Das Embedded TM: Zurück zum Kern der Sache
Das Embedded TM der SAP ist der Integrationsschritt des Transportation Managements in die S/4HANA-Welt. Durch die Einbindung der Lösung direkt in den Core werden unter anderem erweiterte Funktionalitäten, eine höhere Benutzerfreundlichkeit sowie eine vereinfachte Architektur bereitgestellt.
Zu den zentralen Bestandteilen der Unternehmensstrategie gehört bei vielen Unternehmen das Vorhandensein zuverlässiger und reaktionsfähiger Logistiksysteme. Und damit zusammenhängende, detaillierte logistische Visionen können nur dann Erfolg haben, wenn eine verlässliche Basistechnologie vorhanden ist. Dabei ist die Anwendung fortschrittlicher IT-Technologie in Verbindung mit geeigneten Identifikationssystemen nur eine der Voraussetzungen, die Unternehmen schaffen müssen. Eine kontinuierliche Verbesserung von Beständigkeit und Reaktionsschnelligkeit steht jedoch oft im Widerspruch zu angestrebten Kostensenkungszielen. Und die zusätzliche Herausforderung im Transportmanagement ist, dass immer mehr Produkte immer kurzfristiger beim Kunden vorhanden sein müssen. Deshalb werden logistische Probleme immer komplexer, die Anforderungen an die Auftragsabwicklung und somit auch an die Transportlogistik steigen. Die optimale Balance zwischen Komplexität der Distribution, Befriedigung von Kundenbedürfnissen und Transportkosten zu finden, ist dementsprechend vorrangiges Ziel. Eine Auswahl der bestmöglichen Transportmanagement-Software ist daher von entscheidender Bedeutung. Denn alle Unternehmensprozesse müssen nahtlos ineinandergreifen, Daten sollen in Echtzeit erfasst und relevante Informationen transparent dargestellt werden.
Die SAP-Lösung Transportation Management (TM) gab es bis September 2017 lediglich auf Basis der SAP SCM Platform. Allerdings wurde sie mit dem Release S/4HANA 1709 in die Gesamtlösung integriert. Unter dem Begriff SAP S/4HANA Supply Chain for Transportation Management (SAP S/4HANA TM) ist sie seither Bestandteil der Lösung SAP S/4HANA Supply Chain. In einem neuen S/4HANA Release 1809 aus dem September 2018 wurden dann weitere SAP TM-Funktionalitäten freigegeben. Als wesentlichsten Vorteil dieses Embedded TM kann man den Wegfall von Schnittstellenmonitoring bezeichnen. S/4HANA und SAP TM greifen also immer auf dieselben Stamm- und Bewegungsdaten zu. Damit sind eine Datenweitergabe sowie ein -abgleich nicht mehr erforderlich.
Ein wichtiger Punkt, warum sich Unternehmen verstärkt mit dem Thema Transportmanagement befassen sollten ist jedoch der, dass dort oftmals bereits seit Jahren LE-TRA zur Abwicklung der Transportlogistik im Einsatz ist. Denn dieses Modul wurde häufig als im Umfang ausreichend und unkompliziert zu bedienen bewertet. Da nun allerdings von der SAP ein Ende der Nutzungsrechte von LE-TRA in S/4HANA und ein Ende der Standardwartung von LE-TRA in SAP ERP zum 31.12.2025 angekündigt ist, wurden deren Funktionalitäten jetzt durch entsprechende Funktionen des SAP TM ersetzt. Das bedeutet, dass Unternehmen, die LE-TRA nutzen, sich demnach auch kurzfristig mit der Ablösung durch SAP TM beschäftigen sollten.
Der Funktionsumfang des Embedded TM
Das Release 1709 entspricht weitestgehend dem im November 2017 ausgelieferten SAP TM Release 9.5. Allerdings bildet es den gesamten Transportprozess noch besser ab. Und zwar von der Auftragsannahme bis zur Abrechnung von Frachtaufträgen. Alle Kernfunktionalitäten wie die Planung oder Ausführung, Frachtkostenberechnung oder -abrechnung stehen zur Verfügung. Das bedeutet also, dass der Shipper-Prozess mit dem Release 1709 abbildbar ist. Was jedoch bisher noch fehlte, war der Prozess des Logistikdienstleisters. Aber auch diese Funktionalitäten sind nun mit dem neuen Release 1809 „Advanced Transportation Management“ verfügbar. Somit werden jetzt alle Prozesse der Transportkette unterstützt. Weiterhin wurden ganz neue TM-Funktionalitäten wie z. B. Package Units und Package Building mit 1809 bereitgestellt.
Zwei Funktionsumfänge stehen mit SAP S/4HANA TM zur Verfügung. Einerseits die Variante Basic Shipping, worunter die aus dem SAP ERP-System bekannte LE-TRA-Transportabwicklung fällt. Andererseits das Advanced Shipping (bis Release 1709 als Professional Shipping bezeichnet), welches zusätzliche Planungsfunktionalitäten enthält. Ferner werden einige vertraute LE-TRA-Funktionalitäten in S/4HANA (ab 1709) durch Funktionen ersetzt, die aus der SAP TM Business Suite bekannt sind. Damit geht bereits der zur Verfügung stehende Funktionsumfang des Basic Shipping über den des LE-TRA hinaus. Bis zum Ende der Nutzungsrechte und der Standardwartung im Jahr 2025 können LE-TRA- und SAP S/4HANA TM-Funktionalitäten unabhängig voneinander und parallel auf einer S/4HANA-Instanz betrieben werden. Für diejenigen, die LE-TRA-Funktionalitäten in SAP S/4HANA verwenden, ist dann ab 2026 nur noch das SAP S/4HANA TM nutzbar.
Die Unterschiede zwischen Basic Shipping und Advanced Shipping
Bei der Umstellung von LE-TRA zu SAP S/4HANA TM stellt sich die Frage, welcher Funktionsumfang für das eigene Unternehmen erforderlich ist. Reicht vielleicht das Basic Shipping aus und dadurch können zusätzliche Lizenzkosten für ein SAP TM eingespart werden? Oder werden innerhalb des Unternehmens z. B. erweiterte Planungsfunktionalitäten benötigt? Diese gehen vielleicht über den Umfang des Basic Shipping hinaus und somit ist es erforderlich, das Advanced Shipping entsprechend zu lizensieren. Zur Entscheidungsfindung, welche Variante in der Zukunft genutzt werden soll, muss ein Vergleich durchlaufen werden, der alle aktuell bestehenden Funktionalitäten mit denen des Basic Shipping und Advanced Shipping gegenüberstellt. Bild 2 zeigt einen kleinen Ausschnitt der Unterschiede von Basic und Advanced Shipping.
Die Tabelle zeigt, dass Basic Shipping nur die Grundfunktionalitäten beinhaltet. Viele Funktionalitäten, die eine Transportplanung erleichtern, stehen nur im Advanced Shipping zur Verfügung. Ein Beispiel hierfür ist die Auswahl des geeigneten Spediteurs (Carrier Selection). Im Advanced Shipping kann der Transportdienstleister automatisch vom System ausgewählt werden, im Basic Shipping ist dies nur manuell möglich. Wenn ein Unternehmen also z. B. unbedingt die Funktionalität der automatischen Spediteurauswahl benötigt, dann kann dieses nicht mehr mit dem Basic Shipping abgedeckt werden, sondern man muss auf die Variante Advanced Shipping zurückgreifen.
Handlungsempfehlung für die Transition von LE-TRA zu S/4HANA TM
Die abat AG, ein SAP-Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in Bremen, hat in kurzer Zeit viele Anfragen von Unternehmen erhalten, die sich unsicher sind, wie sie die Umstellung auf S/4HANA TM unkompliziert und erfolgreich durchführen können. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der DSAG (Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe) eine Arbeitsgruppe gebildet. Das Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es, einen Weg zu finden, um den Unternehmen eine Handlungsempfehlung zur Transition von LE-TRA zu SAP S/4HANA TM zu geben. Dabei werden Erfahrungen ausgetauscht und tiefergehende Informationen der SAP weitergegeben. Die Gruppe besteht im Moment aus drei Anwenderunternehmen, die sich schon intensiv mit SAP TM beschäftig haben oder gerade damit anfangen und TM-Experten der abat AG.
In der Arbeitsgruppe wurden zuerst einmal alle Erfahrungen zum Thema ausgetauscht und gesammelt. Schnell wurde deutlich, an welchen Stellen noch große Verunsicherung herrscht. Um das Vertrauen in eine erfolgreiche Transition zu stärken, wird ein allgemeingültiges Vorgehen entwickelt, das bei einer Entscheidungsfindung helfen kann. Unter anderem wurde eine Methode ausgearbeitet, um die verwendeten LE-TRA-Prozesse und -Erweiterungen mit den SAP TM-Prozessen abgleichen zu können. Und neben einer Entscheidung zwischen Basic oder Advanced Shipping muss schlussendlich auch die Zielarchitektur bestimmt werden. Dabei stellt sich eine Grundfrage: Soll das SAP TM embedded in SAP S/4HANA oder als Stand alone-Lösung installiert werden? Hier gibt es verschiedene Optionen. Im Folgenden werden deshalb die Vorteile von SAP S/4HANA und Side by side-Szenarios genauer erläutert.
Viele Vorteile mit SAP S/4HANA TM
Alle Anwendungen in SAP S/4HANA TM können, wie auch auf der SAP SCM Platform, über den SAP Business Client aufgerufen werden. Und im S/4HANA-Kontext existieren schon jetzt viele Anwendungen, die als Fiori-Apps zur Verfügung stehen und somit über das Fiori-Launchpad ausgeführt werden können. Da die Einbindung der aus dem SAP TM bekannten Web-Dynpro Anwendungen ebenfalls möglich ist, kann das Fiori-Launchpad bereits jetzt für alle transportabwicklungsrelevanten Aktivitäten genutzt werden.
Das Kernstück der Transportabwicklung in S/4HANA ist – wie ebenfalls auf der SAP SCM Platform – ein über das Fiori-Launchpad aufrufbares interaktives Planungs-Cockpit. Dadurch wird die aus dem LE-TRA bekannte und doch etwas triste Transportanlagetransaktion abgelöst. Darüber hinaus erleichtern die nun auch im Standard verfügbaren Realtime Embedded Analytics-Funktionalitäten die Analyse abgewickelter Transporte. Und abgesehen von den Standard-Analysen können, durch in S/4HANA zur Verfügung gestellte Werkzeuge, zusätzliche eigene Auswertungen (z. B. über CDS Views) erstellt werden. Ein gravierender Vorteil gegenüber SAP TM auf der SAP SCM Platform ist allerdings, dass S/4HANA, neben den neuen Prozess- und Planungsfunktionalitäten sowie analytischen Anwendungen, zusätzlich eine gemeinsame Nutzbarkeit von Business Partner, Produktstammdaten, transportrelevanten Stammdaten und Customizing bietet. Hierdurch entfallen die Synchronisation, die teilweise doppelte Pflege von Stammdaten sowie das teils sehr komplexe Schnittstellenmonitoring.
Side by side-Szenarios
Unabhängig von den Funktionsumfängen bietet das neue SAP S/4HANA Release 1809 die Möglichkeit, Side by side-Szenarios abzubilden. Für viele Unternehmen ist dies eine sehr wichtige Funktion. Aber was genau bedeutet Side by side? Mit dem Release 1709 gab es ausschließlich die Möglichkeit, Aufträge und Lieferungen innerhalb des SAP S/4HANA-Systems zu integrieren (Bild 3).
Ein Embedded TM, implementiert in S/4HANA Release 1809, kann dagegen trotzdem Daten aus einem SAP ECC-System über eine Standardschnittstelle empfangen. Bild 4 veranschaulicht dies.
Natürlich ist es ein großer Vorteil, wenn sich der gesamte Belegfluss in einem System befindet. Der Beleg „Lieferbasierter Transportbedarf“ fällt dann beispielsweise weg und ein Monitoring zwischen zwei Systemen ist nicht mehr erforderlich. Allerdings ist das zum jetzigen Zeitpunkt nicht immer die Realität. Denn einige Unternehmen stellen ihre Systeme erst nach und nach auf S/4HANA um. Und somit ist eine Möglichkeit der Integration essenziell. Die in Bild 5 dargestellten Side by side-Möglichkeiten stehen hier zur Verfügung.
Manche Unternehmen stehen jetzt noch vor der Frage, wie die Stammdaten zwischen einem S/4HANA-System und anderen „Nicht-SAP S/4HANA-Systemen“ geteilt werden. Einen besonders großen Unterschied gibt es zwischen SAP ERP und SAP S/4HANA – nämlich den Business Partner. In SAP ERP spricht man bei Vertragspartnern immer von Kreditoren und Debitoren. Diese gibt es in SAP S/4HANA nicht mehr. Das Konzept wurde geändert und alle Vertragspartner haben nun den Überbegriff Business Partner. Ein Business Partner kann dann jeweils in die entsprechende Funktion ausgeprägt werden: Kunde oder Lieferant. Dabei hat er aber ausschließlich eine Identifikationsnummer.
Wenn ein Side by side-Szenario genutzt wird und es sollen z. B. Belege von SAP ERP an S/4HANA übermittelt werden, müssen die Kreditoren und Debitoren in SAP ERP also erst einmal in Business Partner umgewandelt werden. Das geschieht mit der sogenannten Customer Vender Integration (CVI). Und um Business Partner und Materialien danach an S/4HANA zu übertragen, wird das Data Replication Framework (DRF) verwendet. Zum Vergleich: Überträgt man Stammdaten von SAP ERP an SAP TM, nutzt man das alt bekannte Core Interface (CIF).
Einführungsstrategie SAP TM
Wie soll ein Unternehmen nun SAP TM einführen und wann sollten die bestehenden Systeme auf S/4HANA umgestellt werden?
Für die Einbindung der Transportabwicklung in eine vorhandene Systemlandschaft gibt es unterschiedliche Deployment-Optionen. Falls – vielleicht auch nur vorübergehend – keine S/4HANA TM-Nutzung geplant ist, kann ein SAP TM auf der SCM Platform implementiert werden. Diese Lösung kann, sowohl in Kombination mit einem SAP ERP als auch einem S/4HANA, über das Jahr 2025 hinaus betrieben werden. Ein in SAP ERP genutztes LE-TRA wird auch in diesem Falle durch TM-Prozesse ersetzt. Eine weitere Option ist die parallele Nutzung von LE-TRA und S/4HANA TM sowie eine danach schrittweise Ablösung der LE-TRA-Prozesse. Welche Integrationsvariante geeignet ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Ein paar grundlegende Fragen muss sich ein Unternehmen aber immer stellen und beantworten: Dieses sind Fragen wie z.B .:
- Wird das Logistikmodul LE-TRA genutzt?
- Wird zusätzlich ein externes Planungstool eingesetzt?
- Wird SAP S/4HANA schon eingesetzt?
- Ist SAP S/4HANA die Zielarchitektur?
Eine weitere Lösung, die von Unternehmen beachtet werden sollte, ist die Lagerverwaltung. Denn auch für das Modul WM läuft die Wartung bzw. die Nutzungsrechte in SAP S/4HANA 2025 aus und eine Umstellung auf SAP EWM ist erforderlich. Betreibt ein Unternehmen beispielsweise viele Läger mit WM, sollte man sich schon heute Gedanken über eine Umstellung auf EWM machen, da je nach Verfügbarkeit der Ressourcen mehrere Jahre für eine Implementierung eingeplant werden müssen. Und auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten das EWM in die Gesamtarchitektur einzubauen.
Warum Sie sich jetzt dem Thema Transportmanagement widmen sollten
Das Transportmanagement ist ein wesentlicher Bestandteil der Logistik. Lange Zeit wurde es durch einfache Funktionselemente innerhalb von ERP-Systemen abgedeckt. Heute spielt ein Transportmanagement-System aber aufgrund seiner umfangreichen transportlogistischen Elemente eine wichtige Rolle in Planungs- und Steuerungsprozessen. Die Entwicklung hin zu einer eigenständigen Lösung hat deshalb mit steigender Komplexität globaler und eng verknüpfter Logistikketten auch stetig zugenommen. Jedoch ist eine gute Zusammenarbeit von Systemen die wesentliche Grundvoraussetzung für einen reibungslosen Ablauf logistischer Prozesse. Unter diesem Gesichtspunkt hat die SAP das Transportation Management wieder in den Kern des ERPs zurückgeholt.
Außerdem ist die Logistik ein Unternehmensbereich, der zwar kostenintensiv ist, aber auch viele Ansätze der Optimierung – und damit zur Kostenreduzierung – bietet. Denn geringe Margen und eine hohe Fixkostenbelastung verlangen von Shipper und Logistik-Dienstleister, dass sie Kosten einsparen und den Ressourceneinsatz optimieren – das alles bei gleichzeitiger Sicherung der Leistungsqualität. Um gesetzte Ziele zu erreichen ist es deshalb erforderlich, Transparenz über die Kosten herzustellen und die Stellhebel, die diese beeinflussen, zu kennen.
Für die Umstellung auf ein Embedded TM bedeutet das: Ende 2025 klingt sehr weit weg. Allerdings sind etwas mehr als 7 Jahre eine Zeitspanne, die gerade in größeren Unternehmen oder bei komplexen Prozessen sehr schnell verfliegen kann. Vielleicht ist es gerade deshalb jetzt an der Zeit, sich dem Transportmanagement verstärkt zu widmen. Dadurch profitiert ein Unternehmen schnellstmöglich von einem erweiterten Funktionsumfang, der höheren Benutzerfreundlichkeit sowie einer vereinfachten Architektur. Und um Methoden und Werkzeuge für eine erfolgreiche Transition noch expliziter entwickeln zu können, ist die im Rahmen der DSAG gegründete Arbeitsgruppe offen für weitere teilnehmende Anwenderunternehmen, die Ihre Erfahrungen und Ideen mit einbringen oder von anderen Unternehmen lernen möchten.
Sandra Werner, Senior SAP TM Consultant, abat AG