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Überarbeitete EU-Maschinenverordnung 13.11.2023, 08:13 Uhr

Maschinensicherheit: Europäische Anforderungen entwickeln sich weiter

Mit der technischen Weiterentwicklung gehen zusätzliche Anforderungen an die Sicherheit von Maschinen einher. Aktuellste Rechtsgrundlage dafür ist die Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 (MVO) der Europäischen Union. Die überarbeitete Rechtsgrundlage umfasst mehr Marktteilnehmer und hat einen erweiterten Geltungsbereich als bislang.

Das Thema „Digitale Produktionsweisen“ wird in der aktuellen Maschinenverordnung (MVO) berücksichtigt, was sie zwar zeitgemäß macht, aber auch die Komplexität erhöht. Foto: TÜV SÜD

Das Thema „Digitale Produktionsweisen“ wird in der aktuellen Maschinenverordnung (MVO) berücksichtigt, was sie zwar zeitgemäß macht, aber auch die Komplexität erhöht.

Foto: TÜV SÜD

Indem sie die Maschinenrichtlinie überarbeitet hat, geht die Europäische Union „mit der Zeit“ und wertet die Maschinensicherheit wieder auf. Um den neuen, aus der technologischen Weiterentwicklung resultierenden potenziellen Gefahren zu begegnen, war die zuvor maßgebliche Maschinenrichtlinie (MRL) nicht mehr ausreichend. Die MVO soll unter anderem dieses Problem beheben. Für wen sich welche Pflichten ergeben, dazu informiert und schult TÜV SÜD.

Digitalisierung als wesentliche abzubildende Veränderung

Ein Beispiel sind „digitale Produktionsweisen“: Dieses Themenfeld kam in der MRL praktisch gar nicht vor. Die MVO nimmt es dagegen in den Blick, was sie zwar zeitgemäß macht, aber auch die Komplexität erhöht. Denn vom digitalen Versand von vertraulichen Informationen bis hin zur Arbeit mit Artificial Intelligence (AI) gibt es unzählige Rahmenbedingungen für die digital unterstütze Produktion zu beachten.

Die neue Verordnung erlaubt beispielsweise, Prozess- und Anlagenbeschreibungen oder Bescheinigungen über die Konformität spezifischer Produkte digital zu versenden und bereit zu halten. Das ist dann möglich, wenn die Unterlagen nicht weniger als ein Jahrzehnt und auf jeden Fall länger als die gesamte Nutzungszeit der betroffenen Anlage elektronisch aufbewahrt werden und eingesehen werden können.

Technisch deutlich komplexer ist das Risk Assessment von Anlagen, die praktisch komplett eigenständig arbeiten. Wenn künstliche Intelligenz eingesetzt wird, birgt das neue, bislang nicht betrachtete Gefahren – auch wenn es dazu dienen soll, dass sich die Anlage selbst steuert und verbessert. Eine zeitgemäße Rechtsgrundlage muss auch solche Konstellationen berücksichtigen.

Darüber hinaus legt die MVO die Verantwortung für die Cybersicherheit eindeutig in die Hände der Maschinenhersteller. Ihnen obliegt es, Abwehrmechanismen gegen Cyberattacken von vorne herein „mitzudenken“ und in ihre Maschinen zu integrieren. Die Verordnung beinhaltet dazu konkrete, weit gefächerte Regelungen.

Einordnung von Produkten neu bewerten

Die Veränderungen durch Digitalisierung beziehen sich nicht nur auf neue oder veränderte Teilprozesse, sondern auch auf die Produkte selbst: Bedingt durch die Integration der IT-Thematik ist die Definition dessen, was als „Hochrisikomaschine“ gilt, nun deutlich breiter angelegt. Die oben erwähnten autonomen Maschinen zählen dazu, jedoch außerdem Maschinen wie Fahrzeughebebühnen, die auch noch in größtenteils analogen Prozessen mitwirken – wie zum Beispiel in Autowerkstätten.

Ein neuer Nachweis der Konformität mit anwendbaren Normen ist immer dann zu erbringen, wenn eine Maschine oder ein Maschinenprodukt grundlegend modifiziert wurde.

Foto: TÜV SÜD

Die Risikoklassifikation bestimmter Produkte im Anwendungsbereich der Verordnung (Anhang I) ist nicht zuletzt auch von der EU als Verfasser der Verordnung anpassbar: Denn wie Gefahren bewertet werden, variiert auch aufgrund von Forschungsergebnissen oder konkreten Ereignissen. Gemeint sind Vorkommnisse mit gegebenenfalls beträchtlichen Schäden, die neue Bewertungen nach sich ziehen. Es können Produkte neu aufgenommen werden, innerhalb des Anhang I verschoben oder es ist auch möglich, dass Maschinen und Maschinenprodukte von der Liste im Anhang I gestrichen werden, sollten hierzu genug Erkenntnisse vorliegen. Für die Effizienz ist das ein Fortschritt, denn die Übereinstimmung mit den anzuwendenden Normen nachzuweisen, ist bei „Hochrisikomaschinen“ ein recht umfangreicher Schritt, der es unter anderem auch erforderlich macht, teilweise eine benannte Stelle einzubinden.

Maschinen-Modifikationen werden neu geregelt

Ein neuer Nachweis der Konformität mit anwendbaren Normen wird dann nötig, wenn eine Maschine oder ein Maschinenprodukt grundlegend modifiziert wurden. Was als „wesentliche Modifikation“ gilt, wird nun auch auf der europäischen Ebene festgelegt. Zuvor hatte die Zuständigkeit hierfür noch im Bundesarbeitsministerium gelegen. Die neue Maschinenverordnung regelt dagegen klar, unter welchen Voraussetzungen Hersteller und Betreiber eine Maschine wie ein neues Gerät anzusehen haben. Neue Gefahrenquellen und sichtbar höhere Sicherheitsrisiken zählen dazu und ziehen zwingend neue Sicherheitsvorkehrungen nach sich, durch die die Maschine stabil und robust bleiben soll.

Zusätzlich beinhaltet die MVO einen Absatz, der singuläre Überprüfungen regelt, die für Produzenten von Einzelstücken oder kleinen Losgrößen von Vorteil sind. Auch dem Zweitmarkt kommen diese Regelungen zugute, da sie den Wiederverkauf von Maschinen vereinfachen. Die Standards zum Schutz der Sicherheit und Einsatzfähigkeit von Kontrollmodulen sind zudem detaillierter geworden. Und auch für den Gesundheitsschutz und die Sicherheit im Umgang mit größtenteils eigenständig arbeitenden Maschinen und Anlagen gelten nun strengere Regeln.

Sicherheitsrelevante Verschraubung: Insbesondere Betriebe, die keine eigenen Fachleute für die Maschinensicherheit im Unternehmen haben, müssen externe Hilfe in Anspruch nehmen, um die Übergangsfristen einzuhalten.

Foto: TÜV SÜD

Bedeutsame Änderung, aber kein Paradigmenwechsel

Obwohl die mit der MVO verbundenen Veränderungen bedeutsam sind, stellen sie keinen Paradigmenwechsel dar. Denn Architektur und Systematik der Verordnung sind grundsätzlich gleichgeblieben, sodass Produzenten, Eigentümer, öffentliche Institutionen, benannte Stellen und weitere kontrollierende Instanzen hiermit weiterhin arbeiten können sollten. Keiner dieser Stakeholder wird allerdings umhinkommen, sich mit den Veränderungen eingehend zu beschäftigen – angefangen beim Sprachgebrauch und bei Definitionen.

Dass sich der Aufbau der Verordnung verändert hat, dürfte ihre Handhabung gerade in der ersten Zeit nach der Reform ebenfalls aufwendiger machen. Insbesondere müssen Regelwerke und Beschreibungen, die in ihrer Struktur bislang der alten MRL oder einzelstaatlichen Regelungen ähnelten, an die MVO angepasst werden. Das kostet Zeit und kann durchaus die gesamte Übergangsfrist von dreieinhalb Jahren bis 20. Januar 2027 in Anspruch nehmen. In Einzelfällen wird es sogar darüber hinaus gehen. Denn besonders Firmen, die keine eigenen Fachleute für die Maschinensicherheit im Unternehmen haben, müssen sich hierzu externe Hilfe holen. Das Ende der Übergangsfrist rückt aus ihrer Perspektive sehr schnell heran.

Für diese und auch andere Unternehmen ist es ratsam, sich so bald als möglich mit den Inhalten der neuen Maschinenverordnung zu befassen. Damit können sie ihre Stellung am Markt sichern oder sogar optimieren. Gelegenheit dazu bieten die umfassenden Kursangebote der TÜV SÜD Akademie (www.tuvsud.com/de-de/store/akademie/seminare-technik/produktion/maschinenrichtlinie-betrsichv/1611128).

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Von Rudolf Bültermann, Pascal Staub-Lang, Benedikt Pulver

Rudolf Bültermann ist Experte Maschinensicherheit bei der TÜV SÜD Industrie Service GmbH in München. Foto: TÜV SÜD
Pascal Staub-Lang und Benedikt Pulver sind beide Leiter Maschinensicherheit bei der TÜV SÜD Industrie Service GmbH.