Größte Schleuse der Welt in Antwerpen eingeweiht
Am 10. Juni 2016 wurde im Hafen von Antwerpen die größte Seeschleuse der Welt eingeweiht. Mit einem symbolischen Knopfdruck nahm König Philippe die Kieldrechtschleuse feierlich in Betrieb. Die Grande Lagos von der Reederei Grimaldi hatte anschließend die Ehre, sie als erstes Schiff zu passieren.
Während der feierlichen Inbetriebnahme des 382 Mio. Euro teuren Projektes sprachen der flämische Minister für Mobilität, Ben Weyts, der Präsident der Europäischen Investitionsbank (EIB), Werner Hoyer, und der Vorsitzende der Antwerpener Hafenbehörde, Marc Van Peel. Von allen Rednern wurde das Projekt als wegweisend für mehr Wachstum und Beschäftigung beschrieben. „Die Kieldrechtschleuse schuf während der Bauphase hunderte Jobs und wird der Region und der europäischen Wirtschaft allgemein auch langfristig und dauerhaft von Nutzen sein“, stellte EIB-Präsident Hoyer fest. Während der Errichtung der 500 m breiten, 68 m langen und 17,8 m tiefen Schleuse waren insgesamt 255 Menschen beschäftigt. Für den Bau wurden 22 t Stahl verwendet – eine Menge, die für die Errichtung von 3 Eiffeltürmen ausreichen würde. Der erste Spatenstich erfolgte am 21. November 2011. Die Schleuse liegt am Ende des Deurganck Docks auf dem linken Ufer der Schelde und stellt eine maritime Verbindung her zwischen der Schelde und dem Waasland-Kanal. Zudem haben Schiffe über diese neue Anbindung nun Zugang zu allen anderen Docks am linken Ufer: Doel Dock, Verrebroek Dock, Vrasene Dock und den nördlichen und südlichen Mooring Docks.
Wachstumsperspektiven absichern
Der Bau der neuen Schleuse war notwendig, wie Dr. Dieter Lindenblatt gegenüber dieser Zeitschrift betont, um einen besseren und sicheren Zugang zum Hafengebiet am linken Scheldeufer sicherzustellen (Bild 1).
Die Kallo-Schleuse, so der Repräsentant des Hafens Antwerpen in Deutschland weiter, sei an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Lindenblatt: „Der wichtigste Nutzen der Schleuse aber liegt darin, die Zugänglichkeit für das Hafengebiet mit dem größten Wachstumsperspektiven auch in Zukunft zu sichern. Dieses Wachstums resultiert insbesondere aus der Verlagerung der Containeraktivitäten vom rechten an das linke Scheldeufer.“ Diese Verlegung sei notwendig, da sich der Schweizer Großkunde MSC, die zweitgrößte Container-Reederei der Welt, mehr Platz für seine Expansionspläne wünscht. Jetzt ziehe die Firma vom Delwaide–Becken in die Nähe der neuen Schleuse. Dort rüste der Terminal-Betreiber PSA momentan die Docks mit insgesamt 18 Container-Brücken aus. „Mit der neuen Schleuse werden die Kapazitäten in diesem Bereich des Hafens verdoppelt und gleichzeitig die Wege, die von den Schiffen zurückgelegt werden müssen, deutlich verkürzt“, so der Hafenexperte. Die Verkürzung der Schiffswege bestätigt auch Raf Saenen. Der Business Development & Commercial Manager des am linken Scheldeufer ansässigen Unternehmens ITC Rubis, einer Lagergesellschaft für Flüssigchemikalien und Flüssiggas, spricht von einer Fahrtzeitverkürzung von etwa 2 h. „Das ist in unserem Geschäft ein deutlicher Zeitgewinn“, erklärt der Manager
Beschleunigte Hinterlandverkehre
Das Projekt deckt sich zudem mit den Zielen der Europäischen Union, bis zum Jahr 2030 ein transnationales, multimodales Verkehrsnetz zu entwickeln. Der Hafen von Antwerpen ist ein wichtiger Knotenpunkt in diesen Verkehrsnetzen. Gestärkt wird dieser Knoten laut Dr. Dieter Lindenblatt zudem durch den ebenfalls neuen Liefkenshoek-Tunnel, eine Eisenbahn-Anbindung zwischen den Docks auf dem linken Schelde-Ufer und dem Güterbahnhof Antwerpen-Nord, den auch Frachtzüge aus Deutschland anfahren. Davon profitiert auch das sogenannte Hinterland. „Als zweitgrößter Hafen Europas müssen wir sicherstellen, dass die Güter zügig 600 Mio. Kunden im Hinterland erreichen“, meint Hafenchef Eddy Bruninckx (Bild 2).
Eine der wichtigsten Hinterlandverbindungen führe ins Ruhrgebiet. Der Duisburger Binnenhafen sei nicht nur Umschlagplatz für die Versorgung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes NRW. Er fungiere zugleich als Drehscheibe und Verteiler für Warenströme, die rheinabwärts in den deutschen Südwesten oder Richtung Wien und Budapest fließen.
Internationale Ausschreibung
Eine neue Marktstudie belegt zudem, dass ein Ausbau der Hinterland-Netzwerke die Wettbewerbsposition des Hafen Antwerpen nachhaltig stärken und Frachtverkehre aus und in diese Regionen entwickeln wird. Vor diesem Hintergrund startete die Antwerp Port Authority Ende 2015 eine Ausschreibung für Bahnprojekte, mit denen effiziente Schienenverbindungen zwischen Antwerpen und den Schlüsselregionen in Zentral- und Osteuropa weiterentwickelt werden sollten. Drei Projekte wurden zur Realisierung ausgewählt. Die Antwerp Port Authority wird diese Projekte während einer dreijährigen Anfangsphase auch finanziell unterstützen, damit langfristig wirtschaftliche Angebote etabliert werden können:
Höhere Abfahrtsfrequenz auf dem Antwerpen-Linz-Korridor (eingereicht vom Joint Venture Rail Cargo Logistics Austria [RCA] und Rail & Sea). Im Mai 2015 hat das Joint Venture der RCA und Rail & Sea eine direkte Eisenbahnverbindung zwischen Belgien und dem österreichischen Linz in Betrieb genommen. Der Shuttle-Service fährt derzeit dreimal wöchentlich im Rundlauf. Innerhalb der kommenden zwei Jahre soll die Frequenz auf fünf Rundläufe wöchentlich erweitert werden.
Neue Schienenverbindung zwischen Antwerpen und der Tschechischen Republik (eingereicht von B Logistics). B Logistics plant unter dem Namen Czech Express die Einführung einer direkten Eisenbahnverbindung zwischen dem Hafen Antwerpen und der Tschechischen Republik. Dieser neue Schienenverkehr soll für den Transport konventioneller und intermodaler Ladung gleichermaßen bestimmt sein. Ziel ist es, nach zwei Jahren fünf wöchentliche Abfahrten im Rundlauf anbieten zu können.
Höhere Abfahrtsfrequenz und Aufbau eines neuen Schienennetzes mit verschiedenen Zielen in Polen (eingereicht von Hupac). Derzeit verbindet Hupac den Hafen Antwerpen per Bahn direkt mit Gadki im Ballungsraum Poznan sowie über den deutschen Hub in Schwarzheide mit den polnischen Städten Kutno, Wroclaw und Katowice. Das eingereichte Projekt der Hupac sieht ein neues Netz mit fünf wöchentlichen Liniendiensten zwischen dem Combinant Terminal im Hafen Antwerpen und Kutno vor. Über den Hub in Schwarzheide besteht dadurch eine Anbindung auch nach Wroclaw, Katowice und Dabrowa Gornicza.