Warum die schlanke Produktion derzeit eingeschränkt ist – und was hilft
Die jüngsten weltweiten Entwicklungen haben zu Unterbrechungen von Lieferketten, Lieferengpässen und sogar einem Krisenmodus bei bestimmten Komponenten geführt. Der Druck auf die Hersteller, mit der hohen Nachfrage Schritt zu halten, wird sich noch weiter erhöhen.
Die jüngsten Preisanstiege im Rohstoffsektor, beispielsweise für Stahl, haben viele Unternehmen dazu veranlasst, ihre Lagerwirtschaft zu überdenken. Kommt die „schlanke Produktion“ mit der zunehmenden Unsicherheit in den Lieferketten von Fertigungsbetrieben nun wieder aus der Mode? In diesem Artikel kommentiert Sven Bretschneider, Head of Supply Chain bei EU Automation, dem weltweiten Zulieferer für hochwertige Automatisierungskomponenten (www.euautomation.com/de/automated), seine Erfahrungen mit diesem Thema. Das Unternehmen mit deutschem Sitz in Mörfelden-Walldorf bietet ein umfassendes Sortiment sowie einen Reparaturservice für SPS (speicher-programmierbare Steuerungen), Servoantriebe, MMS (Mensch-Maschine-Systeme)/HMI (Human Machine Interface), Bildschirme, Motoren, CNC-Werkzeugmaschinen und Roboter von allen wichtigen Herstellern an.
Was sind die Vorteile von Lean Manufacturing?
Die schlanke Produktion, auch bekannt als „Lean Manufacturing“ oder „Just-in-Time-Fertigung“ (JIT), wurde 1970 von Toyota entwickelt, um Bestandskosten und potenzielle Abfälle zu reduzieren. Bei Herstellern wurde die schlanke Fertigung zu einer beliebten Methode, um sicherzustellen, dass Produkte erst zum benötigten Zeitpunkt am Produktionsort ankommen, was den Platzbedarf im Lager reduziert und die Zeit im Produktionszyklus verkürzt.
Derzeit stehen Hersteller unter Druck, trotz Rohstoff- und Produktengpässen mit der Nachfrage Schritt zu halten. Die rechtzeitige Beschaffung benötigter Komponenten ist nicht mehr so einfach wie bisher, und aufgrund von Lieferkettenstörungen und -unterbrechungen, die sich auf die Nachschubplanung auswirken, laufen Hersteller Gefahr, die Produktion aufgrund von Bestandsengpässen verschieben zu müssen.
Ein Konzept aus der Vergangenheit?
Covid-19 hat einige bedeutende Fallstricke in der schlanken Fertigung aufgezeigt, die Hersteller dazu veranlasst haben, diese Methode zu überdenken. Schlanke Fertigung basiert auf der prognostizierten Nachfrage, die in der Vergangenheit zwar zuverlässig vorhersagbar war, mittlerweile jedoch um Einiges weniger treffsicher geworden ist. Das liegt daran, dass Prognosen auf historischen Daten beruhen. Jedoch wie die aktuellen, unvorhersehbaren soziopolitischen Umwälzungen zeigen, sind diese Daten für Prognosen nicht mehr vertrauenswürdig.
Der Brexit, diverse Lockdowns und der Konflikt in der Ukraine haben Angebot und Produktion in einen unsteten Zustand des Umbruchs versetzt, und Vorhersagen über den Beginn oder das Ende von Verzögerungen sind schlicht und einfach nicht mehr möglich. Zwar kann die aktuelle Situation nicht einfach über Nacht verändert werden, doch es gibt einige Strategien, um Fehlbestände zu verhindern.
Was kommt als Nächstes? – mögliche Lösungsansätze
Hersteller suchen nun nach Alternativen, um eine stabile Versorgung mit den benötigten Komponenten sicherzustellen. Traditionelle Methoden wie Just-in-Case-Bestandsverwaltung (JIC), bei der Hersteller einen Vorrat an Komponenten im Lager führen, sind mit ihren eigenen, spezifischen Herausforderungen verbunden. Stattdessen suchen Unternehmen nach einem gangbaren Mittelweg – nach einer Alternative, die Zuverlässigkeit bietet, ohne den Gewinn zu verringern.
Eine Lösung besteht darin, zum „Nearshoring“ überzugehen, also zur Nahverlagerung. Anstatt Fertigungsanlagen in Übersee zu betreiben, können Unternehmen sich dafür entscheiden, diese näher an ihrem Heimatstandort zu verlagern und so Verzögerungen reduzieren. Die Tatsache, dass Teile dorthin gebracht werden müssen, wo sie benötigt werden, war schon immer ein Hindernis für schnellere Zykluszeiten.
Die Abhängigkeit von Lieferanten im entfernten Ausland kann außerdem die Transportzeiten verlängern und die erforderliche Koordination noch komplexer machen. Mit Zulieferern, die sich näher am Produktionsstandort befinden, können Nachschubzeiten erheblich verkürzt und im dringenden Fällen auch Bauteile rascher geliefert liefern.
Vorteile der „glokalen“ Lieferkette
Hersteller können auch eine Lieferkette etablieren, die auf globaler Ebene agiert, sich jedoch an die lokale Nachfrage anpasst – also eine „glokale“ Lieferkette. Die Spezialisten bei EU Automation verfügen über ein vielfältiges und zuverlässiges Netzwerk globaler Zulieferer und arbeiten mit internationalen Vertriebsexperten zusammen. Diese sprechen mehr als 20 Sprachen, um sprachliche und kulturelle Barrieren zu überwinden.
Sie operieren von vier verschiedenen Standorten aus – im Vereinigten Königreich, in den USA, Deutschland und Singapur – und unterstützen Hersteller sowohl mit unserem Wissen über die globale Nachfragelage als auch über lokale Märkte, um sicherzustellen, dass die richtige Menge der richtigen Produkte pünktlich geliefert wird.
Was leistet Industrie 4.0?
Aufstrebende Automatisierungstechnologien können Herstellern ebenfalls dabei helfen, Vorlaufzeiten zu verkürzen und unerwartete Ereignisse zu überstehen – indem Sie die vollständige Transparenz über die Produktion möglich machen. Dies versetzt Hersteller in die Lage, bestimmte Bereiche des Produktionsprozesses ins Visier zu nehmen, die eventuell verbessert werden müssen. Wer den Weg seiner Komponenten durch das gesamte Warenlager kennt, erlangt Einblicke in die Abfall- und Verbrauchsraten.
Die automatische Warennachschubplanung ermöglicht es Unternehmen, Ressourcen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Warenlagers zu verwalten. Automatisierte Geräte erkennen Komponenten, die knapp werden, und bestellen diese automatisch vom Vertriebspartner. So werden Produktionsleiter effizient dabei unterstützt, mit der Nachfrage Schritt zu halten, ohne sich Sorgen über Komponentenengpässe machen zu müssen.
Fazit
Es besteht zwar Hoffnung, dass die Lieferkettenstörungen und die Komponentenengpässe irgendwann vorübergehen – doch in der Fertigungsindustrie dürften sich diese Störungen noch längere Zeit auswirken. Für Hersteller ist es daher von entscheidender Bedeutung, ihre Bestandsverwaltung anzupassen, um Stillstandszeiten zu vermeiden und Verzögerungen – wo immer möglich – zu reduzieren.
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