Notwendiger denn je: Adaptive und wandlungsfähige Produktionssysteme
Mehr denn je muss für eine wirtschaftliche Produktion adaptiv und sogar wandlungsfähig auf äußere Einflüsse reagiert werden können. Um die Produktion möglichst schnell auf Änderungen von beispielsweise Stückzahlen, Produktanforderungen oder Zulieferteilen anpassen zu können sind neben organisatorischen auch technische Maßnahmen notwendig. Nur wenn Produktionssysteme in der Lage sind, sich automatisch und schnell anzupassen, ist eine wirtschaftliche Lieferfähigkeit sichergestellt. Hierzu finden sich in dieser Ausgabe der wt Werkstatttechnik online aktuelle und innovative Themen zur Adaption und Wandlungsfähigkeit von komplexen Produktionssystemen.
Nach wie vor erfordert die Wandlungsfähigkeit von Produktionen modulare Systeme, deren jeweilige Systemzustände sich möglichst exakt in einem digitalen Zwilling erfassen lassen. Der digitale Zwilling benötigt neben dem aktuellen Zustand auch zusätzlich historische Informationen zu früheren Zuständen, als auch Konstruktionsdaten und Vorhaltensmodelle. Solch ein Zwilling kann dann für unterschiedliche Algorithmen als Grundlage für die Planung und Optimierung von Wandlungen der Produktion genutzt werden. Der digitale Zwilling erlaubt es verschiedene Modulkombination virtuell zu einer gesamten Produktion zu kombinieren und deren Leistungsfähigkeit abzuschätzen. Erst nach erfolgter virtueller Absicherung werden die Entscheidungen auf die reale Produktion angewendet.
Für die Zustandserfassung der realen Produktion dienen idealerweise Informationen aus bereits in den Modulen enthaltenen Sensoren oder deren Fusion aus mehreren Quellen. Zusätzlich können aber auch Informationen aus vorhergehenden Prozessschritten oder die Beobachtung über geeignete Modelle die Zustandserfassung stützen. Sollten sich die notwendigen Systemzustände dadurch nicht generieren lassen, sind zusätzlich Sensoren möglichst rückwirkungsfrei einzusetzen. Die Verarbeitung der Sensorsignale zu Informationen findet nicht mehr zwingend innerhalb eines einzelnen Moduls statt, weshalb die Kommunikationsanbindung über höhere Protokolle notwendig ist. Nur durch eine ausreichende Vernetzung von den einzelnen Sensoren bis hin zur Cloud über möglichst einheitliche und offene Schnittstellen können die Zustände geeignet erfasst werden. Für die Speicherung der Zustände, ein effizientes Verarbeiten der Daten, das Trainieren von KI-Algorithmen oder die Berechnung komplexer Simulationsmodelle sind Speicher- und Rechnersysteme auf Edge oder Cloudebene notwendig. Die Wandlungsfähigkeit und Anpassung der Produktionssysteme erfolgt erst durch eine sinnvolle Verknüpfung der gewonnenen Daten durch geeignete Planungs-, Steuerungs-, Regelungs- oder KI-Algorithmen. Die Ergebnisse der Algorithmen führen zu angepassten Parametern, Sollwerten oder gar geänderten Algorithmen, die dann ebenfalls über das Kommunikationsnetzwerk an die einzelnen Module übertragen werden.
Prof.-Dr.-Ing. Alexander Verl leitet das Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen an der Universität Stuttgart. Foto: ISW