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Editorial der Ausgabe 6-2024 08.07.2024, 13:02 Uhr

Der Systemgedanke als Verbindung von Arbeitsorganisation und Engineering

Mensch-Technik-, Mensch-Maschine- und Mensch-Umwelt-Systeme haben gemeinsame Struktureigenschaften: Sie nehmen Informationen und Signale aus ihrer Umgebung auf, verarbeiten oder speichern diese und geben letztendlich Informationen oder Signale als Ergebnis der Verarbeitung in die Umgebung wieder ab. Es ist dieses Systemverständnis, was es uns erlaubt, die Wirkungsweise und Eigenschaften von solchen komplexen Systemen zu verbessern.

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Betrachten wir diese Systeme aus einer menschzentrierten Perspektive, stehen zumeist arbeitswissenschaftliche Fragestellungen, etwa Human-Computer Interaction oder Arbeitsumgebungsgestaltung, im Fokus. Dabei geht es um die optimale Abstimmung des Arbeitssystems mit seiner technologischen und räumlichen Arbeitsinfrastruktur an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden.

Mit zunehmender Komplexität der Arbeitsinfrastruktur – insbesondere der technologischen – und der Weiterentwicklung der Methodik zur Modellierung und Bewertung dieser Systeme wird auch das Engineering, genauer gesagt das Systems Engineering, immer aufwendiger. Daher zielt das Advanced Systems Engineering (ASE) darauf ab, viele Technologien zu einem einheitlichen und für den Menschen quasi intuitiv zu bedienenden Methodenbaukasten zusammenzubringen.

Hierbei spielt der Einsatz von künstlicher Intelligenz eine besondere Rolle, da nun auch Domänen, in denen die menschliche Arbeit bisher als schwer durch Algorithmen zu ersetzen galt, mit den Fähigkeiten der neuen Werkzeuge konfrontiert werden. Beispiele hierfür sind die Medizin, die Softwareentwicklung und das Engineering. KI-Anwendungen, insbesondere im Bereich Natural Language Processing, unterstützen das Ermitteln neuer Technologien durch maschinelle Analyse von Patenten und wissenschaftlichen Texten. Bei der Planung und Installation von Produktionssystemen können KI-Algorithmen die optimale vorausschauende Wartungsstrategie berechnen. Der Einsatz von KI bei autonomen Systemen wie Robotern, autonomen Fahrzeugen und Drohnen zur Analyse der Umgebung ist bereits weit verbreitet.

Der nächste Entwicklungsschritt betrifft mechatronische, intelligente und vernetzte Systeme, die Advanced Systems (AS). Diese bestehen aus komplexen elektronischen Komponenten, individueller Software und auch KI-Technologien, die zu Produkt-­Service-Systemen kombiniert werden können. Besonders autonome Systeme müssen ihre Umgebung präzise analysieren, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Dabei ist es notwendig, die Mensch-Computer- beziehungsweise Mensch-System-Schnittstelle neu zu denken.

Um die entstehende Komplexität zu bewältigen, ist ein übergreifendes Systems Engineering (SE) auf den Ebenen Projekt, Produkt und Unternehmen unerlässlich. Dies umfasst nicht nur das Engineering selbst, sondern auch intelligente Prozesse, agile Projekte, durchgängige Digitalisierung und neue Formen der Arbeit.

Es zeigt sich, dass es dieser Systemgedanke ist, der Arbeitsorganisation und Engineering zu einer konzeptionellen Einheit werden lässt. Auch wenn die Beiträge dieser Ausgabe nur einzelne Aspekte adressieren, so tragen sie doch zum Verständnis des Gesamtsystems bei. Den Leserinnen und Lesern wünschen wir eine informative Lektüre und eine wertschöpfende Umsetzung der Erkenntnisse.

Von O. Riedel

Prof. Dr. Oliver Riedel
Leiter des Instituts für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Universität Stuttgart, Inhaber des Lehrstuhls Produktionstechnische Informationstech- nologien und Geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). Foto: Fraunhofer IAO

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