Wie stehen die Deutschen zum Thema Lieferkettengesetz?
Das neue Lieferkettengesetz kommt in Kürze und nimmt auch die deutsche Industrie in die Pflicht: Ab 2023 soll es für mehr ökologische und soziale Nachhaltigkeit in der Produktion „am anderen Ende der Welt“ sorgen.
Mit gesetzlichem Druck sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, Umwelt- und Sozialstandards entlang ihrer Lieferketten zu kontrollieren und einzuhalten. Bei Verstößen drohen Sanktionen und Bußgelder. Für Betriebe und vor allem den Einkauf entstehen neue Pflichten. Doch wie wird das Gesetz bei den Abnehmern der Produkte gesehen? In der Bevölkerung trifft man auf verhaltenes Wissen und auch die Zustimmung differenziert. Doch vor allem eine Generation tritt hervor, wie eine Umfrage der Management- und Technologieberatung BearingPoint aus Frankfurt/Main zeigt.
Was will das neue Gesetz erreichen?
Am 1. Januar 2023 tritt in Deutschland das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ – kurz Lieferkettengesetz – in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden dazu, ihre Sorgfaltspflicht zum Schutz der Menschenrechte sowie von Umweltstandards einzuhalten. Ab 2024 erweitert sich der Geltungsbereich auf Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten. Ausländische Unternehmen mit ihrem Hauptsitz in Deutschland fallen ebenfalls unter das Gesetz. Bei Verstößen drohen den Unternehmen hohe Bußgelder in Höhe von bis zu 8 Millionen Euro oder bis zu 2 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes.
Die konkreten Sorgfalts- und Berichtspflichten, die im Lieferkettengesetz definiert werden, sind unter anderem:
- Einrichtung eines Risikomanagements,
- Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit,
- Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen,
- Verankern von Präventionsmaßnahmen,
- Ergreifen von Abhilfemaßnahmen,
- Umsetzung von Sorgfaltspflichten bei mittelbaren Lieferanten,
- Dokumentation und Berichterstattung.
Junge Generation ist gut informiert
Die Annahme, dass sich junge Menschen nicht für Politik interessieren, scheint von gestern. Immerhin geben 32 Prozent der 18– bis 34-Jährigen in der Befragung an, schon davon gehört zu haben, dass ab 2023 Unternehmen Verpflichtungen hinsichtlich der Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten haben. Der Durchschnitt bei allen Befragten lag bei nur 27 Prozent. Doch wer glaubt, dass junge Erwachsene durch die Bank hinter dem Gesetz stehen, täuscht sich: jede:r Dritte von ihnen kann der Idee hinter dem Gesetz wenig abgewinnen – das ist unter allen Befragten die größte Gruppe.
Verhaltene Zustimmung
Die meisten Menschen befürworten das Gesetz. Mehr als die Hälfte der Befragten findet es richtig, dass Unternehmen gesetzlich zu Umwelt- und Sozialstandards entlang ihrer Lieferketten verpflichtet werden. Bezweifelt wird aber, dass diese Vorgaben auch wirklich so umgesetzt werden. Für ihre Zustimmung wird es also auf die konkrete Verwirklichung des Gesetzes ankommen.
17 Prozent der Menschen wiederum befürworten das Gesetz und sind sich gleichzeitig sicher, dass damit auch Produkte nachhaltiger produziert werden. 13 Prozent hingegen gehen eher davon aus, dass das Gesetz allein zu höheren Preisen führen wird, ohne die Bedingungen für das Klima und die Menschen am Ende der Herstellungskette zu verbessern.
Nachhaltige Produkte sind im Vorteil – doch wie lässt sich das prüfen?
Mehr als 60 Prozent der Verbraucher würden ein nachhaltigeres Produkt – im Vergleich zu einem gleichwertigen Produkt, das ohne diese Standards produziert wurde – bevorzugen. Und die Mehrheit ist zudem dazu bereit, auch mehr dafür zu zahlen: fast 60 Prozent von ihnen würden die Produkte auch dann bevorzugen, wenn sie teurer wären. Nur 26 Prozent wollen zwar nachhaltiger einkaufen, sehen aber nicht ein, dafür tiefer in die Tasche zu greifen.
In der Industrie lässt sich die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in der Lieferkette mit Apps nachverfolgen. Auch in der Breite könnten solche Tracking-Anwendungen möglich sein. In der Bevölkerung überzeugt die Idee nur teilweise. Nachgefragt wurde, ob eine App, die die geprüfte und erzielte Transparenz einer nachhaltigen Lieferkette bei einem Produkt anzeigt, das Vertrauen bezüglich eines Unternehmens ändern würde. Dieser Idee stimmen nur 37 Prozent zu, während 41 Prozent skeptisch bleiben. Höchste Zustimmung liegt hier wieder bei den jungen Menschen: unter den 25– bis 34-Jährigen liegt sie bei 49 Prozent.
Anforderung: Supply Chain weiter digitalisieren
„Das Lieferkettengesetz kann für eine zunehmende Digitalisierung der Lieferkette und somit für mehr Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette von Produkten sorgen. Transparenz wiederum ist die Grundvoraussetzung, um die Supply Chain ökologischer, nachhaltiger, menschlicher und noch dazu effizienter zu machen. Aus der Datenbereitstellung der Lieferanten kann zudem auch ein gemeinsames digitales Ökosystem erwachsen, von dem alle Teilnehmer profitieren können. Somit liegt in dem neuen Gesetz ein großes Potenzial. Allerdings legen unsere Umfrageergebnisse auch nahe, dass noch ein weit verbreitetes Misstrauen hinsichtlich der tatsächlichen Umsetzung und Einhaltung des Gesetzes besteht. Hier wird es nun darum gehen, das Gesetz fair, transparent, glaubwürdig, aber letztlich auch schlagkräftig umzusetzen“, resümiert Ralf Dillmann, Partner bei BearingPoint und Experte für das Thema Lieferketten.
Über die Studie
Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH im Auftrag von BearingPoint, an der 2026 Personen im Oktober 2022 teilgenommen haben. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Der Initiator der Studie – BearingPoint – ist eine unabhängige Management- und Technologieberatung mit europäischen Wurzeln und globaler Reichweite. Das Unternehmen agiert in drei Geschäftsbereichen: Consulting, Products und Capital. Consulting umfasst das klassische Beratungsgeschäft; im Bereich Products werden den Kunden IP-basierte Managed Services für geschäftskritische Prozesse angeboten. Zu den Kunden gehören weltweit führende Unternehmen und Organisationen, die von einem globalen Netzwerk mit mehr als 13.000 Mitarbeitenden in über 70 Ländern unterstützt werden.
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