Der IT-Ingenieur – überall gesucht, aber kaum zu finden
Ingenieure und Informatiker sind gesuchte Fachkräfte. Das ist gut für sie, aber schwierig für Personalentscheider, die sich neben der Personalknappheit mit allerlei anderen Themen konfrontiert sehen. Wir haben einige von ihnen gefragt, wo der Schuh drückt.
Die Knappheit an qualifiziertem Personal ist das mit Abstand drängendste Problem für Personalentscheider in deutschen Unternehmen. Bei einer Umfrage von frankeconsult im Auftrag der VDI nachrichten unter Personalentscheidern aus 120 Unternehmen und Institutionen, bewerteten 87% von ihnen dieses Problem als größte Herausforderung ihrer täglichen Arbeit. Insbesondere im Energie- und Bausektor haben die Personalverantwortlichen große Schwierigkeiten, geeignete Bewerber für vakante Stellen zu finden. Hochproblematisch wird die Fachkräftesuche aber auch von Entscheidern der Elektrotechnik, der Automobilbranche, des Maschinenbaus und der IT gesehen. Nur öffentliche Arbeitgeber wie Hochschulen, Patentämter und Versorgungsbetriebe bewerten das Problem als drängend, aber nicht übermächtig.
Eine Erklärung für diese Verteilung bieten aktuelle Trends. „Hier zeigt sich, wie stark Trends wie Digitalisierung und Industrie 4.0, autonomes Fahren und Elektromobilität bereits auf den Arbeitsmarkt durchschlagen“, so Ken Fouhy, Chefredakteur der VDI nachrichten. So verschafft der aktuelle Bauboom dem Baugewerbe volle Auftragsbücher und „zunehmend Engpässe“ in der Personalsuche. Ein Problem, auf das der Ingenieurmonitor von VDI und iw Köln bereits seit einiger Zeit hinweist. In der Energiebranche ist es die Energiewende, die Spezialisten in bisher weniger gefragten Bereichen verlangt und in der Automobilindustrie sind es die Elektromobilität und das autonome Fahren, die neue Arbeitswelten schaffen.
Die Digitalisierung stellt Personaler vor Probleme
Die Digitalisierung ist denn auch das zweite Megathema, das Personalentscheider beschäftigt. 61% der Befragten sagt, dass ihnen Fachkräfte zur Implementierung und Weiterentwicklung fehlen. Insbesondere fehlen Mitarbeiter, die IT-Infrastrukturen und die dafür notwendige Software aufbauen und pflegen, die SAP-Systeme weiterentwickeln und Embedded Software, Robotik- sowie Industrie 4.0-Anwendungen einführen. Doch diese Spezialisten zu finden, fällt vor allem Personalentscheidern aus der Elektrotechnik, der Energie- und Baubranche sowie dem öffentlichen Sektor schwer. Eine Erklärung hierfür könnte ein anderes Ergebnis liefern: Die meisten Unternehmen stufen ihren eigenen Digitalisierungsstatus als mittelmäßig ein. Doch je schwächer die eigene Digitalisierung ist, umso gewichtiger werden die Probleme in der Zusammenarbeit von Ingenieuren und ITlern in einem gemeinsamen Projekt bewertet.
Auffällig ist allerdings, dass die Problematisierung des Themas stark von der Größe des Unternehmens abhängt. Während HR-Entscheider in großen Firmen das Thema im Fokus haben und gemeinsam mit der Digitalisierung auch direkt den Wandel hin zur Industrie 4.0 als Herausforderung nennen, erlangen die beiden Themen bei kleineren Unternehmen weit weniger Bedeutung.
Die positive Nachricht zur Digitalisierung aus HR-Sicht lautet: Personalentscheider aus IT-Unternehmen und Personaldienstleister bewerten die Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 weit weniger kritisch als die übrigen Befragten. Vermutlich, weil sie diese Entwicklung eher als Chance denn als Risiko sehen, wie Studienautor Dieter Franke meint.
Alle suchen den IT-Ingenieur
Viele dieser Entwicklungen verlangen nach einem neuen Typus Ingenieur. Personalentscheider fast aller Branchen versuchen derzeit, Ingenieure mit IT-Kenntnissen oder Informatiker mit technischem Verständnis einzustellen. Derzeit beschäftigen die befragten Unternehmen rund 61% klassische Ingenieure und 21% ITler. 18% der Arbeitnehmer sind bereits IT-Ingenieure, die Kenntnisse aus beiden Bereichen vereinen. In den nächsten fünf Jahren wird sich dieses Verhältnis aber deutlich wandeln: Die Personalentscheider gehen davon aus, dass dann weniger als die Hälfte der Beschäftigten aus dem Engineering und Informatikbereich ein klassischer Ingenieur ist, dafür aber mehr Informatiker (24%) und deutlich mehr IT-Ingenieure (28%) in ihren Unternehmen arbeiten werden. Selbst die Automobilindustrie, die mit knapp 70% den zweithöchsten Ingenieuranteil am technischen Personal hat, prognostiziert, dass Ingenieure künftig nur noch knapp 52% der Mitarbeiter ausmachen werden.
Dem IT-Ingenieur wird der größte Beitrag zum künftigen Unternehmenserfolg zugetraut. Leider eben von allen Unternehmen – egal ob groß oder klein, egal ob in der Baubranche oder der Informatik. Entsprechend stehen Personaler vor einer Herkulesaufgabe: der Suche nach dem IT-Ingenieur, in einem Markt, der ohnehin von einem Mangel an Fachkräften gekennzeichnet ist. „Der firmeninterne Druck auf Personalentscheider ist immens“, sagt Studienautor Dieter Franke. Von den Bildungsinstituten fühlen sich viele Personalentscheider allein gelassen. Die Nachwuchsbildung in den Schulen sei unzureichend, bemängeln sie. Und auch an den Hochschulen werden die gefragten Fachkräte noch nicht in ausreichender Zahl ausgebildet.
So soll das Recruiting von IT-Ingenieuren gelingen
„Umso interessanter ist es, wie die Personalentscheider dieses Problem lösen wollen“, so Ken Fouhy, Geschäftsführer des VDI Verlags. „Sie setzen beim Recruiting wieder stärker auf persönliche Ansprachen möglicher Bewerber, etwa auf Jobmessen oder über Social Media. Und die Lücken die bleiben, wollen alle Unternehmen durch Schulung vorhandener Fachkräfte schließen. Dabei bleiben Ingenieure im Fokus: Denn denen wird eher zugetraut, sich IT-Kenntnisse anzueignen als umgekehrt.“ Tatsächlich stellen sich die meisten Personalentscheider den perfekten Werdegang für einen IT-Ingenieur so vor: Ausbildung, Technikstudium und als Bonus der Erwerb von IT-Kenntnissen.
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