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Sichere Verbindungstechnik 10.03.2022, 10:40 Uhr

Qualitätssicherung von A–Z in der Schraubmontage

Schraubverbindungen müssen sicher und zuverlässig funktionieren, um zum Beispiel die Funktion von Maschinen oder Fahrzeugen zu gewährleisten. Doch wie lassen sich die Schrauben, Werkzeuge und Verbindungen effizient prüfen?

Schraubenprüfstand für "große Kaliber": Von kleinsten Exemplaren für die Medizin- oder Elektrotechnik bis zu Großschrauben für den Bau oder die Windkrafttechnik lässt sich auf den Anlagen alles prüfen. Foto: Kistler

Schraubenprüfstand für "große Kaliber": Von kleinsten Exemplaren für die Medizin- oder Elektrotechnik bis zu Großschrauben für den Bau oder die Windkrafttechnik lässt sich auf den Anlagen alles prüfen.

Foto: Kistler

Wenn Schraubverbindungen versagen, können in aller Regel Zusatzkosten, Rückrufaktionen oder Regressforderungen kaum vermieden werden. Da es sich bei einer derartigen Verbindung um eine lösbare Fügetechnik handelt, ist sie in der Industrie besonders beliebt findet einen sehr häufigen Einsatz im Maschinenbau, Automobilbau und vielen weiteren Branchen.

Wie funktioniert eine Schraubverbindung?

Bei einer konventionellen Schraubverbindung werden zwei oder mehrere Bauteile durch Form- und Kraftschluss miteinander verbunden. Beim Anziehen einer Schraube entsteht im Schraubenschaft eine Zugkraft, an den zu fügenden Teilen dagegen entstehen Druckkräfte (Vorspannkräfte). Beim Anziehen wird über den Schlüssel ein Drehmoment erzeugt. Die Bauteile werden gegeneinander verspannt und in allen Trennfugen ein Reibschluss erzeugt. Bei einer richtig ausgelegten Schraubverbindung ist die Vorspannkraft so groß, dass alle auftretenden Belastungen nicht zu einer Relativbewegung zwischen den Bauteilen führen können. Andererseits darf die Vorspannkraft nicht so groß gewählt werden, dass im Betriebsfall zulässige Spannungen überschritten werden.

Bei hoher Risikoeinstufung der Anwendung wird das Schraubwerkzeug einmal pro Schicht geprüft – dabei kommt ein mobiles Mess- und Auswertegerät wie das gezeigte „Inspectpro“ zum Einsatz.

Foto: Kistler

Im Interview mit der VDI-Z erklärt Wilfried Blechmann, Leiter der Business Line Fastening Technology bei Kistler, was bei der Qualitätssicherung in der Schraubtechnik wichtig ist und welche Systeme die Anwender bei jedem Schritt effektiv unterstützen.

Herr Blechmann, Schrauben gibt es schon seit rund 700 Jahren, seit den 1930-er-Jahren sind sie im DIN-Normenkatalog aufgenommen. Warum ist diese bewährte Verbindungsmethode auch heute noch ein Thema?

Wilfried Blechmann: Aus zwei guten Gründen: zum einen ist die Schraubverbindung die einzige Verbindungsmethode, die ohne Zerstörung lösbar und im Regelfall wiederverwendbar ist. Auch gibt es Schrauben immer kleiner und leichter, was sie vielseitig einsetzbar macht. Sie haben deshalb auch heute ihren Platz in der Industrie 4.0 – von der Automobil- und Flugzeugbranche über die Medizin-, Elektro- und Windkrafttechnik bis zum Bausektor und vielen weiteren Industriezweigen.

Wilfried Blechmann ist als Leiter der Business Line „Fastening Technology“ ein ausgewiesener Experte für alle Fragen rund um die Qualitätssicherung von Schraubprozessen.

Foto: Kistler

Zum anderen ist der Sicherheitsaspekt ein großes Thema bei Verschraubungen. Denken Sie an den tonnenschweren Container, der am Baukran hängend über einen belebten Platz hinweg transportiert wird – gehalten von nur wenigen Schrauben. Oder an die vielen sicherheitsrelevanten Schraubverbindungen am Auto, etwa für Räder, Achsen, Getriebe, Türen, Bremsen sowie für Sicherheitsgurte und Airbags.

Was müssen Hersteller beachten, die Schrauben in der Fertigung verwenden?

Das geforderte Maß an Qualität ist hoch, deshalb müssen Hersteller ihre Schraubtechnik lückenlos überwachen. Sie müssen die Qualitätssicherung bei den Schrauben selbst, den Werkzeugen und den Schraubverbindungen der montierten Bauteile konsequent und in der geforderten Häufigkeit durchführen – je nach Anwendung beispielsweise das Werkzeug einmal pro Schicht prüfen. Und sie müssen alles dokumentieren, damit sie beispielsweise bei einer Untersuchung nach einem Autounfall nachweisen können, dass sie die Schraubverbindung des Sicherheitsgurts nach den geltenden Normen geprüft haben.

Mit dem Reibwertprüfstand lassen sich die wichtigen Messgrößen für die Qualität der Schraubverbindung kontrollieren.

Foto: Schatz GmbH ©berndgabriel

Die Grundlage dafür, wie die Qualitätssicherung durchzuführen ist, ist in der DIN EN ISO 9001 dargelegt. Selbstverständlich müssen auch die zur Qualitätssicherung eingesetzten Messgeräte und Systeme regelmäßig kalibriert werden. In Fällen, wo die messtechnische Rückführbarkeit gefordert oder angezeigt ist, um das Vertrauen in die Gültigkeit der Messergebnisse zu untermauern, muss dies in einem nach DIN EN ISO 17025 akkreditierten Labor geschehen. Diese Kalibrierungen müssen je nach Risikoeinstufung in Intervallen von drei Monaten bis zwei Jahren wiederholt werden.

Es gibt zahlreiche Normen und Regelwerke in diesem Bereich. In welchen Fällen gelten denn welche?

Je nach Verwendungszweck der Schraubverbindungen erstellen die Hersteller ein Prüfkonzept, das die für ihre Anwendung relevanten Normen umfasst. Wichtige, aus der ISO 9000er Reihe abgeleitete Normen und Richtlinien sind etwa VDI 2862 Blatt 2 über die Mindestanforderungen zum Einsatz von Schraubsystemen und Werkzeugen, VDI 2645 Blatt 2 zur Maschinenfähigkeitsuntersuchung und VDI 2230 zur systematischen Berechnung hoch beanspruchter Schraubenverbindungen.

Hinzu kommen häufig spezifische Anforderung der Kunden. Die genannte VDI-Richtlinie 2862 gibt auch eine Einteilung der Schraubverbindungen in die Kategorien A, B oder C vor. A bedeutet Gefahr für Leib und Leben, bei B geht es um Funktionseinschränkung und in Kategorie C fallen Schraubverbindungen, die bei einem Fehler keine Gefahr, sondern ein Kundenärgernis darstellen. Die Prüfvorgaben für die Schraubverbindungen der Kategorie A und B sind naturgemäß strenger als diejenigen der Kategorie C.

Die Verbindungselemente werden in einem darauf spezialisierten Prüfstand kontrolliert.

Foto: Kistler

 

… und welches sind die wichtigsten Prüfgrößen?

Verschiedene Größen wie Reibwert, Vorspannkraft und Drehmoment sind relevant für die Qualität der Schraubverbindung. Die Vorspannkraft ist für die Stabilität einer Verbindung entscheidend und ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Drehmoment, Drehwinkel und den Reibwerten der beteiligten Oberflächen. Diese Parameter müssen kontinuierlich überwacht werden. Wichtig ist auch die Dokumentation und Archivierung sämtlicher Daten, um im Falle von Regressforderungen die erforderlichen Nachweise erbringen zu können.

Welche Vorteile haben erprobte, spezialisierte Lösungen zur Prüfung?

Ein entscheidender Vorteil ist sicherlich, dass ein qualifizierter Anbieter wie Kistler Systeme, Beratung und Services für die Qualitätssicherung des gesamten Schraubprozesses bietet. Kunden bekommen Unterstützung „von A–Z“, angefangen beim Erstellen des Prüfkonzepts über die Durchführung der Qualitätssicherung wie auch bei Dokumentation und Archivierung.

Ein Vibrationsprüfstand der Spezialisten bewährt sich bei ZF in Friedrichshafen.

Foto: Kistler

Unsere Prüfspezialisten machen zudem häufig kundenspezifische Anpassungen – beispielsweise wenn es räumlich beengt ist, es zwei Systeme braucht oder eine mobile Messlösung nötig ist. Ein weiterer gewichtiger Vorteil ist: Wir sind nach DIN EN ISO 17025 sowohl als stationäres Laboratorium als auch für den Einsatz vor Ort akkreditiert und können die vorgeschriebene Rekalibrierung der Mess- und Prüfgeräte direkt beim Kunden vornehmen. Das aufwendige Einsenden der Geräte, die dann für einige Zeit in der Produktion nicht zur Verfügung stehen, entfällt damit.

Das breite Portfolio an Prüfsystemen in der Schraubtechnik umfasst Geräte, um die Schrauben selbst, die Werkzeuge und die Schraubverbindungen zu prüfen. Die Systeme und die dazugehörige Software erfassen alle gemessenen Werte und dokumentieren die Ergebnisse in einer übersichtlichen Darstellung. Benutzungsfreundliche Softwaremodule helfen, die Aufgaben zu verwalten und alle relevanten Daten zu den Prüfaufgaben zu hinterlegen. Kurz gesagt: Die Anwender bekommen alles Notwendige für eine sichere Schraubverbindung aus einer Hand: Prüfsysteme, die entsprechende Hard- und Software sowie eine hohe Servicequalität, inklusive der rückführbaren Rekalibrierungen vor Ort beim Kunden.

Entwicklungspartner für Messtechnik und mehr

Kistler mit Hauptsitz in Winterthur, Schweiz, ist Weltmarktführer für dynamische Messtechnik zur Erfassung von Druck, Kraft, Drehmoment und Beschleunigung. Als erfahrener Entwicklungspartner erlaubt das Unternehmen seinen Kunden in Industrie und Wissenschaft, Produkte und Prozesse zu optimieren und nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Das inhabergeführte Schweizer Unternehmen gestaltet durch seine fortschrittliche Sensortechnologie zukünftige Innovationen in der Automobilentwicklung und Industrieautomation sowie zahlreichen aufstrebenden Branchen mit. Dank des breiten Anwendungswissen und besonderem Qualitätsanspruch wird ein Beitrag zur Weiterentwicklung aktueller „Megatrends“ geleistet. Dazu gehören Themen wie elektrifizierte Antriebstechnologie, autonomes Fahren, Emissionsreduktion und Industrie 4.0.

Das Geschäftsfeld „Schraubtechnik“ gehört seit 2016 dazu: Mit der Übernahme der Schatz GmbH in Remscheid vertieft Kistler sein Applikations-Know-how rund um die Überwachung und Kontrolle von Schraubverbindungen. Rund 2.050 Mitarbeitende an über 60 Standorten weltweit widmen sich der Entwicklung neuer Lösungen und bieten anwendungsspezifische Services vor Ort. Seit der Gründung 1959 wächst die Gruppe gemeinsam mit ihren Kunden und erzielte 2020 einen Umsatz von 361 Millionen Schweizer Franken. Rund 9 Prozent davon fließen zurück in Forschung und Technologie.

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