Leiharbeit: Was Sie beachten sollten
Auch Ingenieure und Ingenieurinnen sind bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt, wenige über einen längeren Zeitraum, die meisten vorübergehend. Was bedeutet das für die Betroffenen? Worauf müssen sie in Bezug auf den Arbeitsvertrag achten?
Zeitarbeit, oder: Arbeitnehmerüberlassung, ist eine Möglichkeit, etwa die Zeit, die jemand bis zur nächsten Festanstellung überbrücken möchte, zu nutzen und Geld zu verdienen. Auch wenn sie in der Regel schlechter bezahlt wird als eine Festanstellung. Zeitarbeit, das bedeutet auch: „Arbeiten auf Zeit“. Konkret hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer (der Leiharbeitnehmer) einen Arbeitsvertrag mit einer Verleihfirma (dem Verleiher) geschlossen, die ihn beziehungsweise sie daraufhin befristet bei einem oder mehreren Kunden (dem Entleiher) einsetzt. Aus diesem Grund wird Zeitarbeit auch „Arbeitnehmerüberlassung“ genannt.
Die Unternehmen sind Kunden bei den Zeitarbeitsfirmen und haben durch diese den Vorteil, auf konjunkturbedingte Schwankungen personell zu reagieren oder sich externes Fachpersonal „einzukaufen“.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Zeitarbeit
Als Zeitarbeitskraft ist Ihr Arbeitgeber also das Zeitarbeitsunternehmen, mit dem Sie den Arbeitsvertrag geschlossen haben. Dieses bezahlt auch das verhandelte Entgelt. Darüber hinaus haben Sie aber auch einen Vorgesetzten im Entleihbetrieb. Wie alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dort sind auch Sie dazu verpflichtet, den Weisungen dieses Vorgesetzten Folge zu leisten. Rechte und Pflichten eines Arbeitgebers inklusive der Bezahlung liegen beim Verleiher. Dieser muss eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung („AÜG-Lizenz“) haben, die die Bundesagentur für Arbeit auf Antrag erteilt.
Grundsätzlich haben Beschäftigte in der Leiharbeit die gleichen Rechte wie ihre Kolleginnen und Kollegen. Das Leihunternehmen, bei dem die oder der Arbeitnehmer angestellt ist, muss Beiträge zu den Sozialversicherungen abführen, den Lohn im Krankheitsfall weiterzahlen und sich an den gesetzlichen Kündigungsschutz halten. Das Problem ist jedoch, dass ein Leiharbeitsverhältnis oftmals nur wenige Monate dauert, der gesetzliche Kündigungsschutz aber erst nach sechs Monaten greift, sodass dieser Schutz faktisch ausgehebelt wird.
Zu den Rechten und Pflichten gehört der Urlaubsanspruch. Arbeiten Sie längere Zeit am Stück bei demselben Kunden, steht Ihnen in der Regel nach neun Monaten auch dasselbe Gehalt zu wie der Stammbelegschaft des Entleihers.
Haben Sie Ihren Tätigkeitsschwerpunkt in Hessen oder Nordrhein-Westfalen, haben Sie als Zeitarbeitskraft wie andere Arbeitnehmer in diesen Bundesländern ein Recht auf Bildungsurlaub. Dabei handelt es sich um einen Anspruch auf bezahlte Freistellung mit dem Ziel, sich in dieser Zeit beruflich weiterzubilden.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?
Für die Leiharbeit gilt laut Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) der „Grundsatz der Gleichstellung“, das heißt, der Verleiher ist eigentlich verpflichtet, dem Leiharbeitenden die im Entleihbetrieb für eine vergleichbare Beschäftigung geltenden „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ einschließlich des Lohns zu gewähren (sogenanntes „equal treatment“ und „equal pay“). Allerdings hat sich gezeigt, dass Leihbeschäftigte in der Praxis meist trotzdem schlechter bezahlt werden, nicht mit den Stammbeschäftigten gleichgestellt und alleine kaum in der Lage sind, „equal pay“ und „equal treatment“ gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Fakt ist also leider: Auch für den Ingenieur und die Ingenieurin in Zeitarbeit bleibt gegebenenfalls weniger übrig, als der Tarifvertrag zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverband für Festangestellte vorsieht.
Wenn das Leihunternehmen Mitglied im Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) oder dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) ist, gelten aber die mit den DGB-Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge – also gezielt nachfragen!
Grundsätzlich kommt es bei der Bezahlung aber einfach auf die Art der Tätigkeit in der Leiharbeit an. Auch wenn der Niedriglohnanteil immer noch mehr als dreimal so hoch ist wie bei den Vollzeitbeschäftigten insgesamt, gibt es auch spezielle Verleihfirmen etwa für Ärzte und Ärztinnen, Fachleute für Kraftwerke und auch Ingenieure und Ingenieurinnen, die im Vergleich hohe Löhne zahlen, um diese Spezialisten vermitteln zu können.
Richtige Einstufung in Tarif-Entgeltgruppe
Entscheidend für den Verdienst ist die richtige Eingruppierung. Ausschlaggebend sind zum einen die berufliche Qualifikation, zum anderen die Art der Tätigkeit, die ausgeübt werden soll. Je höher die Entgeltgruppe, desto höher die Anforderungen und umso höher auch das Gehalt. Da in bestimmten Branchen die durchschnittliche Bezahlung weit über den Mindestentgelten liegt, gibt es hier zusätzlich Branchenzuschläge, um die Vergütung der Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen anzugleichen. Die Zuschläge steigen je nach Dauer der Beschäftigung in dem jeweiligen Entleihbetrieb und sind je nach Branche unterschiedlich hoch.
Überstunden werden eher selten vergütet, in der Regel gibt es dafür Freizeitausgleich. Geregelt wird dieser über ein tarifrechtlich vereinbartes Arbeitszeitkonto, das das Zeitarbeitsunternehmen führt.
Neue Herausforderungen des Arbeitsmarktes
Der ursprüngliche Sinn von Leiharbeit war es, Unternehmen die Möglichkeit zu geben, zeitweise auftretende „Arbeitsspitzen“ abzudecken, indem sie sich Arbeitskräfte für diesen Zweck befristet ausleihen können. Allerdings wurde die Leiharbeit – insbesondere durch die „Hartz-Gesetze“ ab 2002 – auch zu einem Instrument zum Abbau von Arbeitslosigkeit. In jüngster Zeit gibt es zudem Entwicklungen in der Leiharbeit, mit denen auf neue Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt reagiert wird (etwa auf partiellen Fachkräfte- und Spezialistenmangel), sodass sich Zeitarbeit zunehmend aus der „Schmuddelecke“ des Arbeitsmarktes befreien kann.
Qualitätsmerkmale von Anbietern
Die Zeitarbeitsfirma, die Sie in Betracht ziehen, sollte eine unbefristete Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung besitzen und bestenfalls über mehrjährige Erfahrung am Markt verfügen. Ein ISO-Zertifikat sowie Auszeichnungen bei Arbeitgeberwettbewerben sind weitere Qualitätsmerkmale.
Zeitarbeit: für fast alle Qualifikationen und Tätigkeiten
Grundsätzlich gibt es alle Qualifikationsstufen und fast alle Tätigkeitsfelder in Form von Zeitarbeit. Ein Drittel aller Zeitarbeitskräfte ist in Berufen tätig, die der Metall- und Elektrobranche angehören. Rund ein Viertel arbeitet in den Bereichen Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit.
Das Zeitarbeitsunternehmen regelt vor allem, wie Sie als Zeitarbeitskraft in dem einen oder den verschiedenen Betrieben eingesetzt werden. Bevor Sie allerdings für einen bestimmten Aufgabenbereich bei einem bestimmten, neuen Kunden eingesetzt werden, muss das Zeitarbeitsunternehmen Ihnen dies zuvor schriftlich mitteilen. Für Ihre Einarbeitung am neuen Arbeitsplatz ist anschließend der entleihende Betrieb zuständig.
Zeitarbeit: Sprungbrett für die eigene Karriere
Zeitarbeit hat – zu Recht oder nicht – einen schlechten Ruf. Doch es gibt durchaus Branchen, in denen diese Art der Anstellung recht üblich geworden ist: Flugzeug- oder Fahrzeugbauer etwa greifen immer häufiger auf Ingenieure und Ingenieurinnen von Dienstleistern zurück. Für Absolventen kann dies ein ideales Sprungbrett für die eigene Laufbahn sein. Denn viele Zeitarbeitsfirmen haben ein gesteigertes Interesse an Akademikern, weil der Arbeitsmarkt flexible und gut ausgebildete Arbeitskräfte fordert, die sich auf projektbezogene Arbeitsweisen verstehen.
Dann kommt Zeitarbeit für Sie infrage
Zeitarbeit bietet vor allem Chancen, wenn Sie arbeitslos geworden sind oder nach dem Studium noch nicht den passenden Job gefunden haben. Schließlich sind die Einstellungshürden in der Regel nicht so hoch wie bei unbefristeter Arbeit. Der Übergang zur nächsten Arbeitsstelle klappt im Übrigen so meist schneller. Dies gilt auch für Berufsrückkehrer, die durch Zeitarbeit leichter wieder Fuß fassen auf dem Arbeitsmarkt.
Durch den Einsatz in verschiedenen Projekten und bei unterschiedlichen Unternehmen ergeben sich vor allem für Absolventen in Zeitarbeit folgende Vorteile:
- Sie sammeln vielseitige Berufserfahrung.
- Sie können ihre eigenen Fähigkeiten austesten oder neue lernen.
- Sie knüpfen Kontakte und bauen sich ein Netzwerk auf.
- Wer sich nicht sicher ist, wo es beruflich hingehen soll, kann verschiedene Möglichkeiten ausprobieren.
- Es bestehen gute Chancen, bei Eignung von großen Unternehmen übernommen zu werden, bei denen Sie auf dem klassischen Weg der Bewerbung vielleicht nur geringe Chancen gehabt hätten.
Besonderheit: Ingenieurdienstleister
Als Engineering-Dienstleister haben diese spezialisierten Leiharbeitsfirmen einen großen Bedarf an qualifizierten Fachkräften – auch an Einsteigern. Technisches Know-how auf Abruf ist weltweit sehr gefragt. Deshalb suchen Ingenieurdienstleister meist Nachwuchs, der kurzfristig und flexibel einsetzbar ist, auch im Ausland. Denn der Trend geht in vielen Industriebereichen hin zur Auslagerung von Projekten an externe Dienstleister.
Allerdings ist klar, dass die Aufstiegsmöglichkeiten bei einem Ingenieurdienstleister begrenzt sind. Karriere macht es sich besser bei einem Weltkonzern. Die flachen Strukturen der spezialisierten Dienstleister eignen sich daher eher für Menschen, die nach dem Studium Erfahrung sammeln wollen. Anders als bei Autozulieferern etwa laufen Jungingenieure nämlich dort kaum Gefahr, anfangs monatelang für eine eintönige Aufgabe zuständig sein zu müssen.
Besondere Chancen für Migrantinnen und Migranten
Auch Migrantinnen und Migranten können von Zeitarbeit profitieren. Denn Fakt ist, dass im Ausland erworbene Abschlüsse für Arbeitgeber oft schwer einschätzbar sind. Über Zeitarbeit bekommen sie eher die Chance, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse unter Beweis zu stellen, im besten Fall mit der Aussicht auf eine spätere Festanstellung. Gleichzeitig bietet die Arbeit auf Zeit auch die Möglichkeit, die deutsche Sprache schneller zu erlernen/zu verbessern und sich mit der deutschen Unternehmenskultur vertraut zu machen.
Zeitarbeit mit Einsatz im Ausland
Wer von Deutschland aus als Ingenieurin oder Ingenieur ins Ausland geht und dort als Leiharbeiterin oder Leiharbeiterin sein Geld verdient, hat erfahrungsgemäß zwar weniger im Portemonnaie als die übrigen Beschäftigten vor Ort, das kann wiederum aber durch Zuschläge für diese Arbeit fernab der Heimat im Vergleich zum bisherigen Verdienst durchaus Vorteile haben. Es ist also – wie fast immer – eine Verhandlungssache und Abwägung, wie die Konditionen im individuellen Fall aussehen.
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