Mehr Automatisierung für die Automatisierung
Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben – diese Feststellung, so banal sie auch zunächst daherkommt – hat für die Fertigungsindustrie immense Sprengkraft. ChatGPT und andere generative KI-Methoden, die etwa Texte oder Bilder erzeugen können, haben den Anspruch, den KI-Einsatz zu demokratisieren. Sie können mit wenig oder sogar ganz ohne KI-Expertenwissen Prozesse unterstützen oder ersetzen. Dies betrifft insbesondere administrative Tätigkeiten, weniger jedoch Tätigkeiten in der Produktion. Vielfach gilt: Je manueller die Tätigkeit, umso weniger wird KI sie direkt übernehmen. Und doch gibt es entlang der gesamten Wertschöpfungskette, also von der Auftragsplanung bis zur Auslieferung, vielfältige erfolgreiche Beispiele aus Unternehmen, wie KI, oft kombiniert mit Robotik, Produktionen autonomer, flexibler und effizienter machen kann.
Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch diese Technologie ein Werkzeug ist, das für bestimmte Einsatzzwecke passend ist und für andere nicht. Sie ist alles andere als ein Selbstzweck. Zum Glück eröffnen sich Unternehmen momentan viele Einstiegs- und Unterstützungsmöglichkeiten, um eine Entscheidungsgrundlage zu erhalten. Voraussetzung ist natürlich immer, dass die Basis stimmt und vernetzte Produktionsmaschinen sowie eine gute IT-Infrastruktur vorhanden sind. Ohne sie lässt sich experimentell herumprobieren, aber ein produktiver KI-Einsatz ist nicht realisierbar.
Forschungsseitig passiert aktuell ebenfalls viel und die vorliegende Ausgabe der wt Werkstattstechnik online präsentiert hierzu zahlreiche Beispiele auch aus meinen Forschungsbereichen: Seien es ein vereinfachter Cobot-Einsatz für Schweißprozesse, die Generierung synthetischer Bilddaten, um Modelle für Maschinelles Lernen umfassend trainieren zu können, oder die Kombination aus KI und Quantencomputing, um Produktionen weiter zu optimieren.
Die aktuelle Wirtschaftslage ist in weiten Teilen der Welt momentan nicht einfach und auch in Deutschland gibt es viel Handlungsbedarf, besonders weil wir für die Industrie ein hochpreisiges Land sind. Energiekosten und Löhne seien nur als Beispiele genannt. Umso wichtiger ist es für unseren traditionell sehr starken Produktionszweig, technologisch auf höchstem Niveau unterwegs zu sein. Das kann mithilfe von KI erfolgen, muss aber nicht. Zahlreiche weitere Beiträge in dieser Ausgabe zeugen davon, dass auch in den weiteren Titelthemen Additive Fertigung, Montage und Automatisierung sehr viel voran geht – oft mit dem Ziel, automatisierte Prozesse weiter automatisierbar zu machen, sei es bei der Entwicklung, der Inbetriebnahme oder im laufenden Betrieb. Dabei geht es nicht nur darum, Kosten zu senken und weniger von Erfahrungswissen abhängig zu sein. Sondern es geht vor allem darum, die Produktion an den optimalen Betriebspunkt zu bringen und sie auch dort zu halten, mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren oder gar zu steigern.
Bei der Lektüre dieses Hefts wünsche ich Ihnen viel Freude und neue Erkenntnisse, die Sie in Ihrem beruflichen Umfeld weiterbringen.
Univ. Prof. Dr.-Ing.Marco Huber
Wissenschaftlicher Direktor für Digitalisierung und KI am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart. Foto: Fraunhofer; Phil Aznar / Philipp Hüttenhein