So optimiert KI die B2B-Kommunikation
Spätestens seit ChatGPT sind KI-gestützte Bots keine Science Fiction mehr. Im E-Commerce beantworten sie bereits Kundenanfragen und geben Empfehlungen. Wie sich diese Technologie auch in der B2B-Kommunikation integrieren lässt, zeigt das Beispiel des Lieferantenmanagements.
Für den Einkauf gehört das Management von Lieferantenstammdaten zu den kräftezehrendsten Aufgaben überhaupt. Mitarbeitende müssen Angaben in Rechnungen, Auftragsbestätigungen und Lieferscheinen überprüfen, die Daten mit Informationen aus unterschiedlichen Systemen abgleichen und die Unterlagen schließlich für den weiteren Purchase-to-Pay-Prozess (P2P) freigeben. Treffen die Dokumente per Post ein, entsteht zusätzliches Papierchaos. Da bleibt wenig Zeit, um sich den wirklich dringlichen Aufgaben wie Supply Chain und Risikobewertung zu widmen.
Logistik, Supply Chain und Einkauf arbeiten daher fieberhaft an der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse. Nach einer Umfrage von BME Logistik planen mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte in den nächsten fünf Jahren innovative Technologien im Rahmen der digitalen Transformation einzusetzen. Dazu gehört neben Cloud, Internet of Things und Big Data Analytics auch Künstliche Intelligenz (KI).
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Self-Service-Portal und KI-Chatbot
Erste Anfänge in diese Richtung finden sich bereits jetzt in der Praxis. Self-Service-Portale für Lieferanten beispielsweise sind eine gute Option, um den Einkauf zu entlasten und aufwendige Aufgaben zu „outsourcen“. Zulieferer können selbstständig im Onboarding-Prozess ihre Informationen über Leistungen, Preise und Konditionen hinterlegen sowie online Compliance-Formulare und Fragebögen ausfüllen. Und nicht nur das: Durch den schlanken Kommunikationskanal sinken die Kosten, die für Unternehmen mit solchen Prozessen verbunden sind, um bis zu 90 %. Einmal im Portal hinterlegt, lassen sich schließlich auch nachgelagerte Workflows orts- und zeitunabhängig automatisieren – von der Überprüfung von Rechnungen bis hin zur Suche nach Lieferanten und dem Management von Request for Information (RFIs).
Noch einen Schritt weiter gehen KI-Chatbots, die in den Portalen in natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP) mit den Lieferanten interagieren und beispielsweise Standardfragen zum Status von Bestellungen und Lieferungen beantworten. Der Reifegrad der Sprachassistenten entwickelt sich momentan rasant weiter. Selbst mehrstufige Dialoge sowie individuelle Service-Anfragen sollten mit den Chatbots in naher Zukunft problemlos möglich sein. Stoßen die Bots doch einmal an ihre Grenzen, leiten sie den Geschäftspartner automatisch an den zuständigen Account Manager im Unternehmen weiter („Human Handover“). Das reduziert nicht nur den Arbeitsaufwand intern. Auch die externen Partner gewinnen einen neuen Kommunikationskanal, der ihnen 24/7 zur Verfügung steht.
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Futter für die KI: Vernetzte Daten im Archiv der Zukunft
Die Grundvoraussetzung für solche Chatbots – sowie für alle anderen KI-Features – ist ein zentraler Daten-Hub. Hier fließen alle relevanten Daten zusammen und füttern die intelligenten Systeme mit Informationen. Schnittstellen zu geschäftskritischen Systemen – vor allem ERP und CRM – sind entscheidend. Eine immer wichtigere Bedeutung gewinnen jedoch auch Dokumentenmanagementsysteme (DMS). In den Software-Systemen wurden oft über Jahre hinweg Verträge, Rechnungen, Belege und andere geschäftsrelevante Dokumente gesammelt und datenschutzkonform archiviert. Dass in den abgelegten Dokumenten gleichzeitig wertvolle Daten stecken und damit echtes Wissen schlummert, rückt angesichts des neu entfachten KI-Hungers in den Fokus.
Schaffen es Unternehmen, die Archiv-Daten zu extrahieren und in der Cloud zu verknüpfen, gewinnen sie einen zuverlässigen Single Point of Truth (SPoT), um Workflows innerhalb ihrer Abteilung zu optimieren. Gleichzeitig erlaubt das „Archiv der Zukunft“ mit steigendem Vernetzungsgrad Einblicke in abteilungsübergreifende Zusammenhänge und Abhängigkeiten. In Kombination mit KI, Machine Learning (ML) und Data Analytics ergeben sich so gänzlich neue Use Cases. Der Einkauf könnte beispielsweise Engpässe entlang der Supply Chain frühzeitig erkennen, das Risiko von Compliance-Verstößen in seinem Lieferanten-Pool berechnen oder basierend auf vergangenen RFIs Benchmark-Analysen durchführen.
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KI liefert riesiges Potenzial
Das Potenzial in Sachen KI ist riesig. Gerade deshalb sollten Unternehmen bei der Implementierung von Self-Service-Portalen, KI-Chatbots & Co. strategisch vorgehen und einen Fahrplan entwerfen. Im B2B-Bereich, wo langjährige Netzwerke und enge, teils persönliche Partnerschaften Schlüsselfaktoren darstellen, kann eine vollständig durchautomatisierte Kommunikation bei Partnern nämlich auch auf Gegenwind stoßen. Umso wichtiger ist es, einen ganzheitlichen Ansatz bei der Digitalisierung zu verfolgen und Mitarbeitende, Partner und Kunden schrittweise auf die digitale Reise mitzunehmen.
Andreas Zipser ist seit März 2021 Vorstandsvorsitzender bei easy. Zuvor verantwortete er für den globalen Softwarehersteller Sage Group plc das Geschäft in Zentraleuropa. Unter anderem leitete er für diese Region auch die Einführung der Sage Business Cloud. Der diplomierte Wirtschaftsmathematiker arbeitete in den letzten 27 Jahren u.a. außerdem in der Geschäftsführung für die CAS Software AG, in leitenden Positionen u.a. für SAS Institute sowie als Partner zweier Unternehmensberatungsgesellschaften. Foto: Andreas Zipser