Virtuelle Berührungen 16.04.2024, 14:54 Uhr

Smarte Textilien vermitteln kranken Kindern körperliche Nähe

Neue Technologien ermöglichen es, Berührungen virtuell zu übertragen und bieten so Trost und Nähe, selbst auf Distanz. Ein möglicher Einsatzbereich sind schwer kranke Kinder auf Isolierstationen. Auch ein Einsatz in der Industrie 4.0 ist denkbar.

smarte Textilien

Doktorandin Sipontina Croce und Student Lukas Roth (rechts) forschen an smarten Folien, die in Textilien eingearbeitet werden können. Arbeitshandschuhe für die Industrie 4.0 werden dadurch ebenso möglich wie Textilien, die virtuelle Berührungen spürbar machen. Auf der Hannover Messe demonstriert das Team der Professoren Stefan Seelecke und Paul Motzki seine Technologie mit "Uhren", auf deren Rückseite eine smarte Folie Berührungen überträgt. Mehrere solch smarter Bausteine aneinandergereiht können eine lange Streichbewegung übertragen.

Foto: Oliver Dietze / Universität des Saarlandes

Die Sehnsucht nach körperlicher Nähe lässt sich nicht immer sofort stillen, vor allem dann nicht, wenn eine Krankheit den direkten Kontakt unmöglich macht. Forscher der Universität des Saarlandes präsentieren auf der Hannover Messe 2024 eine innovative Lösung: intelligente Textilien, die virtuelle Berührungen real werden lassen.

Die Magie der Berührung im digitalen Zeitalter

Berührungen sind ein elementarer Bestandteil menschlicher Kommunikation. Sie vermitteln Geborgenheit, Trost und Nähe. Die Forschung hat gezeigt, dass Körperkontakt zahlreiche Bereiche des Gehirns aktiviert und durch die Ausschüttung von Hormonen wie Oxytocin das Wohlbefinden steigert.

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Was ist aber, wenn solche Berührungen nicht möglich sind, um die Nervenzellen der Haut zur Ausschüttung von Hormonen zu stimulieren? Wie zum Beispiel bei schwer kranken Kindern, die auf Isolierstationen ganz alleine sein müssen? Ein Team der Universität des Saarlande arbeitet mit Partnern aus anderen Forschungseinrichtungen über Fachgrenzen hinweg zusammen an einer Lösung, um möglichst realitätsnah solch ein Erlebnis zu realisieren.

Distanz überwinden in kritischen Zeiten

Beim Projekt „Multi-Immerse“ an der Universität des Saarlandes geht es darum, physische Distanz durch die Vermittlung realer Sinneserfahrungen zu überwinden. In Situationen, in denen Kinder aufgrund von Krankheit isoliert sind und der direkte Kontakt zu den Eltern nicht möglich ist, schafft diese Technologie eine neue Form der Nähe.

Die intelligenten Textilien, die in Zusammenarbeit mit Instituten wie dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und demZentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) entwickelt werden, nutzen eine ausgefeilte Sensorik und Aktorik, um Berührungen realitätsnah zu simulieren.

Die Technik hinter der emotionalen Berührung

Basis der Technologie sind Silikonfolien, die von den Professoren Stefan Seelecke und Paul Motzki entwickelt wurden. Diese nur 50 Mikrometer dünnen Folien dienen als Schnittstelle zwischen realer und virtueller Welt und können die Berührungen, die eine Person auf einem Textil ausübt, exakt auf ein anderes übertragen. Die Folien fungieren dabei sowohl als Sensoren, die Berührungen erkennen, als auch als Aktoren, die diese Empfindungen weitergeben.

„Die Ober- und Unterseite der Folie sind mit einer leitfähigen, hochdehnbaren Elektrodenschicht bedruckt. Wenn wir hieran eine elektrische Spannung anlegen, ziehen sich die Elektroden durch die elektrostatische Anziehung an und stauchen die Folie, die zur Seite ausweicht und dabei ihre Fläche vergrößert“, erklärt Professor Paul Motzki die Technologie, der die Brückenprofessur „Smarte Materialsysteme für innovative Produktion“ zwischen Universität des Saarlandes und ZeMA innehat.

Präsentation und Ausblick auf der Hannover Messe

Auf der Hannover Messe 2024 demonstriert das Team die Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie, von der Übertragung langer Streichbewegungen bis hin zur Entwicklung neuer interaktiver Elemente für die Industrie 4.0. Die Vielseitigkeit und Energieeffizienz der Folientechnologie bietet darüber hinaus spannende Anwendungen in Bereichen wie Gaming und Industrieautomation.

„Wir können mehrere solcher smarter Bausteine aneinanderreihen, so dass zum Beispiel eine lange Streichbewegung übertragen werden kann. Hierzu vernetzen wir diese Bausteine, so dass sie wie ein Schwarm untereinander kommunizieren und kooperieren“, erklärt Paul Motzki.

Die Universität des Saarlandes ist auf der Hannover Messe in Halle 2, Stand B10 zu finden.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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