Wird der Sondergerätebau zum Game Changer in der Intralogistik ?
Individuell und auf den Einsatz angepasst: Maschinenbau mit kleinen Losgrößen stellt zwar meist eine große Herausforderung für den Hersteller dar, hilft dem Anwender aber umso mehr bei der Lösung seines Problems.
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Der maßgefertigte Sondergerätebau gehört für mich zu den spannendsten Herausforderungen der Intralogistik. Es gilt dabei, konstruktiv-kreative Lösungen zu finden, wo Standardlösungen ihre Grenzen haben. Angesichts des Potenzials von Sonderlösungen könnten noch viel mehr Unternehmen davon profitieren. Die Bandbreite des Sonderbaus variiert nach dem Grad der Spezialisierung. Die höchste Ausprägung ist die Einzelfertigung. In den meisten Fällen werden jedoch Sonderbau-Konstruktionen aus Komponenten eines Baukastens gebildet.
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Der Weg zum „perfekten“ Gerät
Der Sonderbau hat sein Ziel erreicht, wenn der Kunde für seinen Einsatzfall das „perfekte Gerät“ erhält – und das mit einem attraktiven Return on Investment (ROI). Der Sondergerätebau erfordert Experten mit Erfahrung, starker Kundenorientierung und hoher Lösungskompetenz. So werden mit dem Auftraggeber alle relevanten Parameter definiert und Konzepte entwickelt.
Welche Motive und Parameter bestimmen die Entwicklung eines Sonderbaus? Die Antworten fallen komplex aus, wobei auf die Umgebungsbedingungen und die Aufnahmemittel, wie Plattform, Lastdorn, klassischer Vorbau mit Gabelträgern, Prismengabeln, integrierte Kran (-Ausleger) etc. besonderes Augenmerk liegt.
Der Effizienzgewinn beim Sondergerätebau liegt häufig in einer optimierten Raumnutzung und in einem beschleunigten intralogistischen Prozess. Dies gelingt grundsätzlich durch eine kompaktere, schmalere Gesamtkonstruktion, deren Lenkprogramme exakt auf den Anwendungsfall zugeschnitten sind. Beim recht spektakulären Aus- und Einlagern von 10 t schweren Coils in 6 m Höhe werden sogar die Grenzen der Physik ausgereizt.
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Beispiele aus der Praxis
Nachfolgend möchte ich einige inspirierende Beispiele aus dem Sonderbau vorstellen:
- Werkzeuge für die Produktion von Dichtringen schaffen enge Tordurchfahrten nun ohne Einweiser. Der Grund ist ein Spezialwagen, dessen Plattform sich bis ca. 45 Grad schräg stellen kann. Dadurch reduziert sich ihre ausladende Breite und wird per Fernbedienung sicher durch enge Fahrgassen und Tore rangiert. Nicht zuletzt durch den Wegfall des zuvor benötigten Einweisers amortisierte sich diese Sonderlösung schnell.
- Ein anderer Werkzeugwechsler verkürzt die Rüstzeiten, indem ein Spezial-Flurförderzeug die Werkzeuge laserunterstützt schneller und präziser in der Linie bewegt.
- Beim Coil-Handling wird eine Sonderlösung zum Game Changer: Ein Spezialgerät, das per Adapter verschiedene Coil-Größen und -Gewichte transportiert, ersetzt das bisher nötige Zusammenspiel von Kran und C-Haken. Zudem ist die Arbeitsumgebung des Bedieners jetzt sicherer.
- Konstruktionen aus dem Sonderbau reduzieren oder vermeiden Beschädigungen, z. B. durch spezielle Schutzmaßnahmen beim Glaszylindertransport, sensibel steuerbare Drehungen für den Service von Klavieren und Flügeln oder ausgetüftelte Griffwerkzeuge zum schnelleren, sichereren Kommissionieren von Betonrinnen.
- Für den Produktionsprozess eines Busherstellers schuf der Sonderbau ein effizientes Zusammenspiel von vier Transportgeräten mit Prismen: Unter die Busräder wird manuell jeweils ein Prismengerät geschoben. Per Funkfernsteuerung findet nach dem Master- Slave-Prinzip eine Koppelung aller vier Transportgeräte statt. Dann werden die Räder angehoben und per Vierwege-Lenkung zur nächsten Station der Produktion gefahren.
- Ein Sonderbau für Reinräume wurde komplett in Edelstahl ausgeführt, da keine Komponente magnetisch sein darf. Das Gerät transportiert Siliziumstäbe und ist Teil des Produktionsprozesses.
Sicherheit und Ergonomie steigen
Weitere Anlässe für Sonderbau sind etwa eine Notwendigkeit zur Gewichtseinsparung aufgrund geringer Bodenbelastbarkeit in einem Neubau, die sichere Bewältigung längerer, abschüssiger Fahrstrecken von einer Halle zu einer anderen, die Kompaktheit eines Gerätes für Transporte per Fahrstuhl.
Die Entwicklungen im Sonderbau verbessern fast immer die Sicherheit und die Ergonomie von Bedienern. Die dabei entstehenden Entlastungen und Verbesserungen zahlen auf den Return on Investment ein. Meinen Beitrag möchte ich mit einem Appell schließen: Fordern Sie uns Hersteller von Sondermaschinen. Aus Erfahrung darf ich sagen: Die gemeinsame Ideenfindung wird sich lohnen. Zukünftig noch mehr, wenn Sonderbau verstärkt mit AGV-Konzepten verknüpft wird.
Richard Ludwig ist Geschäftsführer der Genkinger GmbH in Münsingen