Chef sein ist out: Generation Z hat wenig Lust auf Tech-Konzerne
Anja Robert von der RWTH Aachen sagt: Die jetzigen Absolventinnen und Absolventen wollen etwas bewegen und entwickeln: aber nicht mehr um jeden Preis.
Die Ziele sind nicht mehr die selben wie noch vor 20 Jahren: Ein dicker Firmenwagen und die klassische Karriere im namhaften Großkonzern sind für viele aus der sogenannten Generation Z nicht mehr begehrenswert, sagt Anja Robert, Koordinatorin des Career Center der RWTH Aachen. Am Montag war sie zu Gast beim Karriere-Talk des VDI nachrichten Job Hub auf der Hannover Messe.
Ihre Erfahrung aus 15 Jahren Studierendenberatung: Eine 50-Stunden-Arbeitswoche mit saftigem Gehalt ist für die meisten keine Option mehr. Sinnhaftigkeit der Arbeit, Gestaltungsmöglichkeiten und vor allem Raum für die eigene Freizeit und private Lebensplanung seien wichtig.
Fachkräftemangel wird zum Problem
Für viele Unternehmen, in denen noch Strukturen wie vor 15 Jahren gelebt werden, wird das zum großen Problem. Denn es herrscht ein eklatanter Fachkräftemangel, aktuell sind laut einer Erhebung des VDI und des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) mehr als 150.000 Stellen bei Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie im IT-Bereich unbesetzt. Jährlich fehlen demnach mehr als 20.000 Erstabsolventinnen und -absolventen in MINT-Fächern, die den Mangel ausgleichen könnten. Wer jetzt seinen Abschluss macht, kann sich das Unternehmen aussuchen – Konzerne, die nicht attraktiv sind für die jungen Fachkräfte, haben das Nachsehen.
Die langsamen Wege und starren Strukturen in vielen Großkonzernen würden viele aus der Generation Z abschrecken, so Robert. Trends wie Energiewende und Klimaschutz würden bei vielen Studierenden an oberster Stelle bei der Berufswahl stehen. „Was fehlt, ist oft die Erkenntnis, dass auch die klassischen Branchen und Unternehmen, etwa im Maschinenbau aufgrund der Dekarbonisierung, inzwischen auf Zukunftstechnologien bauen.“ Es sei wichtig, klar zu machen: Gerade auch in „klassischen“ Technikfächern kann man etwas für den Klimaschutz tun. Viele Unternehmen begingen allerdings den Fehler, nicht offensiv damit umzugehen und die Attraktivität umweltbewusster Produktion als Betätigungsfeld für junge Ingenieurinnen und Ingenieure in den Vordergrund zu rücken. „Die Jungen haben Lust auf Technik, sie muss nur neu verpackt werden“, so Anja Robert.
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„Der alte weiße Mann ist nicht mehr das Maß aller Dinge“
International aufgestellte Unternehmen können mit kompetentem Nachwuchs rechnen, sagte Robert. Während des Studiums zeitweise im Ausland zu leben oder viel zu reisen, sei für die meisten selbstverständlich. Das trage auch zu einem neuen kulturellen Weltbild bei. „Der alte weiße Mann an der Unternehmensspitze ist nicht mehr das Maß aller Dinge. Die interkulturelle Offenheit ist größer geworden.“ Aktuell stünden Konzerne in Konkurrenz zur ganz jungen Szene: „Die Start-up-Szene ist zwar ein unsicherer Markt, sie bietet aber die Möglichkeit, sein eigener Herr zu sein.“ Mit dem Angebot, im Unternehmen mühsam die Karriereleiter erklettern zu können, um mit einem Spitzengehalt und Macht belohnt belohnt zu werden, könnten Arbeitgeber nicht mehr wie früher punkten.
Die brennende und immer wieder gestellte Frage, warum es hierzulande so wenige Frauen in die Ingenieurwissenschaften ziehe, konnte auch Anja Robert nur bedingt beantworten. „Wir versuchen alles, schließlich ist auch die RWTH an weiblichen Karrieren interessiert. Aber warum es ist, wie es ist – da habe ich keine Ahnung.“
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