Maschinenbauunternehmen prüfen Neuausrichtung im China-Geschäft
Fast die Hälfte der Maschinenbaufirmen im VDMA überdenkt aktuell ihre China-Strategie. Eine Diversifizierung der Absatzmärkte wird immer wichtiger. Dazu hat der Branchenverband Empfehlungen zur strategischen Neuausrichtung des Chinageschäfts und zu den Handlungsoptionen veröffentlicht.
Der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.), Frankfurt/Main, vertritt 3600 deutsche und europäische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Diese Betriebe haben für den Standort Deutschland eine strategische Bedeutung: Die Industrie steht für Innovation, Exportorientierung und Mittelstand. Die Unternehmen beschäftigen insgesamt rund 3 Millionen Menschen in der EU-27, davon mehr als 1,2 Millionen allein in Deutschland. Damit ist der Maschinen- und Anlagenbau unter den Investitionsgüterindustrien der größte Arbeitgeber. Er steht für ein Umsatzvolumen von rund 860 Milliarden Euro. Rund 80 Prozent der in der in der Europäischen Union (EU) verkauften Maschinen stammen aus einer Fertigungsstätte im Binnenmarkt.
Auf Veränderungen der Weltmärkte reagieren
Die November 2023 veröffentlichte Geschäftsklimaumfrage des VDMA unter seinen in China aktiven Mitgliedsunternehmen zeigt eine deutliche Belastung der Geschäfte vor Ort. War die Stimmung im Frühjahr noch ausgeglichen, so hat sich die Situation nun merklich verdüstert: Nur noch 10 Prozent der befragten Firmen beurteilen die derzeitige Geschäftslage als gut. Fast die Hälfte, 47 Prozent, beschreiben ihre Situation als zufriedenstellend und 43 Prozent als schlecht.
Der Absatzmarkt China und das Land selbst haben sich in den letzten Jahren signifikant verändert. „Wir beobachten eine deutliche Zunahme der Wettbewerbsfähigkeit von lokalen Unternehmen aufgrund einer erhöhten Qualität und Technologie der Produkte, aber auch verstärkte industriepolitische Eingriffe des Staates. Dies führt nicht nur zu Marktveränderungen in China, sondern die lokalen Wettbewerber sind auch verstärkt auf Drittmärkten aktiv. Dies alles erzeugt Handlungsdruck“, sagt Ulrich Ackermann, Abteilungsleiter Außenwirtschaft im VDMA.
Einzelne Branchensegmente stehen etwas besser da
Obwohl bestimmte Sektoren wie Kunststoff- und Gummimaschinen, Textilmaschinen, Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen sowie Landmaschinen leicht über dem Maschinenbau-Durchschnitt liegen, ist die Bilanz der positiven und negativen Antworten auch in diesen Bereichen negativ. Die Nachfrage in China für Roboter und Automationslösungen war in den vergangen drei Jahren sehr hoch, aber auch hier hat inzwischen eine deutliche Abkühlung stattgefunden. „Das ist die schlechteste Stimmung, die wir seit dem Beginn der Umfrage im Jahr 2016 verzeichnet haben. Das Jahr 2023, eigentlich ein Jahr der Öffnung und Normalisierung, stellt unsere vor Ort ansässigen Unternehmen vor enorme Herausforderungen“, erklärt Claudia Barkowsky, Geschäftsführerin des VDMA in China.
Nach der für die VDMA-Handreichung erstellten Umfrage, an der 304 Mitgliedsunternehmen in Deutschland und China teilnahmen, haben immer noch 86 Prozent Zuversicht für den chinesischen Markt. Fast die Hälfte der befragten Mitglieder überdenkt zurzeit ihre China-Strategie. Hauptgründe dafür sind die erschwerte Geschäftslage vor Ort, die Verschärfung der geopolitischen Spannungen und der Druck auf chinesische Unternehmen, einheimische Lieferanten und Produkte zu bevorzugen. Immerhin noch 42 Prozent der Befragten wollen in nächster Zeit ihre Aktivitäten in China ausbauen, 25 Prozent sind hier noch unentschlossen.
Diversifizierung oder Lokalisierung stehen jetzt im Fokus
Die veränderten Rahmenbedingungen und die nach wie vor schwache Konjunktur in China haben in der europäischen Maschinenbauindustrie zu einer intensiven Diskussion über die weitere Ausrichtung des China-Engagements geführt. „Mögliche Ansätze sind sicherlich eine Diversifizierung der Absatzmärkte, Lieferketten oder Produktmärkte. Es ist sinnvoll, sich in der Triade USA-Asien-Europa mit ähnlicher Gewichtung aufzustellen. Das bedeutet für viele Unternehmen derzeit eine stärkere Fokussierung auf den US-Markt und – neben China – eventuell zusätzliche Chancen zum Beispiel in Indien zu prüfen“, erläutert Ackermann.
Eine weitere Handlungsoption ist die stärkere Lokalisierung des Geschäfts. Hier geht es zum einen um die Lokalisierung der Lieferkette. „Fast alles, was man im Maschinenbau braucht, kann man heute auch in China selbst kaufen, häufig sogar von den Tochtergesellschaften der üblichen Lieferanten“, stellt Ackermann fest. Zum anderen führt das in der Konsequenz zu einer Produktion „in China, für China“. Die früher häufig angedachte Strategie, aus China heraus den Weltmarkt zu beliefern, wird damit aufgegeben.
Auch strategische Kooperationen mit chinesischen Unternehmen sind in die Überlegungen mit einzubeziehen: „Bisher wollten die Maschinenbauer immer eigenständig in China agieren. Eine gezielte Beteiligung an chinesischen Unternehmen, durchaus auch als Minderheitsbeteiligung, kann den Zugang zum Innovations-Ökosystem in China eröffnen. Dadurch können sich die europäischen Maschinenbauer schnell neue lokale Technologien erschließen,“ erläutert der VDMA-Außenwirtschaftsleiter.
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