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Covid-19 als unternehmerische Chance nutzen 12.04.2021, 08:19 Uhr

So will die Luftfahrtbranche nach der Krise wieder durchstarten

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf den internationalen Luftverkehr sind erheblich. Flugzeuge stehen am Boden, Passagiere bleiben aus – es drohen finanzielle Schieflagen und gravierende bilanzielle Probleme. Viele Airlines kommen ohne staatliche Unterstützung nicht aus und müssen ihre Flotten verkleinern. Doch in der Krise liegen auch Möglichkeiten. Nur wer sie erkennt und konsequent nutzt, kann gestärkt aus ihr hervorgehen.

Airlines spüren weltweit die einschneidenden Folgen der Corona-Krise. Flugzeuge sind nicht in der Luft, um Geld zu verdienen, sondern werden auf Landebahnen abgestellt. Auch wenn es mittlerweile nicht mehr so dramatisch wie zu Beginn der Pandemie aussieht, wird es noch lange dauern, bis alle Flugzeuge wieder eingesetzt werden. Foto: panthermedia.net/Craig Robinson

Airlines spüren weltweit die einschneidenden Folgen der Corona-Krise. Flugzeuge sind nicht in der Luft, um Geld zu verdienen, sondern werden auf Landebahnen abgestellt. Auch wenn es mittlerweile nicht mehr so dramatisch wie zu Beginn der Pandemie aussieht, wird es noch lange dauern, bis alle Flugzeuge wieder eingesetzt werden.

Foto: panthermedia.net/Craig Robinson

Der Luftverkehr gilt als Garant für Mobilität und verbindet nicht nur Individuen und Unternehmen miteinander, sondern trägt auch in besonders hohem Maße zur Globalisierung bei. Mehr als 4,5 Mrd. Passagiere flogen im Jahr 2019 – ein neuer Höchstwert (Statista, 2020a). Das Jahr 2020 markiert durch die Corona-Pandemie eine deutliche Zäsur. Reisende können, dürfen oder wollen nicht in solchem Umfang fliegen, wie sie es zuvor gewohnt waren. Auf diese Herausforderung müssen Fluggesellschaften Antworten finden. Bewährte Geschäftsmodelle funktionieren in der Krise nicht mehr: nur wer den Fokus auf Liquidität und finanzielle Stabilität legt, wird auch in einer Zeit nach Corona Erfolg haben. Auch für die Deutsche Lufthansa AG stellt sich die Frage, ob sie ihre Stellung als größter europäischer Airline-Konzern weiter ausbauen und ihren bisher erfolgreichen Weg fortsetzen kann. Anpassungen der Struktur sowie des Geschäftsmodells sind zwingend erforderlich, um sich strategisch für die nächsten Jahre neu aufzustellen. Dies bietet aber auch die einmalige Chance der Erneuerung oder wie schon Winston Churchill sagte – „Never waste a good crisis“.

Wann erholt sich die Luftfahrt wieder?

Die Luftfahrtbranche ist von der Corona-Krise substanziell betroffen. Im Frühjahr 2020 prägten geschlossene Terminals und auf Landebahnen geparkte Flugzeuge das mediale Bild. Weltweite Grenzschließungen sowie globale Reisewarnungen führten zu einem fast vollständigen Nachfragerückgang. Wie dramatisch sich die Lage darstellte, zeigt exemplarisch der 23. März 2020: Lufthansa strich an diesem Tag 95 % ihrer Flüge, bei der Low-Cost-Gesellschaft Ryanair waren es sogar 99 % (Statista, 2020b). Lediglich im Frachtbereich zeigte sich eine anhaltend hohe Nachfrage, insbesondere nach medizinischen Artikeln aus China. Eine leichte Besserung setzte im letzten Sommer im Zuge allgemeiner Lockerungen ein, was zumindest zu einem kurzfristigen Anstieg der Ticketbuchungen führte. Doch währte diese Euphorie nur kurz, die berühmte „zweite Welle“ an Covid-19-Infektionen versetze der Luftfahrt erneut einen herben Dämpfer. Wann es zu einer nachhaltigen Erholung kommen wird – völlig unklar. Der Dachverband der Fluggesellschaften, IATA (International Air Transport Association), rechnet erst 2024 mit einer vollständigen Rehabilitation des Luftverkehrs, eine anhaltende Erholungstendenz sagt er frühestens für das zweite Halbjahr 2021 voraus (IATA, 2020). Dabei werden sich auch regionale Unterschiede zeigen. Gerade in Ländern wie den USA oder China, die eine hohe Binnennachfrage aufweisen, wird die Luftfahrt früher Fuß fassen können. Auch Europa könnte mit steigender Impfquote stärker profitieren, allerdings wirken oftmals viele einzelstaatliche Einreise- und Quarantäneregelungen hemmend. Ein europäischer Impfpass sowie damit verbundene Quarantäneausnahmen könnten der Luftfahrt allerdings gerade für die anstehende Sommersaison einen deutlichen Schub verleihen.

Die Verkehrsentwicklung im europäischen Luftraum seit Beginn der Pandemie – ein langer Weg bis zum Vorkrisenniveau. Grafik: Eurocontrol.

Die Lufthansa soll schrumpfen

Im Zuge des Restrukturierungsprogramms „ReNew“ plant das Lufthansa-Management mit einer dauerhaft abgesenkten Kapazität. So soll die Konzernflotte in den nächsten Jahren nachhaltig um 150 Flugzeuge verringert werden, was einer Kürzung um ein Fünftel entspricht. Auf den ersten Blick erscheint dieser Wert recht hoch, jedoch verfügt der Konzern beispielsweise mit dem Airbus A380 noch über Flugzeuge, die momentan zwar langfristig geparkt sind, aber im Falle einer unerwartet dynamischen Erholung wieder flott gemacht werden könnten. Auch personalseitig werden durch das Instrument der Kurzarbeit sowie sich daran anschließender Teilzeitmodelle eine gewisse Flexibilität gewährleistet (Deutsche Lufthansa AG, 2020a). Lufthansa könnte also ihre Produktion zügig hochfahren, ohne dabei unter mangelnden Ressourcen bei Personal und Flotte zu leiden – ein Vorteil gegenüber kleineren Fluggesellschaften, die nicht über diese operationelle Flexibilität verfügen.

Reicht das Geld, um diese Durststrecke zu überstehen?

Dramatisch eingebrochene Umsätze und wenig Optimismus, dass zumindest auf kurze Sicht wieder an alte Erfolge angeknüpft werden kann. Die wenigsten Unternehmen können mehrere Monate oder gar Jahre gänzlich ohne oder nur mit einem Bruchteil an Einnahmen überstehen, jedenfalls nicht ohne Hilfe von außen. Ein Blick in die Bilanz von 2020 zeigt ein düsteres Bild: ein Umsatzeinbruch um mehr als 60 %, ein historisch schlechtes Konzernergebnis von –6,7 Mrd. Euro und eine verschwindend geringe Eigenkapitalquote von nur noch 3,5 %. Ohne die erhaltenen Staatshilfen von fast zehn Milliarden Euro wäre es im letzten Jahr ziemlich eng geworden. Zu Beginn der Krise verlor der Konzern 700 Mio. Euro an Liquidität – pro Monat. Auch wenn die Kreditlinien bei weitem nicht ausgeschöpft werden mussten, so waren sie notwendig, um die Existenz des ehemaligen Staatskonzerns zu sichern und das Vertrauen an den Kapitalmärkten zurückzugewinnen. Eine Insolvenz ist in der Zwischenzeit kein Thema mehr, die Airline-Gruppe ist für das gesamte Jahr 2021 durchfinanziert (Deutsche Lufthansa AG, 2021). Nun gilt es, die Verluste weiter zu begrenzen, um die Bilanz nicht unnötig zu belasten und den Blick wieder nach vorne zu richten.

Kurzfristig hilft nur Sparen

Die Erlöse zu steigern, gestaltet sich aufgrund der anhaltenden Nachfrageschwäche als deutlich schwerer, als bei den Ausgaben anzusetzen. Durch den Abbau von fast 30.000 Mitarbeitern inklusive 20 % der Führungspositionen sowie durch Sparbeiträge aller Berufsgruppen können Einsparungen von nahezu einer Mrd. Euro pro Jahr realisiert werden. Jeder einzelne noch so kleine Stein wird umgedreht, jeder eingesparte Euro erleichtert es dem Unternehmen, seine Schuldenlast zu begrenzen. Einen positiven Beitrag leistet auch die Entscheidung, viele Destinationen des bisherigen Streckennetzes weiterhin, wenn auch in niedrigerer Frequenz als zuvor, zu bedienen und somit ein umfangreiches Angebot anzubieten. Aufgrund der geringen Passagierzahlen stellen kleinere Fluggesellschaften zum Teil Point-to-Point-Verbindungen ein, da diese nicht mehr rentabel bedient werden können. Durch ihr breites Netzwerk kann Lufthansa mittels diverser Umsteigeverbindungen Verkehrsströme bündeln und ihre Flüge besser auslasten (Deutsche Lufthansa AG, 2020b). Sämtliche ergriffene Maßnahmen tragen somit zur kurzfristigen Verbesserung der finanziellen Lage des Konzerns bei. Neben diesen sind aber auch Maßnahmen notwendig, welche die mittelfristige strategische Ausrichtung der Lufthansa Group bestimmen sowie ihre Positionierung am Markt betreffen.

Durch ihr Netzwerk kann Lufthansa Verkehrsströme bündeln und somit auch Strecken mit niedrigerem Verkehrsaufkommen bedienen. Grafik: Deutsche Lufthansa AG

Weniger Geschäftsreisen, mehr Touristik

Durch die anhaltenden Reisebeschränkungen entsteht ein hohes Bedürfnis, eine Urlaubsreise zu tätigen, sobald dies wieder einfacher möglich sein wird. Wird eine Reisewarnung aufgehoben, schnellen die Buchungen binnen kurzer Zeit in die Höhe. Passagiere halten sich mit längerfristigen Buchungen zwar noch zurück, buchen aber kurzfristig umso stärker, wenn Restriktionen fallen. Gerade für den Bereich der Privatreisenden wird daher erwartet, dass der Aufschwung in der Fliegerei hauptsächlich von ihnen und der damit verbundenen aufgestauten Nachfrage getragen werden wird. Ob geschäftlich bedingte Reisen überhaupt wieder das Vorkrisenniveau erreichen, ist fraglich. Wir alle erleben, wie Meetings durch Zoom oder Teams plötzlich nicht nur möglich, sondern auch zum gewohnten Arbeitsalltag gehören und allgemein akzeptiert werden. Muss es zukünftig für den einstündigen Termin in Berlin ein Flug sein oder reicht auch eine Video-Konferenz? Sicher, der persönliche Kontakt wird nach Krise immer noch wichtig sein. Aber es darf zumindest hinterfragt werden, auch unter einem wachsenden Umweltbewusstsein, ob jede Dienstreise ihre Notwendigkeit hat. Diese Tendenz spiegelt sich auch in der unternehmerischen Ausrichtung der Lufthansa wider.

So wird seit einiger Zeit, durch die Krise allerdings deutlich offensiver, das Geschäft der Urlaubsreisen gestärkt. Dass in diesem Segment Chancen gesehen werden, zeigt der diesjährige Sommerflugplan: fast 30 Ziele touristischer Art sind alleine im Streckennetz der Lufthansa Passage zu finden – so viele wie nie zuvor. Mit Eurowings ist der Konzern bereits im Günstig- und Privatreisebereich aktiv, zur Durchführung der touristischen Langstrecken ab Frankfurt und München wurde Eurowings Discover neu gegründet (Deutsche Lufthansa AG, 2021b). Die neue Airline wird vor allem dem Ferienflieger Condor auf beliebten Urlaubsstrecken wie in die Karibik Konkurrenz machen. Durch die gezielte Positionierung im Urlaubsgeschäft will die Deutsche Lufthansa AG also von der dortigen Erholung partizipieren und neue Marktchancen wahrnehmen.

Weg vom diversifizierten Konzern?

Bislang bietet die Lufthansa Group sämtliche Leistungen im gesamten Wertschöpfungsprozess selbst an, also auch jene, die nur indirekt mit dem Fliegen im Kern zu tun haben wie Catering oder Technikleistungen. Dass hier schon vor der Krise mit dem eingeleiteten Verkauf der LSG Group ein Wandel begonnen hat, ist offensichtlich. Dieser Wandel dürfte sich nun verstärken, da mittlerweile auch vermehrt über das Abstoßen weiterer Unternehmensteile nachgedacht wird. Gerade in einer Phase, in der Milliardenkredite und Schulden auf dem Konzern lasten, sind monetäre Vorteile sicher stärkster Treiber solcher Vorhaben. Zusätzlich entsteht auf diese Weise ein schlankeres und effizienteres Unternehmen, da nicht mehr jede Dienstleistung selbst angeboten werden muss und Preisvorteile am Markt wahrgenommen werden können. Die Botschaft dahinter ist eindeutig: die Lufthansa Group wird kleiner und konzentriert sich stärker auf ihre originäre Aufgabe, dem Fliegen.

Die Flotte wird jünger

Neben der stärkeren Ausrichtung auf touristische Strecken und der Verkleinerung des eigenen Leistungsspektrums wird die Redimensionierung der Flotte zukünftig einen positiven Beitrag zum Ergebnis leisten. Eine kostenreduzierende Wirkung zeigt sich schon alleine dadurch, dass treibstoffintensive Flugzeuge (z.B. Airbus A380, Boeing 747–400) die Flotte früher als geplant verlassen. Ein Blick in die Bilanz von 2019 zeigt, dass alleine die Aufwendungen für Treibstoff vor der Pandemie 6,7 Mrd. Euro ausmachten (Deutsche Lufthansa AG, 2020c). Dies verdeutlich das große Potenzial, welches durch sparsamere Flugzeuge realisiert werden kann. Unter den bestellten Flugzeugen sind mit dem Airbus A350 und der Boeing 787 besonders moderne und effiziente Flugzeuge. Bis Mitte des Jahrzehnts wird durch diese Maßnahmen der spezifische Treibstoffverbrauch um 15 % sinken (Deutsche Lufthansa AG, 2021c). Gerade auch unter Nachhaltigkeitsaspekten ist der vorgezogene Flotten-Rollover eine gute Gelegenheit, das Image des Klimasünders Luftverkehr – zumindest ein wenig – aufzubessern.

Die zukünftige Strategie als zentraler Erfolgsfaktor

Im Rahmen einer SWOT-Analyse wurde untersucht, welche Stärken und Schwächen den Erfolg der Lufthansa determinieren, aber auch welchen Chancen und Risiken sie ausgesetzt ist. SWOT-Analysen dienen als Instrument zur Strategiebestimmung und Ableitung unternehmerischer Maßnahmen. Das Akronym SWOT steht für: Strength, Weakness, Opportunity, Threat. Dabei zielen Stärken und Schwächen auf unternehmensinterne Faktoren, während sich die Möglichkeiten und Risiken auf unternehmensexterne Aspekte konzentrieren. Das Ergebnis der Analyse wird in einer Matrix visualisiert (Kerth, Asum, & Stich, 2015). Durch diese vereinfachte Darstellung können dann im Fortgang mögliche Strategien und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.

Die Matrix zeigt die Ergebnisse der SWOT-Analyse der Deutschen Lufthansa AG unter besonderer Betrachtung der Corona-Situation. Grafik: Verfasser, Logo: Deutsche Lufthansa AG.

Stärken und Schwächen

Die Kostendisziplin und das damit verbundene zügige Einleiten kostensenkender Maßnahmen stellt einen herausragenden Vorteil dar. Die monatlichen Mittelabflüsse wurden von 700 auf 300 Mio. Euro mehr als halbiert. Während andere Wettbewerber wie zum Beispiel Air France-KLM weitere Staatshilfen benötigen, konnte Lufthansa einen Teil der Hilfen bereits zurückzahlen (Deutsche Lufthansa AG, 2021c). Der Fokus liegt auch in diesem Jahr auf einer Begrenzung der Verschuldung und einer sukzessiven Refinanzierung am Kapitalmarkt.

Gerade die skizzierte Flottenerneuerung erlaubt es der Lufthansa Group langfristig die Treibstoffkosten zu senken. Ein moderner Airbus A350–900 verbraucht beispielsweise mit drei Litern pro 100 Passagierkilometern rund ein Viertel weniger Kerosin als seine Vorgängermodelle (Deutsche Lufthansa AG, 2019).

Die Flottenplanung geht darüber hinaus mit einer hohen operationellen Flexibilität einher. Sollte sich der Luftverkehr entgegen der aktuellen Prognosen deutlicher positiver und schneller entwickeln, ist die Lufthansa in der Lage, ihre Kapazitäten zügiger als gegenwärtig geplant auszubauen. Diese Flexibilität erlaubt es dem Management, auf kurzfristige Nachfrageänderungen zu reagieren.

Als Schwäche kann zum einen die angestoßene Portfoliobereinigung genannt werden. Verkäufe von Unternehmensteilen helfen zwar momentan, zügig finanzielle Mittel zu generieren. Nachteilig ist allerdings, dass grundsätzlich gewinnbringende Unternehmensteile verkauft werden. Ferner besteht in den Möglichkeiten solcher Verkäufe nur ein einmaliger bilanzieller Effekt.

Auch wenn sich im Bereich der Nachhaltigkeit einiges tut, wie zum Beispiel durch eine stärkere Kooperation mit der Deutschen Bahn oder durch die Förderung alternativer und synthetischer Kraftstoffe, wird die öffentliche Wahrnehmung des Luftverkehrs nicht durchweg positiv sein. Gerade nach der Krise, wenn wieder mehr geflogen wird, gerät der Flugverkehr sicher wieder verstärkt unter öffentlichen Druck, beispielsweise durch „Fridays for Future“.

Dass sich die Beziehungen zwischen der Unternehmensleitung und den Arbeitnehmervertretern als schwierig erwiesen, wurde an zahlreichen Streiks und öffentlicher Auseinandersetzungen in den letzten Jahren deutlich. Auch bei zukünftigen Einsparungen, die sich zwangsläufig durch die Krise ergeben werden, besteht die Gefahr weiterer Auseinandersetzungen, was dem öffentlichen Bild als zuverlässige Airline schaden könnte.

Möglichkeiten und Risiken

Zumindest kurzfristig bestehen durch den Impfstofftransport Optionen, zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Lufthansa Cargo verfügt über die notwendige Erfahrung und ist in der Lage, große Mengen temperaturempfindlicher Vakzine binnen kurzer Zeit über ihre Pharma-Hubs zu befördern.

Das Lufthansa-Management rechnet mit einem Anstieg des Privatreiseanteils auf 80 %, weshalb sich neue Perspektiven im Tourismus-Segment ergeben. Seit dem Ausscheiden der Air Berlin aus dem Markt gibt es in Deutschland neben Condor keinen weiteren Wettbewerber touristischer Langstreckenflüge. Mit Eurowings Discover wird sich Lufthansa nun verstärkt auch in den Lufthansa-Hubs in diesem Segment positionieren. Mit dem Ziel, die staatlichen Unterstützungen so schnell wie möglich zurückzuzahlen, ergeben sich dann auch wieder Möglichkeiten von Übernahmen. Die Lufthansa Group könnte sich schon im Jahr 2023 durch eine Schuldenfreiheit in einer starken Position wiederfinden, während andere Fluggesellschaften ihre Restrukturierung noch nicht vollständig abgeschlossen haben. Mögliche Übernahmekandidaten könnten dabei Alitalia, Condor oder TAP Portugal sein.

Den Möglichkeiten stehen jedoch auch Risiken gegenüber. Allgemeine Risiken bestehen in einer nicht vorhersehbaren Entwicklung der Pandemie. Sämtliche Prognosen basieren auf der Annahme, dass es gelingen wird, das Virus einzudämmen und dass schnell Impffortschritte erzielt werden können. Auch auftretende Mutationen könnten eine nachhaltige Erholung bremsen. Mögliche Risiken könnten sich auch aus Klagen des Wettbewerbers Ryanair ergeben, der gegen die Staatshilfen diverser europäischer Fluggesellschaften klagt. Als Begründung wird hauptsächlich eine drohende Wettbewerbsverzerrung genannt. Sollten Klagen dieser Art erfolgreich sein, könnten sich auch für die Lufthansa negative Konsequenzen ergeben.

Eine weitere Bedrohung liegt in den Preisstrategien der Wettbewerber. Die Gefahr besteht, dass andere Airlines durch deutlich abgesenkte Ticketpreise auch das Preisgefüge der Lufthansa Group unter Druck setzen könnten. Als Konsequenz müsste die Lufthansa ebenfalls die Preise senken oder auf Marktanteile verzichten.

Wie sieht die beste Strategie nun aus?

Mit Hilfe der SWOT-Analyse lassen sich eine Vielzahl von Strategiemöglichkeiten ableiten. Durch systematische Kombination einer SO(Strength-Option)-Strategie mit einer WT(Weakness-Threat)-Strategie kann sich Lufthansa umfassend den zukünftigen Herausforderungen stellen. Durch eine SO-Strategie kann der Konzern seine Position weiter ausbauen. Die starke Fokussierung auf die eigenen Stärken sowie dem Erkennen von möglichen Marktgegebenheiten können dem Unternehmen helfen, dem einsetzenden Wandel zu begegnen. Dass die Lufthansa Group bereits seit Jahren stetig ihre Kosten reduziert, hilft ihr sicher in der jetzigen Krise. Auch kommt es ihr zugute, dass selbst in Rekordjahren ein harter Kampf mit Gewerkschaften um historisch gewachsene Privilegien geführt wurde. Ebenfalls wurden in den letzten Jahren enorme Investitionen, gerade in die Flotte, aber auch im Bereich der Digitalisierung getätigt. Diese starke Position kann das Management nun gezielt weiterentwickeln. Dass während einer Krise auch Möglichkeiten entstehen können, gilt als selbstverständlich. Durch ihre strategische Aufstellung im touristischen Bereich kann Lufthansa nun an dieser Entwicklung teilhaben. Der Lufthansa-Konzern steht mit seinen Netzwerk-Airlines nach wie vor für ein Premium-Produkt, durch gezielten Ausbau des Ferienverkehrs wird Lufthansa allerdings auch dort zukünftig eine größere Rolle spielen.

Eine Ergänzung der SO-Strategie kann durch eine WT-Strategie erfolgen. Durch sie werden Schwächen abgebaut und Risiken mitigiert, also abgeschwächt. Gerade im Bereich der Nachhaltigkeit ist seit Anfang 2021 eine Schärfung des unternehmerischen Profils zu erkennen. So wurde der Bereich Corporate Responsibility aufgewertet und es wird aktiv an einer nachhaltigeren Geschäftsentwicklung gearbeitet. Auch wenn hier sicher noch Luft nach oben ist, gerade was alternative Treibstoffe anbelangt, so ist es zumindest ein wichtiger Baustein in der aktuellen Zeit. Durch aggressive Preisgestaltung bei Wettbewerbern können sich Gefahren für das Geschäftsmodell der Lufthansa ergeben. Jedoch ist die Frage, ob das Momentum des starken Umweltbewusstseins und politischer Reglementierung nicht sogar am Ende förderlich für Lufthansa sein könnte. Sobald 9,99€-Tickets stärker in Verruf geraten, schwindet der Druck, genauso günstige Tickets anbieten zu müssen.

Quo vadis Lufthansa?

Die Airline-Branche hat wie kaum keine andere Branche mit den Konsequenzen der Krise zu kämpfen. Ein nahezu kompletter Stillstand des Luftverkehrs über Monate hinweg, das existenzielle Bedrohen der eigenen Geschäftstätigkeit, waren für eine Branche, die zuvor von Passagierrekorden geprägt war, undenkbar. Ein im Kern gesundes Unternehmen wie die Lufthansa findet sich binnen Monaten als teilverstaatlichter Konzern mit Milliardenverlusten wieder. Durch das entschiedene Handeln des Unternehmens im Bereich der Liquidität und der strikten Kostendisziplin stellt der Konzern die Weichen, um bilanziell, zumindest im Vergleich zu Wettbewerbern, gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen. Mit einer schlank aufgestellten und auf Effizienz ausgerichteten Struktur sowie einer sehr modernen und stückkostengünstigen Flotte verfügt Lufthansa über wesentliche Eigenschaften, um an frühere Erfolge anzuknüpfen. Zugleich bestehen besonders in den Preisstrategien der Konkurrenten, die ihren Marktanteil offensiv ausbauen wollen, Gefahren. Sehen wir auf der einen Seite die Lufthansa Group mit ihrer Kostendisziplin, so steht auf der anderen Seite Ryanair, die nur darauf wartet, den Markt mit massenhaft günstigen Tickets zu fluten. Die Covid-19-Krise wirkt wie ein Katalysator beider Unternehmensstrategien: Lufthansa fokussiert sich auf Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen, um eine nachhaltige Stabilisierung der Yields zu erreichen, während Ryanair nur darauf wartet, seine Marktanteile zu steigern. Trotz dieser Gefahren sollten sich für die Lufthansa Möglichkeiten bieten, beispielsweise durch neue Marktchancen im touristischen Segment oder strategische Übernahmen. Die angestrebte finanzielle Position sowie die mittelfristige Strategie bieten ein ideales Fundament, um als Nutznießer aus der Krise hervorzugehen. Sofern auf kurzfristige Marktentwicklungen reagiert und Themen wie Nachhaltigkeit ausreichend beachtet werden, kann Lufthansa die Pandemie im Sinne eines unternehmerischen Resets nutzen.

Quellenangabe

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Von Marcel Aschmann ist seit 2014 als Erster Offizier tätig und fliegt das Muster Airbus A320 auf europäischen Kurz- und Mittelstrecken. Im Frühjahr 2021 hat er an der IU erfolgreich sein Bachelor-Studium im Bereich Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen. Hubert Vogl lehrt an der IU Internationale Hochschule als Professor für Logistik, Netz- und Yield-Management.