Versandkartons auf Maß geschneidert
Mit der Optimierungssoftware CASTN (Carton Set Optimization) des Dortmunder Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) gehören überdimensionierte Versandkartons der Vergangenheit an. Der Volumennutzungsgrad wird stattdessen optimiert.
Wer kennt die Situation nicht: Bestellt wurde eine kleine Flasche Parfum und geliefert wird eine riesige Kartonverpackung, gefüllt mit dem bestellten Produkt und einer riesigen Menge Polstermaterial. Das ist nicht wirklich ökologisch, meinen die Forschenden des Dortmunder Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik
(IML). Um diese Situation zu ändern entwickelten sie die Optimierungssoftware CASTN (Carton Set Optimization, welche die optimale Karton-Auftrag-Kombination kundenindividuell zusammenstellt. Dafür berechnen ausgeklügelte Algorithmen auf Basis der Artikel- und Auftragsstruktur die beste Auslastung der Versandpakete.
Denn obwohl dem Markt immer vielfältigere Verpackungslösungen zur Verfügung steht, nimmt der Volumennutzungsgrad der Transportverpackung nicht selten haben, argumentieren die IML-Forschenden. Vor allem kleinvolumige Produkte – wie etwa unsere Flasche Parfum, Schmuck oder Kosmetika, landen meist in viel zu großen Umverpackungen. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, dass heutige Verpackungen viel zu wenig an die veränderten Anforderungen wie Abmessungen oder das Gewicht der Produkte und Aufträge angepasst sind. Die Optimierungssoftware dagegen stellt den Versandunternehmen ein auf die jeweilige Auftrags- und Artikelstruktur optimal abgestimmtes Kartonset zusammen.
„Will ein Händler etwa ein Set mit zehn verschiedenen Kartons an seinen Packstationen einsetzen, so müssen diese auf die Auftrags- und Artikelstruktur angepasst werden, um den bestmöglichen Volumennutzungsgrad zu erzielen. Die Produkte müssen also möglichst viel Volumen des Kartons ausfüllen, sodass nur wenig Füllmaterial wie Polsterfolie verwendet werden muss“, erklärt Lukas Lehmann, Wissenschaftler am Fraunhofer IML. Dies wird erreicht, indem das IML-Entwicklerteam die Kundendaten in CASTN eingibt – also Bestell- und Artikelstammdaten und Verpackungsspezifikationen. Um so saisonale Schwankungen ebenso wie einen repräsentativen Zeitraum abzubilden, hat sich die Datenerfassung über ein Jahr bewährt. Diese Eingabeparameter erlauben zwei miteinander verknüpften Software-Algorithmen im Zusammenspiel die Berechnung der optimalen Kartonsets. Vorgaben des Logistikdienstleisters werden dabei ebenso berücksichtigt wie Kundenanforderungen hinsichtlich der maximalen oder minimalen Packgröße.
Der Ist-Zustand: 30 % Ware und 70 % Luft
Für die Steigerung des Volumennutzungsgrads verwendet CASTN zwei Algorithmen. Einer nutzt einen evolutionären Ansatz, um damit unterschiedliche Kartonsätze auf Basis von Parametern – wie zum Beispiel die minimalen oder maximalen Abmessungen oder die Anzahl der zulässigen Kartons – zu erstellen. Der zweite Algorithmus, der Bin-Packing-Algorithmus, ist dafür verantwortliche, dass die bestellte Ware effizient in die zuvor ausgewählten Kartonagen verpackt werden. Immer unter der Vorgabe, mit der zu verpackenden Ware das minimale Packvolumen mit dem kleinsten Gesamtvolumen abzubilden. Die Software bewertet am Endes dieses Vorgangs jeden einzelnen Karton des Sets und überprüft, inwieweit das Innenvolumen durch den bestehenden Auftrag genutzt wurde. Diese Daten wiederum fließen in den evolutionären Algorithmus. Dieser stellt über das Scoring der Kartons neue und bessere Sets zusammen. Dieser Prozess läuft so lange, bis keine weitere Verbesserung des Volumennutzungsgrads mehr erreicht wird. “Die Kunden kennen den Volumennutzungsgrad ihrer Kartons häufig nicht, dieser liegt meist nur bei rund 30 %. Sie wissen nicht, wie viel Luft sie verschicken. Das berechnet unsere Software“, sagt der Forscher. Nach der Optimierung erfolgt die Analyse und Beratung mit dem Kunden, um die über CASTN optimierten Kartonsets auszuwählen.
Dass CASTN zu einer deutlichen Verpackungsoptimierung führt, zeigen mehrere Industriepartner mit jeweils eigenem Onlinehandel. Diese haben bereits von der Kartonset-Optimierung profitiert und konnten ihre Volumenauslastung – bei einer gleichzeitiger Reduzierung der Kartonvarianten – um 35 % bis 45% steigern.
So wird der E-Commerce umweltfreundlicher
Zukünftig will das Team um Lukas Lehmann den funktionalen Umfang von CASTN um komplexe Geometrien von Waren und um zusätzliche Artikeleigenschaften erweitern. “Mit CASTN wollen wir mehr Nachhaltigkeit in der Logistik fördern. Durch optimal abgestimmte Kartonsets lassen sich Verpackungs- und Füllmaterial reduzieren. Das führt zu einer besseren Auslastung der Lkws, kann Platzverschwendung vermeiden und CO2-Emissionen senken“, sagt Lehmann. Nach seiner Ansicht können versendende Unternehmen durch die Nutzung von CASTN einen bedeutenden Beitrag zum Umweltschutz leisten und darüber hinausgehend auch Verpackungs- und Transportkosten einsparen.