Neuregulierung zu PFAS betrifft auch Schmierstoffe: Informationen und Handlungsempfehlungen
Der aktuell diskutierte Restriktionsvorschlag für den Einsatz von per- oder polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) sorgt für Unruhe bei Maschinenbauern und Anwendern. Neben vielen fluorierten Kunststoff- und Elastomermaterialien sind auch Schmierstoffe von der neuen Gesetzgebung betroffen.
Ein international anerkannter Hersteller von Hochleistungsschmierstoffen hat sich mit der Thematik befasst und entsprechende Informationen sowie konkrete Empfehlungen für Anwender zusammengestellt. Das Thema gilt als hochaktuell: Die oberflächenaktiven, organischen Substanzen sind zwar in vielen Anwendungen außerordentlich nützlich, gelten aber auch als extrem stabil und werden daher als „Ewigkeits-Chemikalien“ bezeichnet. Gegen ein umfassendes Verbot von PFAS-Chemikalien sprechen sich in Deutschland die Verbände der Automobilindustrie, des Maschinenbaus sowie der Elektro- und Digitalindustrie aus. Argument: Ohne die langlebigen Stoffe ließen sich wichtige Technologien auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht produzieren.
Was sind PFAS und warum sind diese umstritten?
Unter dem Begriff PFAS werden per- oder polyfluorierte Alkylsubstanzen verstanden. Es handelt sich in erster Linie um Kohlenwasserstoffketten, bei denen Wasserstoffatome ganz oder teilweise durch Fluoratome ersetzt sind. Die Stoffgruppe umfasst mehr als 10.000 Einzelsubstanzen, die genaue Zahl ist nicht bekannt. PFAS haben keinen natürlichen Ursprung, sondern werden – seit 1950 – ausschließlich künstlich hergestellt. Ihr Einsatzbereich ist sehr breit, die Substanzen finden sich in einer Vielzahl von Industrieanwendungen und Endverbraucherprodukten.
Allen PFAS gemeinsam ist die außergewöhnlich hohe chemische Stabilität. Der natürliche Abbau wird verlangsamt, ist unvollständig oder gar nicht möglich und führt in der Folge zu einer weltweiten Verbreitung und Anreicherung der verschiedenen Verbindungen. Die Anreicherung von PFAS in der Natur, in Tieren oder dem Menschen hat negative ökologische und gesundheitliche Auswirkungen und ist Thema zahlreicher intensiver Untersuchungen.
Welche Rolle spielen PFAS in Schmierstoffen?
PFAS kommen in Schmierstoffen hauptsächlich in zwei Formen vor:
a) Perfluorpolyether (PFPE): Dies sind Flüssigkeiten, die als Schmieröle oder (verdickt) als Schmierfette eingesetzt werden. Ein typischer Einsatzbereich sind Hochtemperatur- und Vakuumanwendungen. Durch die hohe Stabilität sind PFPE-Öle/-fette für Lebensdauerschmierungen prädestiniert. Sie sind nicht brennbar, strahlungsresistent und weisen eine universelle Materialkompatibilität insbesondere mit Kunststoffen auf. Kombinationen von leichtflüchtigen mit schwerflüchtigen PFPE-Ölen werden zur Erzeugung dünnster Schmierfilme für Elektrokontakte eingesetzt. Insgesamt handelt es sich bei PFPE-Fetten und -Ölen um teure, aber äußerst leistungsfähige Schmierstoffe. Ihre Eigenschaften werden zur Zeit durch keine andere Schmierstoffgruppe abgebildet.
b) Polytetrafluorethylen (PTFE, Handelsname Teflon): PTFE wird als mikronisiertes Pulver oder als Dispersion bei der Schmierstoffherstellung verwendet. In höheren Konzentrationen kommt es als Verdicker, in niedrigeren Konzentrationen als Schmierstoffadditiv und/oder Hilfsverdicker zum Einsatz. Als Verdicker findet man PTFE in PFPE-Ölen (siehe a) oder in Silikonölen. Als Schmierstoffadditiv findet PTFE in vielen konventionellen Schmierstoffen Verwendung. PTFE verbessert signifikant die Schmiereigenschaften bei Grenz- und Mischreibungszuständen, es vermindert den Reibwiderstand, hat geräusch- und schwingungsdämpfende Eigenschaften und verringert das sogenannte Ruckgleiten (Stick-Slip-Effekt). Die schmutzabweisende Wirkung von PTFE in Schmierstoffen ist umstritten. Insgesamt handelt es sich um ein sehr wirksames Schmierstoffadditiv.
Wie werden PFAS heute und zukünftig reguliert?
Die gesetzlichen Regulierungen von PFAS sind international uneinheitlich und unterliegen aktuellen Diskussionen und Änderungen. Prinzipiell ist zu erwarten, dass der Regulierungsdruck und damit die Anzahl und Vielfalt der gesetzlichen Anforderungen weltweit steigen wird. Die Firma Chemie-Technik GmbH (Vöhringen, Baden-Württemberg), Herstellerin der „Elkalub“-Hochleistungsschmierstoffe, hat die relevanten Informationen zusammengetragen.
Einige wenige PFAS werden bereits über die europäische Gesetzgebung (REACH, SVHC) oder durch internationale Übereinkommen (Stockholm Abkommen, POP-Konvention) reguliert. Außerdem: In einigen US-Bundesstaaten gibt es verschiedene Verbotsinitiativen, die sich aktuell hauptsächlich mit Endverbraucheranwendungen (z.B. Verpackungen, Kochgeräte, Textilien) beschäftigen. Weitere Verbote sind bis 2028 geplant; eine Ausweitung ist wahrscheinlich.
Darüber hinaus gilt: Die große Gruppe aller PFAS-Verbindungen soll künftig durch eine Gesetzesinitiative der EU reguliert werden. Der entsprechende Beschränkungsvorschlag wurde im April 2020 durch mehrere europäische Länder vorgestellt und in der Folgezeit mit beteiligten Akteuren diskutiert. Im März 2023 veröffentlichte die Europäische Chemikalienagentur den vorläufigen Restriktionsvorschlag, der weitere sechs Monate für Konsultationen der betroffenen Stakeholder vorsieht. Nach Ablauf dieser Zeit und Entscheidung durch die Europäischen Gremien wird das Inkrafttreten der Verordnung für die Jahre 2025/2026 erwartet. Der Restriktionsvorschlag sieht ein nahezu vollständiges Verkehrsverbot vor, das drei Übergangsfristen kennt: 18 Monate, 6,5 Jahre und 13,5 Jahre.
Fristen für PFAS in Schmierstoffen
1) Aufgrund der hohen Kosten werden PFPE-Schmierstoffe nur dann eingesetzt, wenn es keine technische Alternative gibt. Der Restriktionsvorschlag nimmt diese Argumentation auf und schlägt eine Übergangsfrist von 13,5 Jahren für kritische Anwendungen („harsh environments“ und „safe functioning and safety of equipment“) vor. Die Ausnahmeregelung ist allerdings kein „Freibrief“: Hersteller und Händler müssen Produkte, Anwendungen und Mengen melden. Hersteller, Händler und Endanwender müssen im Rahmen eines Managementplans den Einsatz dieser Produkte begründen, Einsatzbedingungen definieren und eine sichere Entsorgung garantieren.
2) Der Einsatz von PTFE als Verdicker von PFPE-Ölen ist tendenziell den kritischen Anwendungen zugeordnet; bei den Silikonölen ist die Einschätzung weniger eindeutig. Zum Einsatz von PTFE als Schmierstoffadditiv unterscheidet der Restriktionsvorschlag bei den Anwendungen. Einige davon (z.B. PTFE-haltige Fahrradkettenöle, geräuscharme Schmierstoffe in Kfz) werden nicht als „ausnahmewürdig“ betrachtet. Für diese Produkte und in diesen Anwendungen sieht der Restriktionsvorschlag eine Übergangsfrist von nur 18 Monaten vor. Im nicht-industriellen Bereich wird PTFE-Pulver unter Umständen auch durch neue Bestimmungen aus dem Bereich Mikroplastik reguliert werden.
Da neben der Industrie auch die verschiedensten Umwelt- und Naturschutzverbände an den Konsultationen teilnehmen, sind weitergehende Maßnahmen oder eine Verschärfung der Bedingungen für den Einsatz von PFAS durchaus möglich. Im Fokus stehen insbesondere die sogenannten „umweltoffenen“ Anwendungen.
Wie reagiert die Industrie?
Durch die bevorstehenden PFAS-Regulierungen kommt es bereits zu Reaktionen auf Anbieterseite. Im Vorgriff auf einen schrumpfenden Markt für PFAS reduzieren die ersten Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten oder ziehen sich aus dem Markt zurück (Beispiel 3M). Als Rückkopplungseffekt wird es höchstwahrscheinlich zu Einschränkungen in der Rohstoffverfügbarkeit und Rohstoffvielfalt kommen; die weitere Entwicklung des Preisniveaus von PFAS ist unsicher. Die Firma Chemie-Technik empfiehlt Anwendern, ihre Schmierstoffe auf PFAS zu überprüfen und hierzu ihre Lieferanten zu kontaktieren, um Alternativen ausfindig zu machen. Denn spezielle Anwendungen können durchaus erhöhte oder längere Entwicklungsaufwände für ein gleichwertiges, PFAS-freies Austauschprodukt (oder eine geänderte Konstruktion) erforderlich machen.
Fazit: Der Restriktionsvorschlag bringt massive technische Auswirkungen auf das Leistungsvermögen von Schmierstoffen mit sich. Eine ähnliche Situation findet sich bei den fluorhaltigen Kunststoff-Materialen, die als Konstruktionselemente eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund sollte bei allen Aktivitäten beachtet werden, dass sich der Restriktionsvorschlag aktuell im Konsultationsprozess befindet. Danach muss er noch das europäische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen – Änderungen sind damit garantiert. Elkalub Hochleistungsschmierstoffe (Chemie-Technik GmbH) arbeitet daher – parallel zur genauen Beobachtung der gesetzlichen Veränderungen – in Forschung und Entwicklung bereits aktiv und mit konkreten Ergebnissen am „Plan B“. Hierzu gehört die Untersuchung von alternativen Rohstoffen und Verdicker-Systemen. Auch PFAS-freie Alternativprodukte werden bereis gemeinsam mit den ersten Kunden getestet.
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