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Dienstleistungen für sichere Technik 11.05.2023, 14:40 Uhr

Neue Maschinenverordnung: wichtige Änderungen für Hersteller und Betreiber

Im Juli 2023 soll die europäische Maschinenverordnung veröffentlicht werden, die zahlreiche neue Bestimmungen enthält. Unterstützung für betroffene Unternehmen bietet ein Prüf- und Zertifizierungsdienstleister, der hierbei und in vielen weiteren Feldern aktiv ist.

Die europäische Maschinenverordnung (MVO) wird die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ersetzen. Die neue MVO enthält zahlreiche Änderungen zur Maschinensicherheit, die Hersteller und Betreiber beachten müssen. Sie ist unmittelbar nach ihrer Verabschiedung in allen EU-Staaten gültig und 42 Monate nach dem Inkrafttreten verbindlich anzuwenden.

Was ist neu?

Die „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maschinenprodukte“ ist zukünftig das für Hersteller verbindliche Regelwerk, was die Maschinensicherheit in der Europäischen Union betrifft. Sie definiert verbindliche Anforderungen an die Konstruktion, den Bau und die Inbetriebnahme von Maschinen und verwandten Produkten. Sie sorgt damit auch für mehr Rechtssicherheit.

„Mit der Maschinenprodukteverordnung hat die Europäische Union ihr Regelwerk an den aktuellen Stand der Technik angepasst“, sagt dazu Pascal Staub-Lang, Leiter des Center of Competence Maschinensicherheit der TÜV SÜD Industrie Service GmbH. „Dafür wurden im Vergleich zur aktuellen, noch gültigen Maschinenrichtlinie die Inhalte erweitert und in einigen Punkten konkretisiert.“ Durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung sind auch neue Sicherheitsrisiken entstanden, die von der bisherigen Maschinenrichtline nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden.

Die europäische Maschinenverordnung wird die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ersetzen. Sie enthält zahlreiche Änderungen zur Maschinensicherheit, die Hersteller und Betreiber beachten müssen.

Foto: TÜV SÜD

Cybersecurity ist für „Maschinenprodukte“ jetzt ein Schwerpunkt

„Die wichtigsten Änderungen der MVO betreffen genau diesen Bereich“, so Staub-Lang. Die neue Verordnung enthält unter anderem Anforderungen für die Cybersecurity von Sicherheitssteuerungssystemen und konformitätsbezogener Software, für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz bei Sicherheitsfunktionen sowie für autonome und ferngesteuerte Maschinen. Ein weiteres Beispiel sind kollaborative Roboter bzw. Cobots.

Zudem wird mit der MVO auch der Begriff der „wesentlichen Änderung“ auf der europäischen Ebene eingeführt. Hier besteht nach Aussage des TÜV SÜD-Experten allerdings noch Klärungsbedarf: „„Wir müssen abwarten, wie sich die Auslegung des Begriffs der wesentlichen Änderung in der MVO in der konkreten Anwendung darstellt und welche Auswirkungen dies insbesondere für Betreiber haben wird.“

Eine weitere wichtige Änderung der MVO ist die verpflichtende Konformitätsbewertung für sechs Produktkategorien durch eine benannte Stelle. „Das betrifft konkret gelistete Maschinen und verwandte Produkte, deren Einsatz mit besonders hohen Risiken verbunden sind“, erklärt Staub-Lang. Dazu gehören beispielsweise Fahrzeughebebühnen oder selbstlernende bzw. teilweise selbstlernende Maschinen. Die Konformitätsbewertung für diese Produkte beinhaltet auch eine Baumusterprüfung. Die Hoch-Risiko-Produkte sind in Anhang I, Teil A der Maschinenverordnung gelistet.

Verpflichtungen für alle Marktbeteiligten

Auch der Anwendungsbereich der MVO wurde erweitert. Die neue Verordnung erfasst die gesamte Lieferkette und nennt konkrete Verpflichtungen für alle Marktbeteiligten. Damit müssen sich in Zukunft beispielsweise auch Händler von Maschinen und von Gebrauchtmaschinen stärker mit diesem Thema auseinandersetzen. Auf der anderen Seite bringt die Maschinenverordnung auch Erleichterungen. So sollen der Verwaltungsaufwand und die Kosten für Maschinenhersteller durch die Möglichkeit zur Digitalisierung von Montage- und Betriebsanleitungen sowie der EU-Konformitätserklärung deutlich reduziert werden.

In der Zertifizierung von Druckgeräten und Komponenten ist der Dienstleister traditionell aktiv. Jüngstes Beispiel: Für den britischen Markt ist in Zukunft eine „UKCA“-Kennzeichnung verpflichtend, das notwendige Know-how wird dazu vermittelt.

Foto: TÜV SÜD

Das genaue Datum für das Inkrafttreten der neuen MVO ist noch nicht bekannt. Nachdem das Europäische Parlament die Verordnung am 18. April 2023 verabschiedet hat, wird mit der Veröffentlichung im Juli 2023 gerechnet. Das Inkrafttreten erfolgt 20 Tage nach der Bekanntgabe im Amtsblatt der Europäischen Union. Die Frist bis zur Anwendung soll 42 Monate betragen. Sie beginnt mit dem offiziellen Inkrafttreten der Verordnung. „Erfahrungsgemäß werden sich die meisten Hersteller aufgrund der Übergangsfrist nur langsam mit den neuen Vorgaben zum Inverkehrbringen und zur Inbetriebnahme von Maschinen und Maschinenprodukten auseinandersetzen“, sagt Pascal Staub-Lang. „„Aber da die Umsetzung voraussichtlich viel Zeit in Anspruch nehmen wird, sollten sich die betroffenen Unternehmen sehr frühzeitig mit der neuen Verordnung auseinandersetzen.„

Konferenz zur neuen Maschinenverordnung

Über „Gefährliche Produkte: Einbindung der Notified Bodies“ spricht Rudolf Bültermann von der TÜV SÜD Industrie Service GmbH auf der Konferenz „Neue EU-Maschinenverordnung 2023“, die am 16. Mai 2023 im Rahmen der „Maschinebautage Köln“ stattfindet. Weitere Informationen zu den Maschinenbautagen und zur Konferenz gibt es unter http://www.maschinenbautage.eu/konferenzen.

Zusatzinformationen zur neuen europäischen Maschinenverordnung gibt es bei TÜV SÜD. Diese können unter E-Mail: maschinensicherheit@tuvsud.com angefordert werden.

Entwicklungen beim TÜV SÜD

Im Jahr 1866 als Dampfkesselrevisionsverein gegründet, ist TÜV SÜD heute ein weltweit tätiges Unternehmen. Mehr als 26.000 Mitarbeitende sorgen an über 1.000 Standorten in rund 50 Ländern für die Optimierung von Technik, Systemen und Know-how. Sie leisten einen Beitrag dazu, technische Innovationen wie Industrie 4.0, autonomes Fahren oder Erneuerbare Energien sicher und zuverlässig zu machen. Das Unternehmen hat jüngst seine Zahlen präsentiert: Der internationale Dienstleistungskonzern steigerte seinen Umsatz im Jahr 2022 um 7,3 Prozent auf rund 2,9 Milliarden Euro, während das Ergebnis aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen um 13,4 Prozent auf 195 Millionen Euro zurückging.

Der führende internationalen Anbieter für Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsdienstleistungen ist seit Jahren auf einem Wachstumskurs. Wichtigste Voraussetzung sei die Fähigkeit, technische und gesellschaftliche Entwicklungen zu verstehen und das Leistungsspektrum entsprechend anzupassen – beziehungsweise ganz neue Lösungen für wichtige Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu entwickeln.

Moderne Anwendungsfelder: In Ottobrunn wird Europas erste Hyperloop-Teststrecke in Originalgröße im Auftrag der Technischen Universität München (TUM) gebaut. TÜV SÜD wird die Prototypen der Teströhre und der Kapsel auf Basis der weltweit ersten Guideline für Hyperloop-Technologien zertifizieren.

Foto: TÜV SÜD/TUM

Digitalisierung bestimmt auch das Dienstleistungsportfolio

Ein Innovationsschwerpunkt liegt aktuell auf der Entwicklung und Weiterentwicklung von Dienstleistungen im Umfeld der Digitalisierung. „Hier bieten wir beispielsweise Lösungen für den Schutz von Unternehmen und kritischen Infrastrukturen vor Cyberattacken, begleiten Hersteller aus dem Automobilbereich bei Pilotprojekten zum autonomen Fahren und bewerten als Notified Body die sichere Integration von Künstlicher Intelligenz in Medizinprodukten“, berichtete Dr. Bussmann, der kürzlich vom Aufsichtsrat der TÜV SÜD AG mit Wirkung zum 1. Januar 2023 zum neuen Vorstandsvorsitzenden bestellt wurde. Die Anwendung von Künstlicher Intelligenz wird nach Aussage von Dr. Bussmann die Abläufe in vielen Branchen entscheidend verändern. Dafür wurde jüngst ein erstes Qualitätsmanagementsystem entwickelt, das die Anforderungen von bestehenden Regelwerken und Standards zusammenfasst.

Ein hochaktuelles Feld derzeit ist auch: Betreiber von überwachungsbedürftigen Anlagen müssen Maßnahmen gegen Cybergefährdungen festlegen. Denn die Anforderungen an die Security werden deutlich konkretisiert. Mögliche Gefährdungen der Anlagen durch Cyberangriffe sind durch die Betreibenden zu ermitteln und wirksame Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Und die „Zugelassenen Überwachungsstellen“ (ZÜS) werden zukünftig überprüfen, ob Cyberbedrohungen im Zusammenhang mit dem sicheren Betrieb ausreichend behandelt wurden.

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