Explosionsschutzdokumente – damit es nicht zum großen Knall kommt
Eine Problematik in vielen Industrieunternehmen ist die potenzielle Entstehung von explosionsfähigen Gemischen. Weil diese nur einen Funken brauchen, um eine Explosion auszulösen, müssen Betriebe eine Gefährdungsbeurteilung und ein Explosionsschutzdokument erstellen.
Die Gefährdungsbeurteilung und das Explosionsschutzdokument müssen stets auf dem aktuellen Stand gehalten werden – so sind die Auflagen. Doch nicht immer ist die Expertise dafür im Unternehmen vorhanden. Die Kernkompetenz beispielsweise eines Zerspanungsbetriebs, der unter anderem auch Lösungsmittel und ölbasierte Kühlschmierstoffe für seine Produktionsabläufe benötigt, liegt nicht unbedingt auf dem Gebiet der Chemikalien- und der Explosionsschutzbestimmungen. Hier kann ein erfahrener externer Partner wie zum Beispiel der TÜV unterstützen.
Wie kommt es zu Explosionen?
Explosionen, dadurch entstehende hohe Temperaturen, Druckwellen sowie weggeschleuderte Teile von Anlagen oder Fenstern stellen eine große Gefahr für Mensch und Material dar. Zerstörte Anlagen bedeuten für Unternehmen massive wirtschaftliche Schäden, Unfälle mit Verletzten oder gar Toten können strafrechtliche Folgen haben und Reputationsschäden können langfristig die Konsequenz sein. Explosionsschutz liegt deswegen im Eigeninteresse jedes Betriebs. Darüber hinaus stellt der Ex-Schutz eine gesetzliche Notwendigkeit dar; die Anforderungen dafür werden vom Gesetzgeber genau geregelt.
Damit es zu einer Explosion kommt, müssen folgende Bedingungen zusammentreffen: brennbare Stoffe wie Gase, Dämpfe oder Stäube, ein Oxidationsmittel wie Sauerstoff, die Bildung des sogenannten gefährlichen, explosionsfähigen Gemischs, in dem sich brennbare Stoffe mit dem Oxidationsmittel vermengen und eine Zündquelle, etwa Funken, Flammen oder elektrostatische Entladungen. Die Flammen breiten sich selbständig aus und Temperatur und Druck steigen sprunghaft an.
Das Explosionsschutzdokument und seine Inhalte
Können nun ohne Anwendung von Schutzmaßnahmen diese gefährlichen explosionsfähigen Gemische entstehen oder vorhanden sein, fordert der Gesetzgeber nach § 6 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ein Explosionsschutzdokument. Die Unternehmensleitung ist – unabhängig von der Zahl der Beschäftigten – zur Erstellung verpflichtet. Es muss vorliegen, bevor die Tätigkeiten beginnen, bei denen gefährliche explosionsfähige Gemische vorhanden sein oder entstehen können. Ein solches Explosionsschutzdokument ist auch erforderlich, wenn technische oder organisatorische Maßnahmen wie Absauge- oder Lüftungsanlagen installiert werden, die die Entstehung der gefährlichen Gemische verhindern sollen.
Aus dem Explosionsschutzdokument muss hervorgehen, dass die Explosionsgefährdungen ermittelt und bewertet wurden. Es beinhaltet das Explosionsschutzkonzept, das darlegt, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen dagegen getroffen wurden. Für alle identifizierten Explosionsgefährdungen müssen Schutzmaßnahmen definiert werden. Das Dokument legt außerdem dar, ob und welche Räume in explosionsgefährdete Bereiche eingeteilt und für welche Bereiche Explosionsschutzmaßnahmen getroffen wurden. Nicht zuletzt geht aus dem Dokument hervor, welche Prüfungen durchzuführen sind.
Insgesamt stellt das Explosionsschutzdokument eine gesonderte Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung dar: Seine Inhalte sind Teil der umfassenden Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und der damit verbundenen Gefährdungsbeurteilung nach § 6 Gefahrstoffverordnung.
Die Gefährdungsbeurteilung
Mit der Gefährdungsbeurteilung werden potenzielle Gefahrenquellen wie gefährliche Stoffe und explosionsfähige Atmosphären bewertet. Zuerst muss ein Überblick über Arbeitsstätte und Arbeitsbereiche, Verfahrensschritte und Tätigkeiten sowie die eingesetzten Stoffe bzw. sicherheitstechnischen Kenngrößen geschaffen werden. Es wird ermittelt, wo eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann. Dies erfolgt gemäß dem Ablaufschema DGUV-I 213–106: Dabei werden Fragen wie „Sind brennbare Stoffe vorhanden?“ oder „Kann eine explosionsfähige Atmosphäre entstehen?“ beantwortet.
Unter anderem wird dabei zwischen dem Inneren von Anlagenteilen und der Umgebung unterschieden. Außerdem müssen neben dem Normalbetrieb auch An- und Abfahren, Reinigung von Anlagen sowie Betriebsstörungen berücksichtigt werden. Eventuell muss die Vorgehensweise bei Verfahrens- oder Produktänderungen einbezogen werden. Schutzmaßnahmen können unter anderem Vorkehrungen sein, die die Bildung explosionsfähiger Gemische und ihre Entzündung verhindern, oder aber konstruktive Maßnahmen, die die Auswirkungen einer Explosion beschränken. Sie werden festgelegt und umgesetzt.
Einteilung der Betriebsbereiche in Ex-Zonen
Verhindern Schutzmaßnahmen nicht die Bildung gefährlicher, explosionsfähiger Gemische, müssen Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um ihre Entzündung zu verhindern: Dafür werden die betroffenen Bereiche in sogenannte „Ex-Zonen“ eingeteilt. Unterschieden wird dabei zwischen einer explosionsgefährdeten Atmosphäre durch brennbare Substanzen wie Gas, Dämpfe oder Nebel (gasexplosionsgefährdete Bereiche) und brennbaren Staub. Es gibt sechs Zonen: Zone 0,1 und 2 beziehen sich auf erstere und geben wider, ob eine explosionsfähige Atmosphäre ständig oder langzeitig vorhanden, im normalen Betrieb oder nur selten oder kurzzeitig auftreten kann. Zone 20, 21 und 22 geben an, ob eine explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke brennbaren Staubes in Luft ständig, langzeitig oder häufig vorhanden ist, ob sie im Normalbetrieb gelegentlich auftritt oder nicht damit zu rechnen ist (bzw. nur kurzzeitig). Im Ergebnis werden die explosionsgefährdeten Bereiche (Zonen) in Textform oder grafisch als Zonenplan dargestellt.
Aktualisierung der Explosionsschutzdokumente
Die Schutzmaßnahmen müssen zudem in ihrer Wirksamkeit überprüft und die Gefährdungsbeurteilung fortgeschrieben werden: § 6 der Gefahrstoffverordnung schreibt vor, dass die Gefährdungsbeurteilung und damit auch das Explosionsschutzdokument regelmäßig überprüft und aktualisiert werden muss. Wie oft die Prüfung erfolgt, legt die Unternehmensleitung betriebsbezogen fest.
Eine umgehende Anpassung ist immer dann notwendig, wenn sich sicherheitsrelevante Veränderungen der Arbeitsbedingungen, Arbeitsmittel, Anlage oder der eingesetzten oder entstehenden Stoffe ergeben haben. Ebenfalls, wenn sich Änderungen einer Anlage oder eines Arbeitsplatzes im explosionsgefährdeten Bereich auf das Explosionsschutzkonzept auswirken oder neue Informationen, insbesondere Erkenntnisse aus dem Unfallgeschehen vorliegen. Außerdem muss eine Aktualisierung erfolgen, wenn die Prüfung von Eignung und Funktion der Schutzmaßnahmen ergeben hat, dass sie nicht wirksam oder nicht ausreichend sind. Ob und inwieweit der Explosionsschutz dabei eine Rolle spielt, muss die Unternehmensleitung beurteilen.
Das Explosionsschutzdokument sollte auch bei einer Organisationsänderung angepasst werden. Ist keine Aktualisierung erforderlich, wird auch das mit Datumsangabe vermerkt. Es ist daher sinnvoll, es mit dem Datum der Erstellung und der letzten Überprüfung bzw. der letzten Änderung zu versehen, um die Aktualität nachweisen zu können.
Der Fachkundenachweis: worauf kommt es an?
Die Gefahrstoffverordnung (§ 2 Abs. 16 und § 6) schreibt vor, dass eine Gefährdungsbeurteilung und die Festlegung geeigneter Schutzmaßnahmen nur von einer fachkundigen Person durchgeführt werden darf. Als fachkundig gilt, wer über die dafür erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Die Anforderungen hängen wiederum von der Art der Aufgabe ab: Dazu können eine Berufsausbildung zählen, Berufserfahrung oder spezifische Fortbildungen.
Über Fachkunde im Bereich Explosionsschutz verfügen beispielsweise Personen mit naturwissenschaftlichem Studium und tätigkeitsbezogener Erfahrung. Sind diese im Betrieb nicht vorhanden, müssen Unternehmen Externe hinzuziehen, zum Beispiel Experten der gesetzlichen Unfallversicherung, aus staatlichen Ämtern oder der Privatwirtschaft. Ex-Schutz-Dokumente können von fachkundigen Unternehmen erstellt werden. Das Geschäftsfeld zum Beispiel von TÜV Hessen ist breit aufgestellt, was gerade bei komplexen Anlagen von Vorteil sein kann (www.tuev-hessen.de/63/ex-anlagen/s/explosionsschutzdokument-und-explosionsschutz/).
Nicht nur lästige Pflicht: Vorteile und Nutzen der Dokumentation
Die Erstellung von Explosionsschutzdokumenten ist nicht nur eine Pflichtaufgabe, sie bringt den Verantwortlichen in Fertigungsbetrieben auch Nutzen: Alle Tätigkeiten und Prozesse werden auf Explosionsgefährdungen hin überprüft, um Schutzmaßnahmen festzulegen. Dies unterstützt dabei, Einschätzungen zu objektivieren, Informationslücken zu schließen und Unterlagen zu vervollständigen. Das Explosionsschutzdokument erleichtert zudem die Anpassung von Schutzmaßnahmen, die Organisation von Prüfungen, die Anfertigung von Betriebsanweisungen und nicht zuletzt die Unterweisung der Beschäftigten.
Fazit
Vollständige und aktuelle Explosionsschutzdokumente sind nicht nur ein Beitrag zum Arbeitsschutz in Unternehmen (und daher gesetzlich vorgeschrieben). Sondern sie sind essenziell für die Sicherheit in Unternehmen, in denen explosionsfähige Gemische entstehen können. Sie stellen sicher, dass alle möglichen Gefährdungen identifiziert und bewertet werden, und dass geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Die regelmäßige Aktualisierung dieser Dokumente ist entscheidend, um auf Veränderungen und neue Erkenntnisse zu reagieren und somit die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen zu gewährleisten. Unternehmen sollten jedoch sicherstellen, dass fachkundige Personen, gegebenenfalls externe Experten, die Erstellung und Aktualisierung der Explosionsschutzdokumente übernehmen. Damit kommen Unternehmen nicht nur ihrer gesetzlichen Pflicht zum Arbeitsschutz nach, sondern sie sorgen für die Vermeidung wirtschaftlicher Schäden und Reputationsverluste.
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Markus Ellenberger ist Abteilungsleiter Umwelttechnik bei der TÜV Technische Überwachung Hessen GmbH in Darmstadt.