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Last Mile and City Logistics 30.08.2021, 12:00 Uhr

Kurierdienste: Der Kampf um die letzte Meile

Kurier-, Express- und Kurierdienstleister (KEP) entwickeln immer neue Ideen, um sich im Wettlauf um die letzte Zustellmeile durchzusetzen. Dieser Beitrag liefert einen Überblick über aktuelle Trends und Entwicklungen.

Der Wettbewerbsdruck auf der letzten Meile steigt. E-Commerce-Giganten wie Amazon oder Ebay bauen bereits eigene Flotten auf und nutzen dafür - zumindest testweise - auch innovative Transportmittel wie Drohnen. Foto: PanthermediaNet/chesky_w

Der Wettbewerbsdruck auf der letzten Meile steigt. E-Commerce-Giganten wie Amazon oder Ebay bauen bereits eigene Flotten auf und nutzen dafür - zumindest testweise - auch innovative Transportmittel wie Drohnen.

Foto: PanthermediaNet/chesky_w

Für Kurier-, Express- und Packet-Dienstleister könnten es goldene Zeiten sein: Dank des boomenden Online-Business steigt das Volumen an bestellten Waren in etlichen Märkten enorm. So wurden laut dem Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) 2018 in Deutschland insgesamt 3,5 Milliarden Warensendungen an Unternehmen und Endverbraucher ausgeliefert. Das ist ein neuer Rekord und entspricht einem Zuwachs von über 50 Prozent seit dem Jahr 2000. Nach Schätzung des BIEK steigt das Volumen bis 2021 auf 4,15 Milliarden Lieferungen. Hinzu kommt, dass immer mehr Einzelhändler Fast Moving Consumer Goods an ihre Kunden liefern. Und in der Gastronomie erlebt das Take-Away-Geschäft eine enorme Dynamik. Es wurden noch nie so viele analoge Güter transportiert wie heute. Und: Die aktuelle COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen verstärken diese Entwicklung weiter.

Drei Problemfelder erfordern neue Konzepte

Für DHL, FedEx, UPS und all die anderen KEP-Dienstleister könnte also alles wunderbar sein. Ist es aber nicht. Denn im Gleichschritt mit dem steigenden Sendungsvolumen nehmen auch die Herausforderungen zu. Im Wesentlichen sind drei Bereiche problematisch, die sich auf vielfältige Weise aufeinander auswirken:

  • In vielen Städten kommt die Verkehrsinfrastruktur an ihre Grenzen: Die Straßen sind voll, „Stop and go“ ist zu manchen Zeiten am Tag die Regel, Möglichkeiten für das Be- und Entladen sind kaum noch vorhanden und auch die Lagerfläche wird immer knapper Das alles liegt zwar nicht ausschließlich am Lieferverkehr. Der sorgt aber auch nicht unbedingt für Entspannung. Aufgrund der sich zuspitzenden Situation greifen die ersten Kommunen zu drastischen Mitteln. Sie verhängen für bestimmte Gebiete Fahrverbote oder weisen explizite Zeiten aus, in denen ausgeliefert werden darf. Und da sich ein großer Teil der ansässigen Menschen mehr Klima- und Umweltschutz, saubere Luft, weniger Lärm und eine insgesamt lebenswertere Stadt wünscht, dürfte der Trend zu mehr Regulierung weiter zunehmen.
  • Das ist gerade deshalb auch ein bisschen amüsant, weil viele Menschen gleichzeitig intensiv online bestellen, damit von den Lieferangeboten reichlich Gebrauch machen und ihren Teil zur Belastung beitragen. Außerdem sind die Anforderungen der Kunden an den Service hoch. Sie erwarten „Same Day Delivery“, die Zustellung zum Wunschzeitpunkt und die Möglichkeit, eine Sendung noch in letzter Minute umrouten zu können. Für die KEP-Dienstleister nimmt damit die zu bewältigende Komplexität enorm zu, das Modell der Zustellung durch Menschen stößt an seine Grenzen, die Kosten steigen.
  • Zu dieser ohnehin schon diffizilen Lage kommt hinzu, dass der Wettbewerbsdruck steigt. E-Commerce-Giganten wie Amazon oder Ebay bauen bereits eigene Flotten auf und nutzen dafür – zumindest testweise – auch innovative Transportmittel wie Drohnen. Zudem drängen neue Player auf den Logistik-Markt, die mit smarten Ansätzen für Wirbel sorgen. Beispielsweise Nuro. Das Robotikunternehmen aus Kalifornien hat sich auf autonome Fahrzeuge spezialisiert, die ohne Sicherheitsfahrer auskommen. Zum Portfolio gehören auch Prototypen eines Roboters für die Auslieferung von Lebensmitteln. Erste Kooperationen mit großen Einzelhandelsketten in den USA wurden bereits vereinbart, etwa mit Kroger und Walmart in Houston. Vor diesem Hintergrund weit mehr als ein Fun Fact: Im vergangenen Jahr hat der japanische Tech-Konzern SoftBank knapp eine Milliarde US-Dollar in Nuro investiert. „Besonders interessant an Nuro ist, dass das Unternehmen nicht nur die Technologie entwickelt, sondern auch als Dienstleister agiert“, sagt Lukas Wrede, Senior Manager und Experte für Last Mile and City Logistic bei MHP. „Damit wird Nuro zu einem ernsthaften Konkurrenten für die etablierten Lieferdienste.“ Ähnliche Aktivitäten lassen sich auch bei Waymo, einer Tochtergesellschaft von Alphabet, und bei Uber beobachten.

Im Spannungsfeld dieser drei Herausforderungen müssen die etablierten Unternehmen Lösungen finden, die sämtliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigen. Gefragt sind Ansätze, die die städtische Infrastruktur, Klima und Umwelt möglichst wenig belasten, Flexibilität und Komfort bieten und bei all dem auch noch günstig sind. Im Zentrum steht dabei die letzte Meile zum Kunden. Insbesondere in den Städten.

Packstationen mit limitierten Effekten

Viele KEP-Dienstleister haben das erkannt und investieren zum Beispiel in den Ausbau ihres Packstationen-Netzes – inklusive White-Label-Varianten – und in die Integration von Kiosken oder Tankstellen. Der Vorteil solcher Hubs: Ein Fahrzeug hält an einem Punkt und lädt gleich eine Vielzahl an Sendungen ab, was das Verkehrsaufkommen und den Personalbedarf reduziert. Nachteilhaft ist allerdings, dass die Empfänger selbst aktiv werden müssen, um an ihr Paket oder Päckchen zu kommen. Das wirkt sich potenziell negativ auf deren Komfort aus (dafür aber tendenziell positiv auf die Flexibilität). Wenn es ungünstig läuft, verschlechtert sich außerdem die Gesamtbilanz des Verkehrs – dann nämlich, wenn viele Kunden ihre Sendungen mit einer zusätzlichen Fahrt mit ihrem Auto einsammeln.

In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Möglichkeit diskutiert, die letzte Meile durch eine neutrale Instanz – etwa die Stadt selbst – abzudecken. Sämtliche KEP-Anbieter würden ihre Sendungen dann an zentrale Packstationen liefern, wo der neutrale Dienst übernimmt. Eine aktuelle Untersuchung des BIEK gibt allerdings Hinweise darauf, dass dieser Ansatz kaum etwas bringt: Anlässlich einer Konsolidierung zweier KEP-Services in Nürnberg und München konnte nachgewiesen werden, dass eine zusammengelegte Zustellung auf der letzten Meile die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge gar nicht bzw. kaum reduzierte. Auch Lukas Wrede ist skeptisch: „Die Ergebnisse der Studie müssen sicher mit Vorsicht bewertet werden, weil die Fallzahl sehr gering ist. Ich halte die Idee einer neutralen Instanz aber auch ohne diesen empirischen Beleg für kontraproduktiv und zudem für sehr unwahrscheinlich. Denn zum einen ändert sich nichts am Volumen der Sendungen. Zum anderen sind die KEP-Dienstleister wenig daran interessiert, ihre Daten zu teilen. Außerdem besteht für sie die Gefahr, dass die Qualität ihres Service abnimmt – schließlich würden sie einen wesentlichen Teil ihrer Lieferkette aus der Hand geben.“

Alternative Antriebe und autonome Fahrzeuge

Ein anderer zentraler Bereich, in dem zahlreiche KEP-Dienstleister aktiv sind, sind Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Transportfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren werden sukzessive durch Elektrofahrzeuge ersetzt. Dadurch werden immerhin Emissionen in den Städten gesenkt. Um ganzheitlich zum Klima- und Umweltschutz beizutragen, müsste der Strom für die Fahrzeuge allerdings aus regenerativen Quellen stammen – was längst nicht immer der Fall ist.

Zudem werden auch Elektrofahrzeuge aktuell noch von Menschen gesteuert. Autonome Fahrzeuge sollen diese perspektivisch ablösen. Das würde den Personalbedarf und damit auch die Kosten senken. Im Augenblick stehen aber etliche Herausforderungen im Raum. Das beginnt damit, dass noch vollkommen ungeklärt ist, in welchem rechtlichen Kontext sich autonome Transportmittel im öffentlichen Raum bewegen. Die wichtigen ethischen Fragen dabei: Nach welchen Vorgaben entscheidet das Vehikel in einen kritischen Fall? Und wer haftet bei einem Schaden? Eng mit solchen Überlegungen verknüpft ist die Akzeptanz der Menschen. Und nur wenn die vorhanden ist, haben autonome Vehikel überhaupt eine Chance.

Hinzu kommt, dass autonome Fahrzeuge im herkömmlichen Sinne keinen positiven Einfluss auf die Infrastruktur haben. Schließlich benötigen auch sie Straßen sowie Platz zum Be- und Entladen. Drohnen sind daher prinzipiell attraktiver, weil sie sich im (noch) relativ leeren Luftraum bewegen. Vorteilhaft können auch Delivery Robots sein – zumindest wenn sie in neuen, platzsparenden Designs realisiert werden. Die Entwicklung solcher innovativen Transportmittel ist allerdings mit hohen Investitionskosten verbunden.

Wie es kostengünstiger gehen könnten, zeigt das Schweizer Unternehmen Rinspeed, das vor allem für seine Konzeptfahrzeuge bekannt ist. In Kooperation mit zahlreichen weiteren Unternehmen hat Rinspeed MetroSnap entwickelt: Bei dem modularen Fahrzeugsystem, das Anfang 2020 vorgestellt wurde, sind Fahrwerk und Aufbauten getrennt und können kurzfristig neu kombiniert werden. Das ermöglicht eine flexible Nutzung: Der MetroSnap kann heute beispielsweise als mobile Paketstation eingesetzt werden, um dann morgen einen Einzelhändler bei der Food Delivery zu unterstützen. Für die KEP-Dienste ist das ein enormer Vorteil, weil sie durch diese Mehrfachverwendung mit einer vergleichsweise geringen Anzahl an Fahrwerken eine Menge Leistungen abdecken können.

Ein Bündel an digitalen und kooperativen Maßnahmen

Digitale Prozesse und digitale Plattformen

Die Digitalisierung von Prozessen trägt nicht nur zu einer effizienteren In- und Outbound-Logistik bei, um beispielsweise effizientere Routen zu planen. Sie unterstützen auch bei der Optimierung der letzten Meile, indem Pakete auf Wunsch jederzeit und überall zugestellt werden können. Die Basis hierfür stellen Smart Services Plattformen wie SMile, ein Sharing-Konzept mit Partnern von namhaften Instituten wie GS1, ein Netzwerk von Not-for-Profit-Organisationen und der Universität Leipzig. Dadurch ist beispielsweise eine kollaborative Zustellung wie Crowd Logistics mit einer Vielzahl von Stakeholdern möglich. Eine andere Option ist, die gemeinschaftliche und herstellerübergreifende Nutzung von Daten. MHP und TÜV Rheinland haben hierzu ein Konzept über eine digitale Plattform für Fahrzeug- und Verkehrsdaten entwickelt. Die Idee: Daten von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen miteinander teilen und profitieren. Darauf können KEP-Dienstleister, aber auch Flottenbetreiber sowie Städte zugreifen. Hierbei lassen sich einzelne Daten-Anwendungen nutzen oder komplette Datenpakete zur Weiterverarbeitung beziehen. Mithilfe der Daten können Kommunen beispielsweise die innerstädtische Verkehrsinfrastruktur besser planen, Flotten lassen sich vor dem Hintergrund von regulatorischen Anforderungen optimieren und KEP-Dienstleister können das Verkehrsaufkommen so berechnen, um effizientere Routen zu planen.

Emissionsfreie Flotte

Mit Blick auf autonome Transportmittel bestehen für die KEP-Dienste prinzipiell drei Möglichkeiten, eine emissionsfreie Flotte aufzubauen:

  • Sie können eigene Vehikel entwickeln bzw. Unternehmen übernehmen, die bereits in der Entwicklung sind: So hat die Schweizer Post das Start-up Starship Technologies akquiriert.
  • Sie können Vehikel bei Herstellern kaufen: Was dem bislang üblichen Vorgehen entspricht.
  • Sie können Partnerschaften oder Kooperationen eingehen: Hierbei sorgt die Beantwortung einiger Frage für ein klares Bild:
  • Welche Partner könnten sind interessant, um sich in Zukunft besser zu positionieren?
  • Welche Softwaresysteme sind erforderlich, um die eigenen Dienstleistungen zu erweitern oder zu optimieren?
  • Wie beeinflusst eine Partnerschaft die Beziehung zu den Kunden?
  • Wie wirkt sich eine Partnerschaft auf die gesamte Lieferkette aus?

Regulierung und Kooperation:

Auch bei der Zustellung auf der letzten Meile lassen sich Maßnahmen von seitens der Empfänger, aber auch von den Kommunen unternehmen. Pakete lassen sich beispielsweise flexibler zustellen, indem Paketkästen bei den Empfängern installiert werden. Somit lässt sich auch eine Zustellung ohne Anwesenheit des Empfängers garantieren. Zustellgeschwindigkeiten können so auch leichter bepreist werden, bspw. kostet eine frühe Anlieferung mehr Geld. Aufgrund der zeitlichen Streckung der Lieferfenster, auch über die Tageszeiten hinaus, wird der Verkehr entlastet. Kommunen können ihre bisherigen Ladezonen in privilegierte Zonen in den Innenstädten umwandeln. Hierzu müssen allerdings erst die rechtlichen Rahmen geschaffen werden. Eine andere Möglichkeit sind alternative Lade- & Lieferzonen, die sich via App buchen lassen, beispielsweise Parkhäuser, die über die Nacht als Mikrologistik-Hubs umfunktioniert werden.

Fazit

All das bedeutet: Den einen Königsweg gibt es für die KEP-Dienstleister nicht, jeder einzelne Anbieter wird abhängig von seiner spezifischen Situation verschiedene Möglichkeiten miteinander kombinieren müssen. Wichtig ist dabei immer ein ganzheitlicher Ansatz. Mit dieser Vorgehensweise berät auch Lukas Wrede seine Kunden: „Wir analysieren zunächst die vorhandenen Geschäftsmodelle, schauen uns den Markt genau an und entwickeln dann mit dem Kunden neue Geschäftsmodelle. Unser ganzheitlicher Ansatz ist stark getrieben von dem Ökosystem, in denen verschiedene Ansätze und letztlich Maßnahmen mitreinspielen.“

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Von Autorin: Rebecca Vlassakidis, Fachredakteurin