Alles zu Anspruch und Höhe 20.06.2022, 18:23 Uhr

Abfindung: So bekommen Sie mehr – Tipps und Beispiele

Wie hoch ist eine übliche Abfindung? Wer hat Anspruch? Und wie kann man mehr rausholen? Wir geben Tipps und klären die wichtigsten Fragen.

100 Euro Scheine Hand zählt

Abfindungen scheinen zunächst verlockend – doch kritische Prüfung hilft noch mehr herauszuholen.

Foto: panthermedia.net/farbenfinsternis

Ihr Arbeitgeber bietet Ihnen eine attraktive Abfindung, wenn Sie das Unternehmen verlassen? Das klingt zunächst verlockend, doch nicht immer sollten Sie es annehmen.

Nicht ohne Grund kann man einen 58-jährigen Mitarbeiter eines renommierten Unternehmens schon verstehen, wenn er bei einer hohen Abfindung nicht Nein sagt. Wahrscheinlich hat er sein kreditfreies Häuschen im Grünen, ein nicht unwesentliches Guthaben auf der hohen Kante und malt sich bis zur Rentenzahlung ein problemloses, arbeitsfreies Leben aus. So simpel ist es nicht immer.

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Warum gibt es eine Abfindung?

Die Zahlung einer Abfindung kann eine Maßnahme eines Unternehmens zu sein, das Risiko teurer Zivilprozesse zu vermeiden, zum Beispiel wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mit einer Kündigungsschutzklage vor Gericht zieht. Die Zahlung einer Abfindung kann dann durchaus die günstigere Variante für den Arbeitgeber sein.

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Mit Abfindungen wollen Firmen ihre Angestellten auch zur freiwilligen Kündigung ermutigen – und so oftmals sozialverträglich Personal abbauen. Wenn sie sich die Frage  stellen, ob Sie ein solches Angebot annehmen sollen, gilt: Kritisch prüfen ist das A und O. Im Folgenden erklären wir Ihnen, worauf Sie achten müssen.

Was ist eine Abfindung?

Unter einer Abfindung versteht man eine einmalige und außerordentliche Zahlung des Arbeitgebers an einen Mitarbeiter. Sie gilt als finanzielle Entschädigung für eine Kündigung. Der Verlust des Arbeitsplatzes und die Einbußen beim Gehalt sollen damit abgefangen werden, sodass Arbeitnehmer die Überbrückungszeit bis zum neuen Stellenantritt finanziell leichter bewältigen können.

Für Unternehmen stellt die Abfindung oftmals eine günstigere Alternative zu einem möglichen Rechtsstreit dar. Mit einer attraktiven Einmalzahlung kann das Prozessrisiko vermieden werden, wenn ein gekündigter Mitarbeiter Kündigungsschutzklage einreicht.

Wann sollte man eine Abfindung ablehnen?

Wer beispielsweise als junger Angestellter wegen „läppischer“ sieben Monatsgehältern des Einstiegsgehalts den freiwilligen Sofortausstieg bei seinem Arbeitgeber erwägt, muss von allen guten Geistern verlassen sein. Die voraussichtliche Abfindung muss in Hinsicht auf den weiteren Berufsweg äußerst kritisch überprüft werden.

Ausnahmen bestätigen die Regel und rechtfertigen auch für jüngere Menschen den Sofortausstieg mit Abfindung. Beispielsweise wenn ein vertragsreifes Angebot eines Konkurrenten auf dem Tisch liegt, der Weg in die Selbständigkeit oder der Antritt zu einer längeren Weiterbildungsmaßnahme wie MBA ohnehin längst geplant waren. Hier kommt eine kleine Finanzspritze sogar wie gerufen.

Wer hat Anspruch auf eine Abfindung?

Gibt es ein gesetzliches Anrecht auf eine Abfindung? Die Antwort ist schnell gegeben: Nein, die gibt es grundsätzlich nicht. Bei einer ordnungsgemäßen Entlassung endet die Zusammenarbeit nach der Kündigungsfrist. Bei einer urechtmäßigen Kündigung wiederum haben Sie das Recht, in Ihren Job zurückzukehren.

Aber: Es gibt Ausnahmen, bei denen Sie eben doch einen Anspruch auf Abfindung oder eine vergleichbare Zahlung haben:

Es gibt jedoch mehrere Ausnahmen, in denen Sie einen offiziellen Anspruch auf Abfindung haben:

Betriebsbedingte Kündigung

Aus dem Kündigungsschutzgesetz kann sich unter Umständen ein Anspruch auf eine Abfindung ergeben. Konkret geht es um § 1a des KschG.  Darin heißt es:

Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung.

Aber: Der Paragraph be­inhal­tet kei­nen all­ge­mei­nen oder zwin­gen­den ge­setz­li­chen Ab­fin­dungs­an­spruch, sondern es wird vorausgesetzt, dass der Ar­beit­ge­ber ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung aus­spricht und ei­ne frei­wil­li­ge und Ab­fin­dungs­zu­sa­ge ausspricht.

Nicht nur bei Abfindungen, sondern erst recht bei Gehaltsverhandlungen braucht es Geschick. Expertin Ljubow Chaikevitch gibt Tipps in dieser Podcast-Folge von „Prototyp“ und erklärt, wie man mit drei magischen Zahlen zum Wunschgehalt kommt: 

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Und: Der Kündigungsschutz greift bei Betrieben, die mindestens zehn Mitarbeiter beschäftigen und auch nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis seit mehr als sechs Monaten besteht.

Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung

Möglicherweise ist die Zahlung einer Abfindung in Ihrem Tarifvertrag geregelt – oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber.

Der Betriebsrat vereinbart einen Sozialplan

Der Betriebsrat kann im Rahmen eines Sozialplans auch Abfindungen für betroffene Mitarbeiter vereinbaren.

Gewohnheitsrecht

Das Gewohnheitsrecht greift bei der sogenannten betrieblichen Übung. Das heißt: Wenn es im Unternehmen so üblich ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Abfindung erhalten, wenn sie aus dem Betrieb ausscheiden, können Sie womöglich einen Anspruch geltend machen. Dabei gilt grundsätzlich: Ohne Grund darf ihr Arbeitgeber sie nicht anders behandeln als die anderen Mitarbeiter, die eine Abfindung bekommen haben.

Wie bekommt man eine Abfindung ausgezahlt?

Meist wird eine Einmalzahlung vereinbart.

Wie hoch ist eine übliche Abfindung ?

Die Höhe der Abfindung hängt in der Regel vom Verhandlungsgeschick des Arbeitnehmers ab. Die Verhandlungsposition ist gut, wenn es echte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung gibt. Stehen Ihre Chancen vor Gericht gut, kann Ihr Arbeitgeber eher bereit sein, eine höhere Abfindung zu zahlen. Selbstbewusstes Auftreten ist wichtig, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Eine Faustregel bei der Berechnung der möglichen Abfindung: Üblich ist ein halbes bis ganzes Brutto-Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. 

  • Ein Rechen-Beispiel: Sie sind seit zehn Jahren im Unternehmen und verdienen 5000 Euro brutto pro Monat. Dann liegt die Abfindung realistischerweise bei 25.000 Euro (bis 50.000 Euro).

Viele Faktoren wirken sich aber zudem auf die Höhe aus:

  • Die Branche, in der Sie arbeiten
  • Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt
  • Ihr Familienstand
  • Die Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Ihre letzte Position im Unternehmen

Wie bekommt man mehr Abfindung?

Eine gute Vorbereitung ist hierbei entscheidend.

Ganz wichtig: Achten Sie auf die Fristen!

Eine Kündigungsschutzklage müssen Sie innerhalb von 21 Tagen nach Erhalt der Kündigung einreichen. Sonst gilt die Kündigung auch dann, wenn es formale oder sonstige Fehler in der Kündigung gibt.

Ein bisschen Pokern beim Verhandeln schadet nicht

Checken Sie Ihre Verhandlungsposition und stellen Sie sich die Frage: Wie sehr ist Ihrem Arbeitgeber daran gelegen, es nicht zu einem Prozess kommen zu lassen? Oft ist es keine gute Idee, das allererste Angebot anzunehmen. Unterbreiten Sie ruhig einen Gegenvorschlag, verhandeln können Sie dann immer noch.

Grundsätzlich gilt: Kluges Taktieren ist in Punkto Abfindung gefragt. Auf keinen Fall sollten Mitarbeiter sich durch solche Äußerungen von Vorgesetzten oder Geschäftsführern unter Druck setzen lassen:

  • „Nehmen Sie das Abfindungsangebot auf jeden Fall jetzt an. Wir wissen alle nicht, wie es weitergeht.“
  • „Ihre Kollegen werden in der nächsten Runde wahrscheinlich ohne Abfindung nach Hause gehen müssen.“

Mit diesen Sprüchen sollte sich niemand ins Boxhorn jagen lassen. Es liegt im Interesse des Unternehmens, dass möglichst viele Kollegen das Abfindungsangebot akzeptieren und den Arbeitsplatz räumen. Lassen Sie sich im Zweifel von einem Arbeitsrechtler beraten.

Was für das Unternehmen gut und günstig ist, muss es aber lange noch nicht für den Arbeitnehmer sein. Was sind schon sieben Monatsgehälter als Abfindung und der direkte Weg in die Arbeitslosigkeit wirklich wert? Wer als junger Ingenieur mit guten Erfahrungen und Verdiensten im Berufsleben vorschnell nach dem Geld greift, hat eine etwas zu rosarote Brille auf der Nase und wenig Gespür für die Realitäten am Arbeitsmarkt.

Die letzte Option

Gerade wer heute in einer sich wandelnden Branche als Ingenieur oder Ingenieurin freigesetzt wird – egal ob mit oder ohne Abfindung –, tut sich schwer mit einer Anschlussbeschäftigung. Dies gilt umso stärker, wenn er aufgrund seiner Erfahrung und Ausbildung ausschließlich auf die einen Industriezweig fixiert ist und wenig Affinität zu den für Ingenieure gut laufenden Branchen wie etwa Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie nachweisen kann.

Wie viel verdienen Chemieingenieure?

Wenn der aktuelle Arbeitgeber wackelt, sollten Mitarbeiter auf Zeit spielen und spätestens jetzt intensiv Bewerbungen schreiben. Wer vorausschauend ist, sollte diese Aktivitäten besser schon dann anleiern, wenn die ersten Gerüchte über Freisetzung und Abfindung aufkommen, um am Tage X eine Alternative auf dem Tisch zu haben. Es wird ja selten jemand im Schlaf von den neuesten Entwicklungen überrascht.

Sonst gilt: So lange wie möglich an Bord bleiben

„So lange wie möglich an Bord bleiben!“ ist das beste Rezept, um für den Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben und ohne große Unterbrechungen die berufliche Entwicklung fortsetzen zu können. Auffang- oder Beschäftigungsgesellschaften sollte man eher kritisch gegenübertreten. Häufig führt der Weg aus diesen Gesellschaften nicht weiter.

Statt die Abfindung schnell zu akzeptieren ist es also sinnvoller, das Beschäftigungsverhältnis längstmöglich fortzusetzen und parallel am Arbeitsmarkt zu agieren. Es kann ja auch noch zu der einen oder anderen überraschenden Wendung im eigenen Unternehmen kommen. Wer sich zu früh verabschiedet hat, bereut dann möglicherweise den übereilten Schritt.

Ausnahme: Abfindung beinhaltet Zeitraum für die Jobsuche

Wenn das Angebot zur Abfindung eine Zeit beinhaltet, in der der Arbeitnehmer nach einem neuen Job suchen kann. Sechs bis neun Monate sollte diese Zeit aber schon beinhalten.

Tipp:
Der Aufhebungsvertrag: Instrument zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses 

Ein Beitrag von:

  • Bernd Andersch

    Bernd Andersch ist Karriere-Coach, Sachbuchautor und Spezialist für Bewerbungsstrategien.

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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