Deutsche Antriebs- und Fluidtechnik werden politisch
Normalerweise stehen technische Innovationen im Mittelpunkt, wenn sich die Antriebs- und Fluidtechnik vor der Hannover Messe beim Branchenverband VDMA präsentieren. Diesmal war es anders.
Politik spielt auf der Hannover Messe neben technischen Innovationen schon lange eine Rolle. Doch selten war die Messe so politisch, wie sie wohl in diesem Jahr wird. Einige deutsche Unternehmen verkleinern aus Kostengründen ihre Stände oder verzichten ganz auf einen eigenen Auftritt. Andere wollen mit ihrem Kommen auch ein Statement an Politiker in Deutschland und Europa senden. Gleichzeitig drängen chinesische Unternehmen stärker nach Europa und werben auf der Hannover Messe um Kunden.
US-Präsident Donald Trump hätte das Messe-Partnerland Kanada gerne als weiteren US-Bundesstaat. Für Europa sind beide nordamerikanischen Länder wichtige Handelspartner. Dazu kommt, dass eigentlich Bundeskanzler Olaf Scholz und Kanadas Premierminister Justin Trudeau zur Eröffnungsfeier der Hannover Messe eingeplant waren. Inzwischen hat Trudeau aber seinen Rücktritt als Premierminister angekündigt und in Deutschland wird kurz vor der Messe neu gewählt.
Europa und Bürokratieabbau sind wichtige Themen für den Maschinenbau
Umso wichtiger ist für Hartmut Rauen, den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des VDMA, in diesem Jahr der „Europäische Abend“ seines Verbands am ersten Messetag. Dort werden der in der EU-Kommission für die Industrie zuständige Minister Stéphane Séjourné und weitere Minister zum Treffen mit der Maschinenbaubranche erwartet. „Ich glaube, Frau von der Leyen hat gelernt, dass der Green Deal allein es nicht bringt. Die Belastungen sind groß“, sagte Rauen am 31. Januar 2025 in Frankfurt a. M.
Laut einer aktuellen Impuls-Studie kostet in Deutschland allein die vom Bund initiierte Bürokratie Unternehmen im Schnitt 3 % ihres Umsatzes. Weitere kämen dazu. Im Maschinenbau kümmere sich aber in der Regel kein Jurist darum, welche Auswirkungen zum Beispiel der Cyber Resilience Act oder die EU-weite Einschränkung bei PFAS-Chemikalien haben. „Da geht der Geschäftsführer zu seinem Konstruktionsleiter. Das sind oft diejenigen, die eigentlich Zukunft gestalten sollen“, machte Rauen deutlich.
Mit Blick auf die neuen politischen Verhältnisse in den USA und den Wettbewerb mit China forderte er: „Deutschland ist viel zu klein. Wir brauchen gerade in einer Zeit, wo Technologien zunehmend Wettbewerbsfähigkeit über Digitalisierung erreichen, skalierungsfähige Märkte.“ Das könne Europa sein.
„Deswegen ist die Hannover Messe so wichtig, weil wir dort all das transportieren. Das können wir auf keiner anderen Messe. Deswegen danke ich den Unternehmen, die verstehen, dass es dort neben den Fachbesuchern einen anderen wichtigen Teil gibt“, so Rauen.
Für Flender-CEO Evertz komm die Hannover Messe zum richtigen Zeitpunkt
„Die Hannover Messe kommt zum richtigen Zeitpunkt“, meint auch Flender-CEO Andreas Evertz. Er hat das Gefühl, dass viele Menschen angesichts der Negativschlagzeilen zum Standort Deutschland den Kopf in den Sand stecken möchten. Neben der Chance in Hannover die eigenen Produkte einem internationalen Publikum präsentieren zu können, schätzt er dort die Möglichkeit, internationale Geschäftspartner, Vertreter aus Politik sowie von Verbänden und Gewerkschaften treffen zu können. „Das ist das, was wir jetzt verbinden müssen“, appellierte er.
Evertz sieht keine generelle Gefährdung deutscher Unternehmen. „Das Problem ist die Wettbewerbsfähigkeit einer Produktion in Deutschland“, machte er deutlich. Über sein Unternehmen sagte er: „Wir sind wie viele andere weltweit aufgestellt. Wir investieren noch ein Drittel unseres Investitionsvolumens in Deutschland. Ein Großteil davon geht in die Automatisierung, Digitalisierung und Nutzung von KI, aber auch in Produkte.“ Innovation ist ihm dabei sehr wichtig.
Maschinenbau kann von China in Sachen Wettbewerbsfähigkeit lernen
Sein Unternehmen und die deutsche Wirtschaft müssen sich aber mit den Plänen Chinas beschäftigen. Seine Einschätzung: „China hat das Problem, nicht mehr zu wachsen.“ Nun gebe es dort große Kapazitäten. „Die haben in Innovationen und Produkte investiert. Die haben die gleichen Maschinen, aber viel bessere Rahmenbedingungen als wir in Deutschland.“ Konkret nannte er Energiekosten, Arbeitszeiten, Krankheitsquoten, Lohnnebenkosten sowie die Höhe der Gehälter.
Nach Evertz‘ Einschätzung hätten viele Unternehmen in der Vergangenheit durch gute Gewinne in China verschleiert, dass sie in Deutschland nicht mehr profitabel sind. Dazu komme nun, dass die Unternehmen dort zwar zunächst viel von Deutschland gelernt, aber das längst auch weiterentwickelt hätten. In der Windkraftbranche sorge China etwa inzwischen regelmäßig mit Innovationen und Rekordmarken für Schlagzeilen. „Wir können viel von den Chinesen lernen“, lautete deshalb sein Credo.
Er sagte mit Blick auf die Zeit zur Markteinführung neuer Produkte: „Bei Flender haben wir uns das angeschaut und sind absolut wettbewerbsfähig. Wir sind genauso schnell wie die Chinesen und haben die gleichen Kostenstrukturen – aber aus China heraus, nicht aus Deutschland!“ Das gelte auch für andere deutsche Unternehmen, die sich mit ihren Wertschöpfungsketten international aufgestellt haben. Aus Deutschland heraus funktioniere das nicht mehr. Das gelte es in Hannover zu diskutieren. „Das müssen wir angehen, für den Standort und die Arbeitsplätze, die wir in Deutschland haben“, so der Flender-CEO.
Auf der Hannover Messe gibt es zwei typische Ausstellergruppen aus China
Die Expansionsbestrebungen chinesischer Hersteller im Ausland sind auf Messen in Deutschland deutlich zu erkennen. Seit einigen Jahren kommen immer mehr Unternehmen aus der Volksrepublik zur Hannover Messe. Messechef Jochen Köckler unterscheidet dabei zwischen zwei Ausstellergruppen: zwischen Unternehmen, die – gefördert vom Staat – auf großen Gemeinschaftsständen auftreten, und einer kleineren Anzahl an Unternehmen, die sich auf der Weltbühne mit Produkten führender Unternehmen messen.
Von den etablierten Ausstellern habe die Messegesellschaft den Auftrag, dafür zu sorgen, dass der Charakter der internationalen Industrieschau erhalten bleibe. Dem wolle der Veranstalter gerecht werden, indem große Gemeinschaftsstände weiterhin nicht zwischen den internationalen Marktführen platziert werden.
Auf Nachfrage der VDI nachrichten sagte Köckler Stand Januar 2025: „Wir haben nicht mehr chinesische Aussteller als deutsche.“ Mit den deutschen Unternehmen, die aus Kostengründen ihre Stände verkleinerten oder in diesem Jahr auf einen Auftritt in Hannover verzichteten, sei man weiterhin in einem guten Austausch.
Fluid- und Antriebstechnik verzeichnen Umsatzrückgänge
Die Marktzahlen und Innovationen der Antriebs- und Fluidtechnik wurden da fast zur Nebensache. Denn für das Jahr 2025 erwartet der gleichnamige VDMA-Fachverband nach einem nominalen Umsatzrückgang von etwa 8 % im Jahr 2024 (gegenüber dem Vorjahr) keine wesentliche Erholung. Sie gehen von einem – wenn auch moderateren – Rückgang aus. Zusammen verzeichnen beide Branchen ein Umsatzvolumen von etwa 30 Mrd. €.
Umso wichtiger ist es für die Unternehmen, der Welt in Hannover unter dem Leitthema „Motions & Drives“ ihre Leistungsfähigkeit und Innovationskraft zu präsentieren. Dazu gehören zahlreiche digitale Innovationen, wie der Hydraulik-Hub, mit dem Bosch Rexroth den Service deutlich verbessern möchte. Ein QR-Code am Produkt ist dafür der Ausgangspunkt. Der führt zunächst zur entsprechenden Produktdokumentation sowie zu den CAD-Daten des Produkts. Über einen Chatbot im Hydraulik-Hub soll dann schnell eine passende Lösung für die jeweilige Serviceanfrage gefunden werden.
Ähnliche Entwicklungen verfolgt die Fluidtechnikbranche auch mit dem Gemeinschaftsprojekt Fluid 4.0, das ebenfalls in Hannover präsentiert werden soll. Unternehmen und Forschungseinrichtungen entwickeln in dem Projekt gemeinsam digitale Zwillinge in Form von Verwaltungsschalen für das Systemmanagement in industrierelevanten Anwendungsfällen. Deren Nutzen stellen sie dann anhand von Demonstratoren unter Beweis.
Technik soll in Hannover zum Event werden
Etwas Besonders haben sich für die kommende Hannover Messe beispielsweise die Unternehmen Festo und SEW Eurodrive einfallen lassen. Festo möchte zu seinem 100-jährigen Bestehen eine große Maschine präsentieren, die historische und neue Anwendungsfelder aus der Pneumatik und der Antriebstechnik verbindet. Mehr zum Projekt „incredible machine“ wollte Festos Entwicklungsvorstand Ansgar Kriwet allerdings noch nicht verraten.
Die SEW-Eurodrive GmbH & Co KG plant auf ihrem Stand eine Erlebniswelt in der Antriebstechnik. Dort will das Unternehmen beispielsweise Drohnen aufsteigen lassen und den Nutzen digitaler Zwillinge erlebbar machen. Außerdem sind Liveschaltungen zu kanadischen Partnern in verschiedenen Branchen geplant.
Die Hannover Messe findet vom 31. März bis zum 4. April 2025 statt.
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