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Zehn Herausforderungen 16.11.2023, 11:24 Uhr

Was können Auktionshäuser für die Industrie im digitalen Zeitalter leisten?

Auktionshäuser blicken auf eine mehrere Jahrhunderte lange Tradition zurück. In den letzten Jahrzehnten haben sie eine digitale Transformation erlebt, wodurch sie ihre Reichweite global erweitern konnten. Damit sind aber auch zahlreiche Herausforderungen verbunden. Denn die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden wachsen stetig.

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Die digitale Revolution hat Auktionshäuser für hochwertige Industriegüter bereits grundlegend verändert, doch die Transformation ist noch lange nicht abgeschlossen.

Foto: Shutterstock

Viele Industrieunternehmen im Fertigungsbereich können sich keine Neumaschine leisten. Ein kleiner Betrieb, beispielsweise aus der Lohnfertigung, kann mit einer gebrauchten Fräsmaschine jedoch noch viele Jahre lang hochwertige Bauteile produzieren. Oder: eine bestimmte Maschine wird dringend benötigt, ist aber gerade am Markt nicht verfügbar und es ist mit langen Lieferzeiten zu rechnen. Dann „freuen“ sich sogar größere Betriebe über dieses zusätzliche Angebot. Doch was erwarten Kunden von einem Vermittler für Maschinen „aus zweiter Hand“? Das hat sich auch ein bekanntes Düsseldorfer Unternehmen gefragt und dazu eine Umfrage unter seinen Kunden durchgeführt.

Besseres Verständnis für die Kundenbedürfnisse aufbauen

Zu den führenden Industrieauktionshäusern in Europa zahlt der Anbieter Surplex. Mit der Plattform Surplex.com ist er seit 1999 im digitalen Handel mit gebrauchten Maschinen und Betriebseinrichtungen weltweit aktiv. Die 18-sprachige Auktionsplattform verzeichnet jährlich circa 50 Millionen Seitenaufrufe. Auf über 800 Online-Auktionen werden pro Jahr mehr als 55.000 Industriegüter verkauft.

Um ein tieferes Verständnis für die globalen Kunden zu gewinnen und daraus die Herausforderungen an Auktionshäuser im digitalen Zeitalter abzuleiten, führten die Düsseldorfer eine Umfrage durch und erhielten Feedback von knapp 400 Teilnehmern. Die Ergebnisse repräsentieren die vielfältige Kundschaft auf dem Gebrauchtmaschinenmarkt in Europa: Besonders kleine und mittelständige Unternehmen aus Ländern wie Deutschland, Italien, und Spanien sowie aus den Branchen der Metall- und Holzverarbeitung, des Bauwesens und der Landwirtschaft gaben ihre Einschätzungen ab.

Herausforderung 1: Lokale Märkte

In Zeiten vor der Digitalisierung war der Handel meist lokal begrenzt. Während Geschäfte nun global getätigt werden können, bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern in Bezug auf Marktpraktiken und Präferenzen. Eine mögliche Lösung ist die Einrichtung lokaler Standorte und die Beschäftigung von Marktexperten. Die erfahrenden Country Manager bei Surplex arbeiten in Niederlassungen in 16 europäischen Ländern. Sie kennen die nationalen Besonderheiten und schaffen Vertrauen durch persönlichen Kontakt zum Kunden.

Herausforderung 2: Einfachheit im Bietprozess

Im traditionellen Auktionshaus fiel der Hammer als Zeichen für den Zuschlag, und ein simples Handzeichen konnte ein Gebot abgeben. Dieses einfache und direkte Erlebnis wird im digitalen Zeitalter erwartet. Ein komplizierter oder nicht transparenter Bietprozess schreckt potenzielle Käufer ab.

Herausforderung 3: Angebot und Bandbreite

Käufer schätzen eine umfangreiche Auswahl und eine große Bandbreite an angebotenen Auktionsposten. Allerdings sind Auktionshäuser in ihrer Angebotsvielfalt oft eingeschränkt, da sie auf abgebende Betriebe angewiesen sind. Wo keine Verkäufer verfügbar sind, da finden keine Auktionen statt. Wegen dieser Abhängigkeit legen viele Auktionshäuser großen Wert darauf, potenzielle Verkäufer gezielt anzusprechen, und setzen auf „Brand Awareness“.

Auch fast neue und besonders hochwertige Anlagen können auf der Online-Plattform erworben werden: So stand 2023 eine CNC-Laserschneidmaschine „BySprint Pro 4020“ des Schweizer Herstellers Bystronic bereit, die Bleche bis zu 25 Millimetern Dicke in komplexen Formgebungen trennt.

Foto: Surplex

Herausforderung 4: Sprachliche Vielfalt

Die Digitalisierung hat den Gebrauchtmarkt globalisiert, wodurch die sprachliche Vielfalt zu einer zentralen Herausforderung für Auktionshäuser geworden ist. Denn nicht jeder Kunde spricht Englisch. Surplex.com hat darauf reagiert, indem es seine Plattform in 18 Sprachen anbietet. Das Unternehmen beschäftigt Mitarbeiter aus 20 verschiedenen Nationen, um sicherzustellen, dass Kunden weltweit effektiv betreut werden.

Herausforderung 5: Erreichbarkeit und Kundenservice

In einer globalisierten Welt, in der Käufer und Verkäufer aus verschiedenen Zeitzonen stammen, ist die Erreichbarkeit rund um die Uhr ein entscheidender Faktor. Durch 24/7-Kundensupport und den Einsatz von Chatbots sowie anderen modernen Technologien können Kundenfragen trotz Zeitverschiebung in Echtzeit beantwortet werden. Zudem wird Mehrsprachigkeit und Hilfsbereitschaft im Kundenservice besonders geschätzt, da sie eine essenzielle Grundlage für Vertrauen und Kundenbindung darstellen.

Herausforderung 6: Bewertung von Gegenständen und technische Informationen

In der Auktionsbranche ist die korrekte Bewertung von Objekten und Artikeln von großer Bedeutung. Dies stellt sicher, dass sowohl Verkäufer als auch Käufer ein faires Geschäft abschließen. Besonders bei technischen Artikeln ist es unerlässlich, detaillierte und genaue Informationen in Text-, Bild- und Videoform bereitzustellen, um Missverständnisse zu vermeiden. Dies kann jedoch eine Herausforderung sein, da die Ermittlung des korrekten Wertes und die Bereitstellung umfassender technischer Daten Expertenwissen erfordert.

Herausforderung 7: Virtuelle Besichtigung

Die Besichtigung von Artikeln vor einem Kauf stellt oft eine logistische Herausforderung dar, denn ein Besuch vor Ort ist meist mit einer längeren Anreise verbunden. Virtuelle 3D-Besichtigungen bieten hierfür eine innovative Lösung. Ein 3D-Modell wird erstellt, indem das Auktionsobjekt oder die ganze Umgebung aus verschiedenen Winkeln fotografiert oder gefilmt und dann mittels spezieller Software zu einer dreidimensionalen Darstellung zusammengeführt wird. So erhalten potenzielle Käufer eine detaillierte Ansicht, ohne physisch anwesend zu sein.

Herausforderung 8: Demontage, Transport und Zoll

Internationale Kunden bedeuten für Auktionshäuser eine erweiterte Reichweite und damit potenziell höhere Erlöse. Doch mit dieser globalen Präsenz kommen Herausforderungen wie die Demontage von Artikeln, der internationale Transport und die Einhaltung von Zollvorschriften ins Spiel. Käufer erwarten Unterstützung in diesen Bereichen. Dieser erweiterte Service verwandelt das Auktionshaus von einer reinen Verkaufsplattform hin zu einem Dienstleister oder sogar Vermittler.

Herausforderung 9: Mobile Nutzung

B2B-Auktionen sind traditionell eher konservativ und werden hauptsächlich über Desktop-Plattformen abgewickelt. In 2023 wurden bei Surplex rund dreiviertel aller Gebote von Desktop-Usern abgegeben. Dennoch gewinnt die mobile Nutzung zunehmend an Bedeutung.

Die Geschäftsführung von Surplex hat die Zukunft fest im Blick (v.l.n.r.): Uli Stalter, Ghislaine Duijmelings und Michael Werker.

Foto: Surplex

Um mit den sich ändernden Nutzergewohnheiten Schritt zu halten, müssen Auktionshäuser ihr Portfolio erweitern – zum Beispiel durch mobile Apps. Diese Apps können das Auktions-Erlebnis revolutionieren, indem sie Benachrichtigungen über bevorstehende Auktionen senden oder mobile Bietfunktionen bereitstellen, wodurch Käufer flexibler und unabhängig vom Standort agieren können. Auch bei Surplex hat man entsprechende Anpassungen vorgenommen. Mit einem Relaunch der App im September und der Einführung eines WhatsApp-Newsletters trägt man den veränderten Nutzergewohnheiten Rechnung.

Herausforderung 10: Technologische Zukunftsaussichten

Die digitale Revolution hat Auktionshäuser bereits grundlegend verändert, doch die Transformation ist noch lange nicht abgeschlossen. Mit fortschreitenden technologischen Entwicklungen wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) könnten virtuelle Besichtigungen bald noch realer sein. Künstliche Intelligenz (KI) könnte den Bewertungsprozess weiter automatisieren und personalisierte Empfehlungen für Bieter basierend auf deren Vorlieben und bisherigen Geboten bereitstellen.

Da Fazit der Umfrage: Mit der Kundenzufriedenheit im Fokus werden die Auktionshäuser der Zukunft vermutlich nicht nur Orte des Handels, sondern auch technologische Vorreiter sein.

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Von Surplex / Birgit Etmanski