigRep, dann bei AMT und zuletzt in ihrem eigenen Unternehmen Circuteria, einer KI-Plattform zur Förderung von Kreislaufmateriallösungen in der Industrie. Foto: Autorin