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Hohlprägewalzen 09.09.2024, 14:10 Uhr

Neue Anlage revolutioniert Bipolarplattenherstellung

Klimafreundliche Brennstoffzellensysteme, die künftig beispielsweise Fahrzeuge antreiben sollen, sind bislang noch selten und teuer. Dies liegt unter anderem an der aufwendigen und kostspieligen Herstellung der Bipolarplatten – einer Schlüsselkomponente von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen, die für viele Wasserstoffsysteme benötigt werden. Einen wichtigen Schritt in Richtung Kostensenkung und Massenproduktion von Bipolarplatten macht das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU nun mit einer neuartigen Anlage zum Hohlprägewalzen: der „BPPflexRoll“.

Bild 1. Hohlprägewalzen von Bipolarplatten mit der „BPPflexRoll“. In der neu entwickelten Technologie wird die Struktur der Bipolarplatte durch ein Walzenpaar geprägt. Foto: Fraunhofer IWU

Bild 1. Hohlprägewalzen von Bipolarplatten mit der „BPPflexRoll“. In der neu entwickelten Technologie wird die Struktur der Bipolarplatte durch ein Walzenpaar geprägt.

Foto: Fraunhofer IWU

Wasserstoff-Brennstoffzellen besitzen einen hohen Wirkungsgrad. Sie nutzen Wasserstoff und Sauerstoff, um Strom zu produzieren und damit etwa umweltfreundliche Fahrzeuge anzutreiben. Elektrolyseure kehren diesen Vorgang um. Sie spalten Wasser mithilfe elektrischer Energie in Wasserstoff und Sauerstoff. Beide Wasserstoffsysteme benötigen Bipolarplatten (BPP), die die Wandlungskomponenten MEA (Membran-Elektroden-Einheit, in Brennstoffzellensystemen) und CCM (Catalyst Coated Membrane, in Elektrolyseuren) umschließen. In einem Brennstoffzellenstack ermöglicht der doppelwandige Aufbau der Bipolarplatten das Strömen von Sauerstoff und Wasserstoff zu beiden Seiten der MEA und eine Wasserkühlung des Stacks. Das Problem: Derzeit verhindert die teure Herstellung der Bipolarplatten die Anwendung der Wasserstofftechnologie und somit beispielsweise den breiten und kostengünstigen Einsatz von Brennstoffzellenautos mit Wasserstoffantrieb. Erst durch eine günstigere Serienfertigung der Kernkomponente kann dieses Potenzial gehoben werden. Mit der BPPflexRoll haben Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IWU in Chemnitz nun gemeinsam mit der Profiroll Technologies GmbH eine prototypische Anlage zum Hohlprägewalzen entwickelt. Die Fertigungslinie befindet sich am Fraunhofer IWU im Einsatz. Sie verfügt bereits über eine Steuerungstechnik und ein Bedienkonzept, die in wesentlichen Punkten einer industriellen Anlage entsprechen. Die Anlage besteht aus drei Walzgerüsten und benötigt eine Aufstellfläche von 4500 mm x 3300 mm, Bild 1.

Kontinuierliches Verfahren löst diskontinuierliche Batch-Fertigung ab

Die Ursachen für die hohen Kosten der metallischen BPP liegen unter anderem in der diskontinuierlichen Batch-Fertigung. Bipolarplatten bestehen aus jeweils zwei Edelstahl-Halbplatten, auf die in einem diskontinuierlichen Umformungsprozess Strukturen für den Gasfluss und die Wärmeabfuhr geprägt und die dann gefügt werden. Das Hohlprägewalzverfahren hat das Potenzial, diese diskontinuierlichen Prozessketten bzw. Fertigungsschritte durch ein kontinuierliches Verfahren abzulösen, das ohne Verfahrenspausen auskommt und damit eine hohe Stückzahlausbringung erlaubt. Ein Vorteil des Hohlprägewalzens sind insbesondere die höheren Prozessgeschwindigkeiten. Pro Minute lassen sich bis zu 120 BPP-Halbplatten fertigen.

Durch die Umstellung des Herstellungsverfahrens will das Fraunhofer IWU die Herstellungskosten für die BPP halbieren. Mit der neu entwickelten Technologie wird die Struktur der Bipolarplatte mithilfe eines Walzenpaars geprägt, durch welches das dazwischen eingespannte, hauchdünne Metallband kontinuierlich läuft. Eine Umformwalze ist als Stempel, die andere als Matrize definiert. Da die Walzen zum Ausformen der Strömungskanäle mit dem Werkstück annähernd nur einen Linienkontakt haben, können die Prozesskräfte durch die schrittweise Umformung im Vergleich zum konventionellen Hohlprägen durchschnittlich um den Faktor 10 reduziert werden. Dies führt zu einer kleineren, kostengünstigeren Anlagentechnik. Ein weiterer Vorteil der Anlage liegt in ihrer Flexibilität: Die Anzahl der erforderlichen Walzensätze lässt sich in Abhängigkeit der Bipolarplattengeometrie individuell anpassen. Bild 2

Bild 2. Hauptvorteil des kontinuierlichen Verfahrens ist die hohe Prozessgeschwindigkeit, die zu einer substanziellen Steigerung der Stückzahlausbringung, Skaleneffekten und schließlich zu einer deutlichen Reduktion der Kosten führt. Grafik: Fraunhofer IWU

Vielseitig einsetzbare Technologie

Flexibilität in der Produktion bedingt flexible Maschinentechnik und Fertigungsprozesse. Bei der Entwicklung der Walzanlage stand daher die Modularität und Anpassbarkeit im Fokus. Durch einen modularen Aufbau mit separaten Walzeinheiten kann die Maschine schnell an unterschiedliche Geometrien angepasst werden. Der Wechsel von ein- zu mehrstufigen Walzprozessen oder auch die Kombination mit anderen Technologien ist somit in Handumdrehen möglich. Diese Modularität wird künftig noch stärker in Bedien- und Assistenzkonzepte integriert, sodass auch neue Prozesse schnell eingefahren und der Maschinenanwender bei dem Produktwechsel bestmöglich unterstützt werden können.

Kognitive Umformmaschine mit integriertem Monitoringsystem

Mit der neuen Versuchsanlage gehen die Forschenden des Fraunhofer IWU auch einen wichtigen Schritt in Richtung kognitiver Umformmaschinen, die sich mittels Sensorik und intelligenter Algorithmen selbst überwachen und regeln können. Dies gelingt anhand der durchgängigen Verknüpfung von realen Maschinen- und Sensordaten mit einem virtuellen Abbild der Maschine (digitaler Zwilling, DT). Dieser DT ist damit die Basis zur Analyse und Auswertung der Realdaten und kann den Informationsgehalt deutlich erweitern. So werden unter anderem Informationen über tatsächlich wirkende Kraftverteilungen im Prozess oder Belastungen in den Maschinenkomponenten sichtbar. Diese neuen Informationen können dann genutzt werden, um die erreichte Bauteilqualität zu erkennen oder vorherzusagen. Somit erfolgt künftig und anders als bei vielen bisherigen Anlagen die Qualitätsprüfung der BPP im laufenden Prozess. Die Daten werden dann über Cloudlösungen verarbeitet und nutzbar gemacht. Erste mit der Anlage produzierte Bipolarplatten werden bereits am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg in Brennstoffzellen getestet.

Neuer Baustein in der Referenzfabrik.H2

Die neue Anlage ist integraler Bestandteil der Referenzfabrik.H2, welche die Grundlagen für die industrielle Massenproduktion von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen schafft. Die Referenzfabrik.H2 basiert auf den Forschungs- und Entwicklungsprojekten des Fraunhofer IWU und weiterer Fraunhofer-Institute. Industrie und Wissenschaft verstehen sich dabei als Wertschöpfungsgemeinschaft. Im engen Schulterschluss wird es den Partnern gelingen, den zügigen Hochlauf einer effizienten, stückzahlskalierbaren Produktion von Wasserstoffsystemen vorzubereiten.

Von R. Kurth

Robin Kurth
Gruppenleiter Umformmaschinen
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU
Reichenhainer Str. 88, 09126 Chemnitz
robin.kurth@iwu.fraunhofer.de
www.iwu.fraunhofer.de

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