Advanced Systems Engineering für die Produktion nachhaltiger Produktlösungen
Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau konnte das letzte Geschäftsjahr teilweise mit Rekordergebnissen abschließen. Zwar wurde die Exportweltmeisterschaft nicht zurückerobert, es konnten aber wichtige Märkte trotz steigender Herausforderungen weiter ausgebaut werden: Die Auswirkungen des Ukrainekrieges in Form von Inflation, der Mangel an speziellen Vormaterialien und gestiegene Energiekosten bleiben spürbar. Darüber hinaus stellen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Nachfrageverschiebungen hohe Anforderungen an künftige Marktleistungen. Die stärkere Durchdringung physischer Produkte mit Software und neue regulatorische Anforderungen, wie der digitale Produktpass, sind beispielhaft dafür. Die Produktion und Wertschöpfung von morgen lässt sich folglich nur durch Ansätze erfolgreich gestalten, die sozio-technische Lösungen im Gesamtsystem bieten.
Advanced Systems Engineering (ASE) ist das methodische Leitbild für die erfolgreiche betriebliche Umsetzung von innovativen Produkten, smarten Dienstleistungen, komplexen Produkt-Service-Systemen und intelligenten Produktionssystemen. ASE betrachtet nicht nur die Lösungen selbst, sondern nimmt auch wesentlichen Einfluss auf deren Entwicklungs- und Produktionsprozess. Im Fokus steht dabei die Erfordernis von hoher Interdisziplinarität und bidirektionaler Vernetzung zur Beherrschung der technischen sowie organisatorischen Komplexität im zukünftigen Produktentstehungsprozess. Kundenindividuelle Produktvarianten werden so für die Produktion realisierbar und gleichzeitig reichern Daten aus der Produktion und der Shopfloor-Ebene digitale Zwillinge an und werden direkt für die Optimierung der Wertschöpfung genutzt.
ASE führt die drei Fachgebiete Advanced Systems, Systems Engineering und Advanced Engineering zusammen. Advanced Systems bezeichnet die immer komplexeren, vernetzten Marktdienstleistungen, Systems Engineering beschreibt die Koordination und Strukturierung der funktionsübergreifenden, interdisziplinären Entwicklung komplexer Systeme inklusive ihrer Produktionssysteme und Advanced Engineering adressiert Best Practices hinsichtlich Methoden und Tools im Engineering sowie agile Ansätze und Kreativitätstechniken. Ziel ist eine ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungsgenerierung über den gesamten Produktentstehungsprozess von der Idee, über das Engineering bis zur Produktion. ASE adressiert insbesondere intelligente Systeme der Zukunft.
Diese sozio-technischen Entwicklungs-, Produktions- und Produktsysteme müssen sich künftig den Anforderungen der Nachhaltigkeit stellen: Transparenz über die Ressourcenbelastung und den CO2-Fußabdruck während der Produktion werden ebenso wichtig wie der Einsatz intelligenter und damit auch klimafreundlicher Herstell- und Arbeitsprozesse. Ein wichtiger Stellhebel hierfür sind digitale Technologien in Entwicklung, Arbeitsvorbereitung, Produktion und darüber hinaus im ganzen Produktlebenszyklus. Die Beiträge dieser Ausgabe der wt Werkstattstechnik online widmen sich diesen Themenstellungen, wofür den Autoren herzlich gedankt sei.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Oliver Riedel ist Institutsleiter des Instituts für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) an der Universität Stuttgart sowie in geschäftsführender Funktion Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Foto: Fraunhofer IAO