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FlexCAR 02.11.2022, 13:07 Uhr

Die Forschungsplattform von morgen

Das FlexCAR besteht aus einer autonom gesteuerten Fahrzeugplattform für die Mobilität von morgen, welche Use-Case-gesteuert als Forschungsdemonstrator fungiert, um neue technologische Features unmittelbar aus dem Forschungsstadium nach dem Plug-and-Play–Prinzip gezielt zu implementieren. Damit kann eine frühzeitige Validierung im Hinblick auf ein künftiges Anwendungspotenzial ermöglicht werden. Offene Soft- und Hardwareschnittstellen sind hier berücksichtigt oder werden weiterentwickelt.

Bild 1. Rolling Chassis. Foto: www.arena2036.de

Bild 1. Rolling Chassis.

Foto: www.arena2036.de

Ausgabe 10-2022, S. 601

FlexCAR – The research platform of tomorrow

Abstract: FlexCAR comprises an autonomously controlled vehicle platform for the mobility of tomorrow. Use case-guided as a research platform, it enables implementing new technological features according to the plug-and-play principle. It allows for an early validation concerning potential future applications. Open software and hardware interfaces are included and will be further developed.

1 Einleitung und Motivation

Smartphones haben unsere Nutzung der Telefonie grund­legend geändert. Umfangreiche Büro- und Datenkommunikation ist von jedem Ort und zu jeder Zeit möglich. Standardisierte und offene Softwareschnittstellen (API) ermöglichen Drittanbietern, neue Applikationen auf Basis der bestehenden Hardware anzubieten.

Hier setzt das durch das Bundesministerium für Forschung und Bildung finanzierte Förderprojekt FlexCAR an, in welchem mit einer standardisierten autonomen Fahrzeugplattform ein Forschungsdemonstrator entwickelt wurde. Dieser erlaubt es, neue technologische Features unmittelbar aus dem Forschungsstadium nach dem Plug-and-Play-Prinzip gezielt zu implementieren und für ein künftiges Anwendungspotenzial zu validieren, Bild 1.

Im Förderprojekt arbeiten zwölf Verbundpartner aus Industrie und Wissenschaft zusammen, mit einer Projektlaufzeit von fünf Jahren (10/2018 – 09/2023).

Offene Soft- und Hardwareschnittstellen ermöglichen die Wandlung starrer Lieferketten hin zu flexiblen Lieferantennetzwerken. Weiterhin lassen sich mit der standardisierten FlexCAR-Plattform eine Vielzahl an Anwendungen cyberphysisch ent­wickeln. Die Projektarbeiten finden auf der Technikumsfläche der ARENA2036 auf dem Campus der Universität Stuttgart statt.

In diesem Beitrag wird anhand ausgewählter Schwerpunkte das Projekt FlexCAR detaillierter vorgestellt.

2 Struktur des Verbundprojekts

Vier Themenbereiche bilden den inhaltlichen Rahmen für die Schwerpunkte des FlexCAR-Projekts, Bild 2.

Bild 2. Themenbereiche FlexCAR. Grafik: Mercedes-Benz AG

Im Themenbereich 1 „Rolling Chassis“ wird eine elektrisch angetriebene und über 5G angesteuerte Forschungsplattform mit zugänglicher und offener Soft- und Hardware entwickelt. Diese Plattform dient als gemeinsame Basis für die FlexCAR-Einzeltechnologien. Erweitert wurde diese durch eine modular aufsetzbare Bodenplatte, welche die Schnittstelle zum Interieur herstellt und dem Themenbereich 2 für verschiedene Anwendungsfälle und Interieurstudien zur Verfügung steht.

Der Schwerpunkt des Themenbereichs 2 „Interieur und cyberphysischer Einstieg“ baut auf dem Themenbereich 1 auf. Hier werden interieurbezogene Use Cases betrachtet, deren Fokus auf den Bereichen „Working while driving“ und „Relaxing while driving“ liegt. Bucht beispielsweise ein Kunde oder eine Kundin eine Fahrt über eine App, wird diese Anfrage über 5G gesendet und verarbeitet. Entsprechend den Kundenanforderungen wird ein FlexCAR-Fahrzeug zugewiesen und dem Kunden oder der Kundin die Angaben über Ort und Zeit übermittelt. Das Fahrzeug trifft zum vereinbarten Zeitpunkt am vereinbarten Ort ein und hält Ausschau nach dem Kunden oder der Kundin. Über nach außen gerichtete Kameras kann mit dem Fahrzeug Kontakt aufgenommen werden. Es wird nur berechtigten Personen über Smartphone, Fingerabdruck oder Eyetracking Zutritt gewährt und die Fahrt kann entsprechend abgerechnet werden.

Im Themenbereich 3 „Flexible Produkt- und Produktionskonzepte“ wird das Produktionskonzept von FlexCAR betrachtet. Drive- und Energy-Modul sollen hier in den Fokus der produktionstechnischen Betrachtung rücken: zum Beispiel die Fragestellungen nach passenden Blech- oder Strukturprofilierungen im Rahmen des Chassis. Mithilfe standardisierter Schnittstellen wird das FlexCAR-Chassis Teil eines cyberphysischen Produktions­systems und kann als weiterer Use Case während der Fertigung beispielsweise als fahrerloses Transportsystem eingesetzt werden und somit heutige Transport- und Fördertechnik im Werk ersetzen.

Der Themenbereich 4 „Offener Entwicklungsprozess modularer Fahrzeuge“ beschäftigt sich mit der Umsetzung eines der wesentlichen Kriterien von FlexCAR: dem offenen Entwicklungsprozess. Ziel ist es, offene Schnittstellen bei Hard- und Software zu entwickeln und umzusetzen, wodurch neue Geschäftsmodelle etabliert werden können. FlexCAR ist somit viel mehr als nur ein neues Fahrzeugkonzept. Es bietet eine Forschungsplattform für die zentrale Entwicklung und Fertigung modularer Fahrzeug­systeme.

3 Ausgewählte Projektschwerpunkte

3.1 Antrieb und Wechselspeichersysteme

3.1.1 Motivation

Im FlexCAR-Forschungsprojekt wurde eine fahrbare, update- und upgradefähige Plattform als ein Rolling Chassis aufgebaut, das im Wesentlichen aus drei einzelnen Modulen besteht. Diese drei Einzelmodule, die sich in zwei baugleiche Antriebsmodule (Drive-Module) vorne und hinten sowie ein Speichermodul (Energy-Modul) in der Chassismitte aufteilen, sind die Basis für das Rolling Chassis. Vorgerüstet mit Antriebskomponenten und E-/E (Elektrik/Elektronik)-Umfängen in den Drive-Modulen können diese dann mit dem Energy-Modul zusammengefügt werden. Das Energy-Modul bildet mit dem integrierten Energiespeicher das Mittelstück des Chassis. In ihm lassen sich unterschiedliche Energiespeicher und dazugehörige Komponenten integrieren. Durch eine weitgehende Vereinheitlichung der Schnitt- und Kontaktierungsstellen lassen sich Drive-Module und Energy-Module kombinieren und somit eine antriebsflexible Plattform aufbauen.

3.1.2 Vorgehen

Für zukünftiges emissionsfreies Fahren sind E (Elektro)- und BZ (Brennstoffzellen)-Antriebe für die Mobilität der Zukunft im Fokus. Um diese Antriebsszenarien darstellen zu können, wurde ein Konzept für ein Wechselspeichersystem, Bild 3, welches in das Energy-Modul integriert ist, konzipiert.

Bild 3. Prinzip des Wechselspeicherkonzeptes. Grafik: Mercedes-Benz AG

Aufsetzbasis bildet die Rahmenstruktur des Energy-Modules in Profilbauweise mit seinen definierten Schnittstellen zu den Drive-Modulen, die gleichzeitig eine Montageschnittstelle bilden. Als Energiespeicher ist ein HV (Hochvolt)-Speicherkonzept auf Basis „Cell2Pack“ inklusive der Elektronikumfänge integriert. Im zweiten Energiespeicherkonzept wurde die Integration eines F-Cell-Systemes mit H2-Behältern, Typ4, dargestellt. Um eine Modulbauweise im Gesamtkonzept zu erlauben, bleibt die Grundstruktur des Energy-Moduls für beide Speichersysteme identisch.

3.1.3 Aktueller Stand

Die Integration der unterschiedlichen Energiespeicher erfolgt über jeweils angepasste Tragstrukturen. Die Schnittstellen zwischen den einzelnen Modulen für Elektrik-und Elektronikum­fänge sind dabei über Stecksysteme und Anschlüsse weitgehend zu vereinheitlichen. Hierzu fließen Erkenntnisse aus der „Innovationsinitiative Leitungssatz“ mit ein, einem offenen Kooperationsverbund aktiv mitarbeitender Branchenvertreter, die im Rahmen des Forschungscampus ARENA2036 verschiedene vorwettbewerbliche Themenstellungen bearbeiten.

3.1.4 Ausblick

Zur Umsetzung der Wechselspeicherkonzepte werden aktuell unterschiedliche Ansätze zur Darstellung des Energy-Modules durch beteiligte Projektpartner (Firma Trumpf beziehungsweise Firma Constellium) erarbeitet. Eine Variante ist ein Energy-­Modul in reiner Blechbauweise mit einem Fügekonzept oder eine profilintensive Ausführung in Aluminium. Zusätzlich sind Konzepte in Bearbeitung, die im Rahmen der Modularisierung eine Variantenvielfalt durch Kombination von Drive- und Energy-­Modul erlauben und somit verschiedene Antriebsvariationen und Aufbauten ermöglichen.

3.2 Aufbau Bodenmodul, Interieur Set-up und Use Cases

3.2.1 Motivation

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt des Projekts FlexCAR ist die Konzeption, Demonstration und Evaluation neuer Interieurkonzepte für die autonome Mobilität der Zukunft. Um die Fahrzeit im automatisierten oder autonomen Fahrzeug optimal zu nutzen, kommt besonders den Use Case „Arbeiten“ eine wichtige Rolle zu [1]. Konzepte zum Arbeiten während der Fahrt wurden in Form von Skizzen, Virtual-Reality-Modellen oder Concept Cars bereits vorgestellt [2, 3]. Diese vermitteln zwar einen visuellen Eindruck neuer Interieurkonzepte, jedoch bedarf es Studien mit realen Prototypen, um das Erleben und die Evaluation neuer Konzeptlösungen zu ermöglichen.

3.2.2 Vorgehen

In einer Onlineumfrage mit n = 618 Teilnehmern wurden die Anforderungen der Nutzer hinsichtlich des Use Cases „mobiles Arbeiten“ erhoben [4]. Bei Infrastruktur und Ausstattung des Fahrzeugs ist aus Nutzersicht eine geeignete Arbeitsfläche für die Arbeit mit dem Laptop essenziell. Eine im Fahrzeug bereitgestellte Bildschirmfläche mit Toucheingabe zur Anzeige digitaler Inhalte wurde als attraktives Ausstattungselement bewertet.

Basierend auf den Nutzeranforderungen wurden verschiedene virtuelle Konzeptlösungen für das mobile Arbeiten im FlexCAR erstellt, unter anderem mit Ablagekonzepten für das Arbeiten mit Laptop sowie unter Berücksichtigung neuer Technologien für die Arbeitsinfrastruktur, zum Beispiel ein Touchscreen oder eine Projektionsfläche für adaptive Anzeige- und Bedienkonzepte im Fahrzeug. Anschließend wurden die Konzeptlösungen für die Realisierung eines prototypischen Hardwareaufbaus auf dem Rolling Chassis ausgearbeitet, um mit Nutzern eine empirische Evaluation für den Use Case „Mobile Work 2036“ durchzuführen.

3.2.3 Aktueller Stand

Die Hardware-Schnittstelle zwischen dem Rolling Chassis und dem Themenfeld des Interieurs ist das Interieurmodul. Dieses verfügt über eine selbsttragende Rahmenkonstruktion, in die Sitzschienen mit zusätzlichen Nebenschienen integriert wurden. Mit diesem Schienensystem lassen sich diverse Sitzkonstellationen und -positionen abbilden sowie verschiedenartige Interieurkomponenten befestigen und unabhängig zu den Sitzen positionieren.

Die Nutzerstudie „mobile work 2036“ soll unterschiedliche Technologien für den Konsum und die Bearbeitung von digitalen Inhalten untersuchen. Dafür ist das Interieurmodul mit zwei Sitzen und zwei interaktiven digitalen Arbeitsflächen ausgestattet, Bild 4.

Bild 4. Rolling Chassis mit Interieurmodul und Sitzen (Komponenten aus Serienfahrzeug Mercedes-Benz V-Klasse, V447). Grafik: Mercedes-Benz AG

Die erste interaktive Oberfläche besteht aus zwei HPL (High Pressure Laminate)-Platten zwischen denen eine touch­sensitive Folie einlaminiert ist. Mithilfe von drei Projektoren, die aufgrund ihrer Bauform für einen Einbau im Auto realistisch in Frage kommen, wird so eine interaktive Interieuroberfläche geschaffen. Die Überschneidungen der Projektionen sowie die veränderliche Position und Rotation der Projektionsfläche werden durch speziell entwickelte Software kompensiert. Durch die Kombination von Touchfolie und Projektion erscheint die Arbeitsfläche zunächst als übliche „Ablagefläche“, kann jedoch sobald sie aktiviert ist mit digitalen Anwendungen augmentiert werden. Die zweite interaktive Oberfläche bildet ein integriertes Display mit Toucheingabe.

3.2.4 Ausblick

Die empirische Evaluation verschiedener Konzepte für das mobile Arbeiten im Fahrzeug erlaubt es, erste Rückschlüsse zu ziehen, wie eine ergonomische und nutzerzentrierte Infrastruktur zur mobilen Arbeit im Fahrzeug bereitgestellt werden kann und welches Potenzial neue Technologien, wie etwa interaktive Projektionslösungen im Fahrzeuginnenraum, hierfür bieten. Darüber hinaus erlaubt das Interieurmodul weiteren Fragestellungen zu den FlexCAR Use Cases nachzugehen. Aus Nutzersicht ist beispielsweise Privatsphäre entscheidend für das Arbeiten im Fahrzeug [4], sodass hierzu weitere Konzepte mit dem Interieurmodul des FlexCARs realisiert und im Kontext erprobt werden sollen.

3.3 Exterieur- und Interieurkonzeptentwicklungen

3.3.1 Motivation

Der Wandel der Nutzungsmodelle bei Fahrzeugen hin zum autonomen Fahren und Shared Mobility steht in direktem Zusammenhang mit der Änderung der Mobilitätsbedürfnisse sowie des Nutzungsverhaltens und stellt somit die Forderung nach mehr Flexibilität und Adaptivität an das Fahrzeug von morgen. Im Forschungsprojekt FlexCAR liegt der Fokus auf einer homogenen Forschungsplattform, mit deren Hilfe sowohl Entwicklungszeit als auch -kosten eingespart werden können. Moderne, cyberphysische Ansätze ermöglichen es, Produktionsaspekte und Produktthemen in kundenzentrierten Designs in Exterieur und Interieur umzusetzen, die verschiedene Use Cases abbilden.

3.3.2 Vorgehen

Um die Flexibilität des Rolling Chassis darzustellen und gleichzeitig Aufwand und Kosten gering zu halten, werden die Konzepte der verschiedenen Use Cases als digitale Repräsentation in Form von 3-D-Modellen erstellt und in Virtual Reality erlebbar gemacht. Die virtuelle Darstellung ermöglicht es, eine große Vielfalt unterschiedlicher Interieur- und Exterieurvarianten zu designen und diese mit Endanwendern zu testen und zu optimieren. Dabei ist eine iterative Entwicklung ohne hohe Kosten an Hardware und Zeit möglich, da eine Optimierung bereits während laufender Nutzertests möglich ist. So können zum Beispiel Materialien, Farben, Packaging und Positionierung von Bauteilen zur Laufzeit verändert und erprobt werden. Durch den Einsatz von Virtual Reality werden originale Proportionen beibehalten und ein realer Eindruck vermittelt.

3.3.2 Aktueller Stand

Aktuell liegt der Fokus auf zwei verschiedenen, wesentlichen Use Cases, welche die Flexibilität des R Chassis aufzeigen. Der „Peoplemover“ Use Case fokussiert sich auf den Transport von vier Insassen, welche das Shuttle als Kombination aus „Working While Driving“ und “Relaxing While Driving“ nutzen. Das Luxury Car Use Concept dient zur Darstellung und Untersuchung zukünftiger autonomer High-Class-Mobilität, bei der „Relaxing While Driving“ im Vordergrund steht. Diese Use Cases bedingen unterschiedliche Exterieur- und Interieur-Designs (Bild 5 und Bild 6), die von uns erstellt und in Virtual Reality untersucht werden. Punktuelle Features sind in Hardware aufgebaut, der Großteil wird jedoch digital als 3-D-Modell dargestellt und cyberphysisch untersucht. Konkrete Anwendungsfälle dieser Forschung sind die Überprüfung unterschiedlicher Einstiegskonzepte sowie die Kommunikation und Interaktion im Interieur zwischen Passagier und autonomem Shuttle.

Bild 5. Interieurkonzept für „Peoplemover“ Use Case. Grafik: HdM Stuttgart

Bild 6. Exterieurkonzeptentwurf für „Peoplemover“ Use Case. Grafik: DLR Stuttgart

3.3.4 Ausblick

In der Fortsetzung dieses Forschungsprojekts werden die oben beschriebenen Themenfelder iterativ weiterentwickelt. Zusätzliche Themen, wie die Darstellung eines „Cargo Mover“ Use Cases und weiterführende Untersuchungen zu möglichen Interaktionen zwischen Passagier und autonomem Fahrzeug, werden angestrebt.

3.4 Cyberphysische Visualisierungstechnik

3.4.1 Motivation

Im Rahmen des FlexCAR-Forschungsprojekts des BMBF beschäftigt sich die Hochschule der Medien mit dem Erlebbar­machen von autonomen Fahrzeugen und des Fahrzeuginterieurs der Zukunft. Dabei wird fahrerloses autonomes Fahren des SAE (Society of Automotive Engineers)-Levels 5 betrachtet mit Fokus auf Erstnutzende beziehungsweise frühzeitige Nutzende. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Erschaffung von Transparenz zwischen Passagier und autonomem Fahrzeug sowie der Verknüpfung der Bereiche Explainable AI, Human-Centered Design und User Experience [5–7]. Durch die Erzeugung von KI-Transparenz, dem Aufschlüsseln der Handlungen des autonomen Fahrzeugs mittels neuartiger Human Machine Interfaces, soll versucht werden, eine positive User Experience für Endanwender beim autonomen Fahren zu erzeugen.

3.4.2 Vorgehen

Im Projekt wird auf eine cyberphysische Mixed-Reality-Simulationsumgebung – eine Kombination aus Virtual Reality und realen Fahrzeugelementen – aufgesetzt. Diese Umgebung ermöglicht eine effiziente, schnelle und kostengünstige Entwicklung von Mobilitätskonzepten und Fahrzeugen. Als Ausgangspunkt dient ein statischer Versuchsstand mit kommerziellen Kleinbussitzen, welcher um ein virtuell-autonomes Erlebnis erweitert wird. Dazu werden verschiedene VR-Brillen benutzt (wie Varjo XR-3 und HTC Vive Pro 2), Sensorik- (zum Beispiel Datenhandschuhe und 3D-Tiefenkameras) und Aktoriklösungen (zum Beispiel Vibrationsmotoren und Ultraschall-Virtual-Touch-Interfaces). Zusätzlich erlaubt der Einsatz von 3-D-Druck bestimmte cyberphysische Fahrzeugelemente und deren Interaktionen prototypisch schnell umzusetzen. Die Verschmelzung realer und virtueller Objekte wird dabei durch dreidimensionales Tracking des Versuchsstands im Raum (mittels HTC Vive Tracker und Lighthouse-Technologie) und der Synchronisation mit der VR-Umgebung erreicht, Bild 7.

Bild 7. Statischer Versuchsstand. Grafik: HdM Stuttgart

Diese Elemente bilden die Basis des cyberphysischen FlexCAR-Prototypen, der sie in ein ganzheitliches Erlebnis vereint. Nutzer bekommen die Möglichkeit, ein autonomes Shuttle zu buchen, in dieses einzusteigen, mit ihm zu interagieren und eine simulierte autonome Fahrt durch eine Stadt zu erleben. Dabei ist es möglich, verschiedene Parameter einzustellen (zum Beispiel Tag/Nacht, Verkehrsaufkommen, Wetter.), um unterschiedliche Verkehrssituationen und Herausforderungen im Rahmen des autonomen Fahrzeugverhaltens und dessen transparenter KI-Kommunikation zu testen.

3.4.3 Aktueller Stand

Die Umsetzung des Trackings realer Fahrzeugelemente und deren Synchronisation mit einer virtuellen 3-D-Umgebung ist weit fortgeschritten. Eine virtuelle autonome Fahrt durch eine simulierte Stadt mit verschiedenen Parametern (zum Beispiel Wetter, Tageszeit, Verkehrsaufkommen) wurde umgesetzt.

Nächste Schritte umfassen die Fertigstellung vom Interieur und Exterieur des autonomen Shuttles sowie Probandentests, um den Prototypen iterativ anzupassen. Zudem sind Performance-Optimierungen und die Erweiterung des aktuellen Stands um Elemente von Projektpartnern (zum Beispiel Gepäcksysteme, mobiles Arbeiten oder Einstiegskonzepte) in Arbeit.

3.4.4 Ausblick

In Zukunft soll die Entwicklung von Fahrzeug- und Mobilitätskonzepten in einer Mixed-Reality-Umgebung iterativ und agil unter Verwendung des Human-Centered-Design-Entwicklungsprozesses schneller, qualitativ hochwertiger und vor allem kostengünstiger ermöglicht werden. Die Verwendung von Virtual Reality in Kombination mit realen Objekten ermöglicht eine schnelle Entwicklung neuer Interaktionskonzepte (Rapid Prototyping) basierend auf unterschiedlichen Modalitäten.

4 Fazit und Ausblick

Die ausgewählten Schwerpunktthemen haben aufgezeigt, dass man baureihen- und wettbewerbsunabhängig mit diesen neuen innovativen Ansätzen und Methoden eine zielgerichtete, schnelle und effiziente Auslegung künftiger Mobilitätsformen für ein automatisiertes beziehungsweise autonomes Fahren darstellen und umsetzen kann.

In einem weiteren Beitrag soll auf die Forschungsarbeiten des Förderprojekts FlexCAR mit den Schwerpunktthemen

  • neue Profilstrukturen für das Rolling Chassis
  • Sensorintegrationen am FlexCAR
  • Implementierung von RFID-Bedienfeatures
  • autonomes Fahren im 5G-Netz und die Einbindung in das ARENA2036-Campusumfeld
  • eingegangen sowie ein Ausblick auf die Umsetzungspotenziale der daraus gewonnenen Erkenntnisse gegeben werden.

Literatur

  1. Pfleging, B.; Rang, M.; Broy, N.: Investigating user needs for non-driving-related activities during automated driving. In: Häkkila, J.; Ojala, T. (Hrsg.): MUM ‚16: Proceedings of the 15th International Conference on Mobile and Ubiquitous Multimedia. New York/USA: ACM Press 2016, pp. 91–99
  2. Shaer, O.; Boyle, L.N.; Sadun, R. et al.: Towards work in automated vehicles. Proceedings of CHI 2019 Workshop on Looking into the Future: Weaving the Threads of Vehicle Automation, 2019, pp. 10–16
  3. Mercedes-Benz: The Mercedes-Benz F015 Luxury in Motion. Internet: https://www.mercedes-benz.com/en/innovation/autonomous/research-vehicle-f-015-luxury-in-motion
  4. Mathis, L.-A.; Widlroither, H.; Traub, N.: Towards Future Interior Concepts: User Perception and Requirements for the Use Case Working in the Autonomous Car. In: Stanton, N. (Ed.): Advances in Human Aspects of Transportation. AHFE 2021. Lecture Notes in Networks and Systems 270 (2021), pp. 315–322, doi.org/10.1007/978–3–030–80012–3_37
  5. Schneider, T.; Ghellal , S. Love, S. et al.: Increasing the User Experience in Autonomous Driving through different Feedback Modalities. IUI `21: Proceedings of the 26th International Conference on Intelligent User Interfaces 2021, pp. 7-10, doi.org/10.1145/3397481.3450687
  6. Schneider, T., Hois, J.; Rosenstein, A. et al.: Explain Yourself! Transparency for Positive UX in Autonomous Driving. CHI ‚21: Proceedings of the 2021 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems 2021, Article #161, pp. 1-12, doi.org/10.1145/3411764.3446647
  7. Schneider, T., Hois, J.; Rosenstein, A. et al.: Velocity Styles for Autonomous Vehicles affecting Control, Safety, and User Experience. SUI ’21: Symposium on Spatial User Interaction 2021, Article #29, pp. 1-2, doi.org/10.1145/3485279.3485308
Von Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „FlexCAR“ wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Zukunft der Wertschöpfung – Forschung zu Produktion, Dienstleistung und Arbeit“ (Förderkennzeichen 02P18Q640 bis 02P18Q649) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Die Autoren und involvierten Verbundprojektpartner danken dem Fördergeber sowie dem Projektträger Karlsruhe PTKA für deren freundliche Unterstützung.

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