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Kreislaufwirtschaft vorantreiben 28.11.2023, 15:21 Uhr

Forschung und Industrie fokussieren gemeinsam die nachhaltige Produktion

„Mit technologiebasierter und nachhaltiger Produktion zur Kreislaufwirtschaft“, so lautete das Motto des Jahreskongresses 2023 der WGP (Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik e.V.). Auch der wissenschaftliche Nachwuchs bekam Gelegenheit, vielversprechende neue Ansätze zum Thema vorzustellen.

WGP-Jahreskongress 2023: Podiumsdiskussion bei der Firma fischer (Referenten von links nach rechts: Prof. Dr. Erich Zahn, Prof. Dr. Alexander Sauer, Andreas Voll (Vorsitzender der Geschäftsführung), Dr. Kurt Schmalz. Foto: Fotoatelier Ebinger

WGP-Jahreskongress 2023: Podiumsdiskussion bei der Firma fischer (Referenten von links nach rechts: Prof. Dr. Erich Zahn, Prof. Dr. Alexander Sauer, Andreas Voll (Vorsitzender der Geschäftsführung), Dr. Kurt Schmalz.

Foto: Fotoatelier Ebinger

In Freudenstadt präsentierten Ende November 2023 Forschende aus der WGP und Unternehmensvertreter neue Ideen und produktionstechnische Ansätze, um aktuelle Herausforderungen wie den Klimawandel und die Ressourcenknappheit zu meistern. Sie deckten eine breite Spanne an Themen ab: Dies reichte von Energie- und Materialeffizienz über resiliente Wertschöpfungssysteme und die neuesten Aspekte der Kreislaufwirtschaft bis hin zur Digitalisierung als „Enabler“-Technologie.

Die WGP ist ein Zusammenschluss führender deutscher Professorinnen und Professoren der Produktionswissenschaft. Sie vertritt die Belange von Forschung und Lehre gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Sie vereinigt 72 Professorinnen und Professoren aus 43 Universitäts- und Fraunhofer-Instituten und steht für gut 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die WGP hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung der Produktion und der Produktionswissenschaft für die Gesellschaft und für den Standort Deutschland herauszustellen. Dies reicht von gesellschaftlich relevanten Themen über Industrie 4.0, Energieeffizienz und umweltschonende sowie resiliente Produktion bis hin zu 3D-Druck.

Wie lässt sich der Standort Deutschland sichern?

„Nachhaltigkeit werden wir nur technologiebasiert erreichen können, und der diesjährige WGP-Kongress hat den hierfür notwendigen Innovationsraum sehr präzise umrissen. Er hat die Themenfelder wissenschaftlich erarbeitet sowie eine Vielzahl anwendungsnaher Lösungen präsentiert“, sagte WGP-Professor Thomas Bauernhansl vom Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart.

In der Eröffnungs-Keynote erläuterte Dr. Kurt Schmalz, geschäftsführender Gesellschafter der J. Schmalz GmbH aus Glatten, dass die marktführende mittelständische Unternehmensgruppe bestehende Produkte und Verfahren kontinuierlich weiterentwickelt und neueste Technologien schnell adaptiert. Das wiederum erlaube es dem Unternehmen, eine globale Vorreiterrolle im Bereich wettbewerbsfähiger und umweltneutraler Produktion einzunehmen. „Gelebte“ Nachhaltigkeitsansätze sind bereits seit Jahrzehnten eine zentrale Säule der Unternehmenskultur. Ein aktuelles Forschungsprojekt, an dem das Unternehmen beteiligt ist, heißt „ReduCO2“ – als Teilprojekt von „H2BlackForest“, in dem die Nutzung von Wasserstofftechnologien in der Region Nordschwarzwald erforscht und weiterentwickelt werden.

Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft seien nicht nur für das gesunde Fortbestehen auf der Erde notwendig, sondern auch eine unternehmerische Pflicht, um sich zukunftsfähig aufzustellen – dies erläuterte Maximilian Bronner, Geschäftsführer Produktion und Technik fischerwerke GmbH. „Unter dem Druck steigender Kosten sowie dem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern sorgt nur eine effizientere Produktion mit schlanken Prinzipien für die Aufrechterhaltung des Standorts Deutschland“, mahnte er.

Schüler besuchen auf der EMO Hannover 2023 die Sonderschau Bildung: Auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist ein Kernanliegen der WGP.

Foto: Deutsche Messe AG

Aus diesem Grund werden Lean-Prinzipien im „fischer Prozesssystem“ (fPS) beschrieben und bei Prozessverbesserungen nachhaltig integriert. Die Varianz der Endprodukte wurde zudem um mehr als 70 Prozent reduziert, was sich positiv auf Bereiche wie Flächenproduktivität, Energieeffizienz und Produktionskosten auswirkt. Dank der Digitalisierung der Produktion werden Steuerungsprozesse und Fertigung transparenter. „Die Transparenz schafft die Grundlage für eine fortschreitende Entwicklung im Sinne des Lean-Gedankens über die bekannten Grenzen hinaus“, so Bronner.

Kautschuk effizienter verarbeiten

Der WGP-Jahreskongress gibt traditionell Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren. In diesem Jahr wurden insgesamt 74 „Paper“ ausgewählt, die als besonders vielversprechend angesehen werden.

So berichtete Marco Lukas vom Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover, wie mithilfe von Data-Mining die Temperatursteuerung des Kautschuk-Extrusionsprozesses hinsichtlich Effizienz und Nachhaltigkeit optimiert werden kann. Für die Produktion insgesamt bedeutet das sowohl eine Verringerung des Abschusses durch die präzise Steuerung sowie eine Reduktion der ersten Testzyklen von neuen Produkten und des erforderlichen Personalbedarfs. Die Methode findet unter anderem Anwendung in Kautschuk-Extrusionsprozessen und Kautschuk-Mischprozessen, kann aber auch auf weiterführende Abläufe übertragen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt wurde das Steuerungssystem erfolgreich auf einer Forschungs-Extrusionsanlage implementiert und validiert. Sobald die Prozesse der jeweiligen Unternehmen über entsprechende Sensorik/Trainingsdaten verfügen, kann das Konzept mithilfe von Generalisierungstechniken übertragen bzw. implementiert werden.

Neue Störfaktoren in der Produktion identifizieren

Hanwen Zhang und Gonsalves Grünert vom Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen zeigten, dass eine prozesskettenübergreifende Analyse die Qualität und Nachhaltigkeit in der Produktion von Zahnrädern positiv beeinflusst. Dazu wurde analysiert, welchen Einfluss die Fertigungsdaten auf die Qualität des Zahnrads und welche Auswirkungen die Fertigungsschritte auf die Umwelt haben. Es zeigte sich, dass eine detaillierte Analyse der neu identifizierten Einflussgrößen dazu beitragen kann, Ausschuss in der Fertigung zusätzlich zu minimieren. Gleichzeitig konnten durch die ökologische Bewertung unterschiedlicher Fertigungsfolgen ca. 200 Gramm CO2e bei der Fertigung der Ritzelwelle eingespart werden.

Die Methode bietet eine gute Chance, neben bekannten Einflussfaktoren auch bisher unbekannte Störgrößen in der Fertigung zu identifizieren. Dadurch wird eine ganzheitliche Betrachtung der Prozesskette möglich, was wiederum neue Forschungsansätze zur Optimierung eröffnet. Zudem erlaubt die Methode die Überwachung der Umweltauswirkungen, um eine umweltneutrale Fertigung bei gleichbleibender Qualität zu verwirklichen. Grundsätzlich ist die Methode auf jede Fertigungsprozesskette anwendbar, die eine detaillierte Analyse der Zusammenhänge zwischen Produktionsdaten, Produktqualität und Umweltauswirkungen erfordert. Um die Umsetzbarkeit in den jeweiligen Unternehmen bewerten zu können, sollen im nächsten Schritt umfassende industrienahe Validierungsstudien durchgeführt werden.

Prozessschwankungen beim Fließpressen verhindern

Nicht zuletzt analysierte Thomas Wild vom Lehrstuhl für Fertigungstechnologie (LFT) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg den Einfluss einer fertigungsbedingten Erwärmung der Werkzeuge bei der Herstellung von Funktionsbauteilen aus Aluminiumblechwerkstoffen mittels Fließpressen. In diesen Untersuchungen konnte zunächst festgestellt werden, dass bereits eine geringfügige Temperaturerhöhung auf 80 °C das Umform-Ergebnis durch eine höhere Formfüllung beeinflusst. Für die Serienfertigung von eng tolerierten Funktionsbauteilen stellt dieser Zusammenhang folglich eine Herausforderung dar. Denn trotz instationärer Fertigungsbedingungen zu Beginn eines Fertigungsloses sollen natürlich kontinuierlich maßhaltige Bauteile hergestellt werden. Ziel ist, Ausschuss zu vermeiden und eine höhere Materialausnutzung zu gewährleisten. Dazu ist jedoch eine genaue Kenntnis des Anlaufverhaltens des Prozesses notwendig. Als mögliche Kompensationsmaßnahmen können eine zeitliche Anpassung des Stößelweges oder ein Vorwärmen der Werkzeugaktivteile herangezogen werden.

Fazit

Insgesamt hat der WGP-Jahreskongress einmal mehr gezeigt, wie viel Potenzial in den Nachwuchswissenschaftlern steckt – und wie sie mit ihren innovativen Ideen eine heute noch utopisch erscheinende durchgehende Kreislaufwirtschaft erstaunlich schnell vorantreiben können. Die erarbeiteten Ansätze versprechen einen bedeutenden Beitrag zur Förderung der Nachhaltigkeit in fertigungs- und produktionstechnischen Systemen.

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