Wie können Exoskelette Fachkräftemangel bekämpfen?
Wie kann man Arbeitsplätze gesünder, sicherer, produktiver und attraktiver gestalten? Mit Exoskeletten kann man körperliche Belastung von Arbeitnehmenden reduzieren und Verletzungen vorbeugen. Innovationen für ergonomische Arbeitsplätze werden auf der Hannover Messe präsentiert.
Rückenschmerzen! Hexenschuss! Wer von uns kennt es nicht? Bei vielen Jobs sind Rückenschmerzen eine fast berufsbegleitende Erscheinung. Im Arbeitsleben sind viele Berufe mit einer erheblichen körperlichen Belastung verbunden. Ob es sich um schwere körperliche Arbeit in der Produktion oder um lange Stunden am Schreibtisch handelt, die Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit können gravierend sein.
Einige von uns müssen eine bestimmte Bewegung immer wieder ausführen, was zu Verschleiß und Verletzungen führen kann. Rücken, Schulter, Nacken… all das kann zu langfristigen Personalausfällen oder sogar zu dauerhaften gesundheitlichen Schäden führen.
Wie kann man die körperliche Belastung im Job reduzieren?
Um die körperliche Belastung im Arbeitsleben zu reduzieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Unternehmen können beispielsweise ergonomische Arbeitsplätze bereitstellen, um die Haltung der Arbeitnehmer zu verbessern, bestimmte Bewegungspausen einführen und ihre Mitarbeiter dazu motivieren, daran teilzunehmen. Viele Unternehmen nutzen ergonomische Hilfsmittel, wie beispielsweise spezielle Mauspads oder Tastaturen, um die Belastung zu verringern.
Die voranschreitende Automatisierung könnte dem Problem entgegenwirken, allerdings es nicht vollständig lösen. Nach Ansicht des Medizintechnikunternehmens Ottobock kann die Automatisierung nicht alle Probleme des Arbeitskräftemangels lösen. „Es gibt Bereiche, die sich nicht nur mit unverhältnismäßigem Aufwand automatisieren lassen“, sagte David Duwe, Verantwortlicher für den Bereich Exoskelette gegenüber dpa. Auch technische Hilfsmittel können hier ins Spiel kommen.
Ingenieure sind in der Verantwortung
Die Idee besteht darin, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit sogenannten Exoskeletten bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Dabei handelt es sich nicht um medizinische Gehhilfen, wie sie beispielsweise für Querschnittsgelähmte verwendet werden, sondern um präventive Maßnahmen am Arbeitsplatz, um Muskel-Skelett-Erkrankungen und Verletzungen proaktiv zu vermeiden, erklärte Duwe.
Ingenieur.de hat auch nachgefragt, wie es bei Ingenieuren aussieht. „Auch wenn Ingenieure selbst weniger körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten nachgehen, so sind sie doch in der Verantwortung, ihre Projekte ergonomisch umzusetzen. Zum Beispiel in den Bereichen Elektrotechnik, Maschinenbau, Energietechnik oder Verkehr haben Ingenieure tagtäglich mit Kolleginnen und Kollegen zu tun, die Überschulter arbeiten oder schwere Lasten handhaben. Exoskelette sind hier ein wirksames Instrument, um Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Rückenbeschwerden zu verhindern“, erklärte auf unsere Nachfrage David Duwe, Vice President Ottobock Bionic Exoskeletons Europe und wies darauf hin, dass Exoskelette auch selbst ein Ergebnis herausragender Ingenieurskunst seien.
Was versteht man unter Exoskeletten?
Exoskelette sind tragbare Roboteranzüge, die menschliche Bewegungen unterstützen oder verstärken können. Sie werden zunehmend im Arbeitsleben eingesetzt, um die körperliche Belastung von Arbeitnehmern zu reduzieren, ihre Effizienz zu steigern und Verletzungen zu verhindern. Sie können in vielen Branchen eingesetzt werden, wie etwa in der Fertigungsindustrie, Logistik, Pflege und sogar im Bergbau.
In der Fertigungsindustrie werden Exoskelette eingesetzt, um Arbeiter bei schweren und wiederholten Aufgaben wie Heben, Schrauben und Schweißen zu unterstützen. Dadurch kann die Belastung auf Gelenke und Muskeln reduziert werden, und der Arbeiter ist nicht so schnell erschöpft. In der Logistikindustrie können Exoskelette beim Verladen von Paletten unterstützen und somit die Belastung auf die Muskeln und Gelenke der Arbeiter signifikant verringern.
In Logistik, Handel, Automobil und Luftfahrt im Einsatz
Ottobock wird Innovationen für ergonomische Arbeitsplätze auf der Hannover Messe präsentieren – mit dem Ziel: Arbeitsplätze gesünder, sicherer, produktiver und attraktiver zu gestalten. Dabei weist das Unternehmen auf den zunehmenden Fachkräftemangel hin. Branchen wie Logistik, Handel, Automobil und Luftfahrt stehen unter Druck. Durch krankheitsbedingte Arbeitsausfälle wird die Lage noch schwieriger. „In der Logistik zum Beispiel kommen auf jeden Beschäftigten in Deutschland 25 Fehltage pro Jahr aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Ein großer Teil davon ist auf Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) zurückzuführen, wie Rückenbeschwerden durch das Heben und Tragen von Lasten. MSE verursachen allein in Deutschland 17,2 Mrd. € Produktionsausfall bzw. 30,5 Mrd. € Ausfall an Bruttowertschöpfung pro Jahr“, heißt es in der Pressemitteilung.
Lösungen für den ganzen Körper
„Die aktuelle Transformation der Arbeitswelt im Sinne von ‚New Work‘ macht nicht Halt vor den sogenannten Blue-Collar Mitarbeitern. Auch die Kollegen in der Produktion, im Handwerk oder Handel wünschen sich mehr Gestaltungsspielraum für ihre Arbeit. Der Einsatz von Exoskeletten, auf freiwilliger Basis, kann hierfür ein echter Meilenstein sein. Die Assistenzsysteme sind buchstäblich eine Stütze für hart arbeitende Menschen und dabei noch sehr komfortabel“, erklärt Martin Böhm, Chief Experience Officer bei Ottobock. Dazu gibt es Lösungen, die den ganzen Körper (z.B. Rücken, Schulter, Nacken, Handgelenk oder Daumen) unterstützen.
So kann man mit einem Modell Mitarbeiter in der Logistik entlasten, Mitarbeiter, die manuell Lasten bewegen und dabei gleichzeitig flexibel sein müssen. Das Exoskelett kann die Belastung des unteren Rückens beim Heben von Gegenständen um durchschnittlich 60 Prozent reduzieren.
Unterstützung bei anstrengenden Überschulter-Tätigkeiten
Das andere Modell eignet sich für Menschen, die anstrengende Überschulter-Tätigkeiten ausführen. Z.B. bei der Automobilfertigung, der Instandsetzung von Zügen oder dem Flugzeugbau. Sie kommen beispielsweise bei Airbus, der Deutschen Bahn und Toyota Nordamerika zum Einsatz. Auch die staatliche Eisenbahngesellschaft Frankreichs SNCF nutzt das Exoskelett, um unter anderem die Wartung ihrer TGV-Züge effizienter zu gestalten, heißt es in der Ottobock-Pressemitteilung.
„Wir verstehen unsere Exoskelette als natürliche Erweiterung des Körpers“, sagte David Duwe. „Sie funktionieren nach einem biomechanischen Prinzip, indem sie Kräfte im Körper umleiten und zwischenspeichern. Diese Technologie bezeichnet man als ‚Energy Harvesting‘. Ganz ohne den Einsatz von Batterien sind unsere Exoskelette besonders leicht und lassen sich in unter 30 Sekunden an- und ablegen.“
Auf der Hannover Messe 2023 vom 17. bis 21. April wird das Exoskelett-Portfolio von Ottobock in Halle 7 an Stand A28/1. D präsentiert.
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