Wie KI die Disposition revolutioniert
Ungenutzte Lkw-Kapazitäten gehören zu den bekanntesten Problemen in der Logistikbranche. Circa 40 % der Lkw-Ladeflächen in Europa sind nicht gefüllt, womit der Branche ein Schaden von über 100 Mrd. € entsteht. Grund hierfür sind neben leeren Rückfahrten, leere Anfahrten zur ersten Beladestelle sowie nicht optimal disponierte Lkw aufgrund des sehr hohen Zeitdrucks bei der Tourenplanung. Gleichzeitig drohen akute Versorgungsengpässe, weil es an Lkw-Fahrern mangelt. Schätzungen gehen von mindestens 150 000 fehlenden Fahrern bis zum Jahr 2022 aus.
Einen möglichen Lösungsvorschlag liefert das Münchner Start-up LoadFox. Das Unternehmen ist vor zwei Jahren mit seiner „Mitfahrzentrale für Fracht“ gestartet, um Ladungen mittels Plattform und cleveren Algorithmen zu profitablen Lkw-Touren zu kombinieren. Mittlerweile setzt das Start-up Künstliche Intelligenz ein, um (teil-)automatisierte Dispositionspläne zu erstellen und um Fahrer, Lkw und Ladungen optimal miteinander zu kombinieren. Damit ermöglicht das Start-up die Optimierung des Plans nach Kosten, Umsatz, Zeit und Umweltbelastung – bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Fahrerbedürfnisse.
Clever vernetzt
Ein typischer Anwendungsfall, bei dem eine digitale Lösung zum Einsatz kommen kann, sieht in der Realität so aus: Spediteure verfügen über einen Ladungsüberhang, den sie nicht selbst transportieren, weshalb sie Ladungen an Partner weitergeben wollen. Auf der anderen Seite gibt es Transportunternehmer, die noch nach Ladungen für einen leeren oder nicht optimal beladenen Lkw auf der gleichen, neuen oder ähnlichen Route suchen. Wenn diese beiden zusammen finden, entstehen Synergien, die wirtschaftliche Vorteile für beide Seiten bringen.
LoadFox hat genau für dieses Szenario einen digitalen Marktplatz entwickelt. Spediteure können sich auf der Plattform einloggen, Ladungen einstellen und diese an geprüfte, vertrauenswürdige Partner innerhalb des LoadFox-Netzwerks weitergeben. Der LoadFox-Algorithmus schlägt diverse Ladungskombinationen aus Fremd- und Eigenladungen für eine Strecke vor. Transportunternehmer können dann sehen, welche Ladungskombinationen auf ihrer Strecke verfügbar sind. Der Spediteur wählt eine der vorgeschlagenen Tourkombinationen, kann digital Preise nachverhandeln und bucht verbindlich mit einem Klick.
Win-Win-Situation
LoadFox-CEO Sebastian Sorger über den Nutzen: „Es profitieren beide Partner: der Transportunternehmer hat einen vollen Truck und mehr Umsatz, der Spediteur konnte seine Ladung in vertrauensvolle Hände weitergeben und spart Zeit, weil er sich die Kombination diverser Teilladungen zu größeren, attraktiveren Ladungspaketen vor der Weitergabe spart. Der clevere LoadFox-Algorithmus erhöht die Effizienz und Profitabilität unserer Kunden und reduziert damit indirekt gleichzeitig CO²-Emissionen.“
Das Unternehmen versteht sich dabei nicht als Konkurrenz zu Transportunternehmen, sondern möchte diese mit einer digitalen Marktplatz-Lösung unterstützen. Mittlerweile sind bereits über 5 000 Transportunternehmern auf der LoadFox Market-Plattform registriert und nutzen die Lösung, um über die angebotenen Netzwerkeffekte Effizienzen bei ihrer Tourenplanung zu heben. In 14 europäischen Ländern ist der intelligente Marktplatz aktuell verfügbar.
Disposition 2.0
Nach dem erfolgreichen Start des LoadFox Market hat das Unternehmen nach zwei Jahren erkannt, dass eine Transportoptimierung bereits früher ansetzen kann. „Letztlich wird auf unserer Plattform immer nur ein Lkw optimiert. Viel effektiver ist es aber, direkt bei der Spedition anzusetzen und die ganze Lkw-Flotte zu optimieren“, berichtet Sebastian Sorger. Das Start-up hat darum ein lernfähiges Flotten-Optimierungstool entwickelt, das (teil-)automatisiert Vorschläge für Dispositionspläne generiert. Der Prototyp läuft bereits mit ausgewählten Partnern und wird aktuell weiter ausgebaut. Als offiziellen Starttermin visiert LoadFox das kommende Jahr an.
Dieses intelligente Werkzeug für Disponenten trägt den Namen LoadFox Planner und berücksichtigt Kosten, Fahrzeit sowie weitere Faktoren. Der Disponent wird so bei der oftmals zeitaufwendigen Erstellung von Dispositionsplänen unterstützt. Beim LoadFox Planner werden alle Eigen- und Fremdassets, wie zum Beispiel Zugmaschine, Auflieger, Fahrer, Ladungen und Hubs, blitzschnell vom Algorithmus in mögliche Dispositionsplan-Szenarien zusammengestellt und bewertet. Dieser Service erlaubt dem Disponenten schnellere Entscheidungen, einen höheren Automatisierungsgrad und effiziente Planung.
Vom Planer zum Entscheider
„Der Disponent wird damit nicht überflüssig, er wird durch sein Expertenwissen zu einem aktiven Entscheider und erhält durch den LoadFox Planner mehr Zeit, sich um den optimalen Dispositionsplan zu kümmern, der mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt wird“, erklärt Sebastian Sorger. Hierfür muss der Disponent lediglich alle Informationen zu Lkw, Fahrer, Ladungen, Einschränkungen, Kostenstruktur und Optimierungsstrategie in das Onlinetool einspeisen. Zusätzlich kann der Disponent zu firmeneigenen Parametern auch unter Einbeziehung des LoadFox-Marktplatzes planen. Intelligente Algorithmen errechnen nun ein Dispositionsplan-Szenario, das dem Disponenten zur Freigabe vorgeschlagen wird.
Damit entfällt die aufwendige Kombinatorik, die von Computern in Sekundenbruchteilen erledigt wird. Den vorgeschlagenen Plan kann der Disponent nun ganz oder teilweise annehmen, bearbeiten oder ablehnen.
Lösungsvorschläge bei Planabweichungen
Sobald ein fertiger Einsatzplan erstellt und bestätigt wurde, unterstützt die Optimierungssoftware den Nutzer auch in der realen Ausführung. Kommt es zu einer Verzögerung während der Tour aufgrund eines Staus, einer Panne oder anderen externen Faktoren, muss der Disponent sofort handeln. Der LoadFox Planner erkennt diese Planabweichungen selbstständig, beurteilt die Machbarkeit des aktuellen Plans und gibt dem Disponenten Lösungsvorschläge. Ganz im Sinne des klassischen „Machine Learnings“ lernt das Flotten-Optimierungstool aus den Datensätzen und soll so im Laufe der Zeit immer bessere Vorhersagen und Planungen ermöglichen. Dies erlaubt laut Sorger eine bessere Automatisierung. Dadurch entwickelt sich der Disponent zunehmend vom klassischen Planer zum Strategen, der KI-unterstützte und datengetriebene Entscheidungen trifft.
Digitale Werkzeuge für Transportunternehmen
Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen können besonders gewinnbringend von Digitalisierungsmaßnahmen profitieren. Meist verfügen sie nicht über eine eigene Entwicklungsabteilung, die sich um die digitalen Belange des Unternehmens kümmert. Aber auch für größere Unternehmen stellen Dienstleister wie LoadFox eine reizvolle Alternative dar.
Sebastian Sorger bekräftigt: „Bei unserer Optimierungssoftware bewegen wir uns in anspruchsvoller Informatik und Mathematik. Wir stehen dazu mit einem renommierten Forschungsinstitut im Austausch und haben neue Lösungsansätze für dieses komplexe Thema erarbeitet. Außerdem haben wir in unseren Reihen ein Team von herausragenden Entwicklern, die diese Ansätze umsetzen und stetig verbessern. Eine solche Fachabteilung in einer einzelnen Spedition aufzubauen wäre nicht wirtschaftlich.“
So bleibt KI nicht nur Großkonzernen vorbehalten. In der immer komplexer werdenden Transportbranche führt die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Transportunternehmen zu einer fruchtvollen Symbiose. Das Angebot an technischen Lösungen wird sich weiter diversifizieren und ganze Berufsfelder verändern. Mit Tools, wie etwa dem LoadFox Planner, können Transportunternehmer den Herausforderungen der Zukunft selbstbestimmt entgegentreten.