Homeoffice stärkt emotionale Bindung zum Arbeitgeber – aber nur unter einer Bedingung
Homeoffice wirkt sich ganz unterschiedlich auf Mitarbeitende aus. Zwei Forscherinnen haben nun ein überraschendes Bild gezeichnet.
Im Homeoffice entfernen sich die Angestellten mental vom Unternehmen – so könnte man es vermuten und insgeheim befürchten das sogar viele Arbeitgeber. Schließlich sitzt das Team am heimischen Schreibtisch und nimmt es mit dem Job nicht mehr so genau. Work-Life-Balance und so. Mit diesen bekannten Klischees räumt eine neue Studie auf und zeigt ein völlig anderes Bild.
Homeoffice stärkt die Identifikation mit dem Arbeitgeber. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Yvonne Lott, Forscherin am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, und Anja Abendroth von der Universität Bielefeld.
Wenn Beschäftigte die Möglichkeit erhalten, von zu Hause aus zu arbeiten, identifizieren sie sich noch mehr mit ihrem Brotgeber. Doch es gibt eine Bedingung: Arbeit und Privatleben müssen klar voneinander getrennt werden. Und da wären wir auch wieder bei der Work-Life-Balance.
Sicher kennen Sie das auch: Der Laptop wird zugeklappt und der Feierabend auf der heimischen Couch oder mit der Familie kann beginnen. Wäre da nicht der Chef, der noch eben etwas über Whatsapp wissen will. Schließlich ist das Arbeitsgerät ja nicht weit weg. Also beantwortet man doch noch schnell eine E-Mail. So sollte es laut der Studie nicht laufen. Vermischen sich Berufliches und Privates zu sehr, sinkt nachweislich die Identifikation mit dem Unternehmen. In ihrer Studie konnten die Forscherinnen belegen, dass die Bereitschaft sich für den Arbeitgeber zu engagieren nachlässt, wenn Beschäftigte die Erfahrung machen, dass sie nach ihrem Feierabend noch mit Arbeit beauftragt werden. Fairness im Verhältnis zum Vorgesetzten sei wichtig.
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Nicht erst durch die Corona-Pandemie hat die Bedeutung von mobiler Arbeit zugenommen. Durch die Krise wurden aber auch viele Unternehmen gezwungen, Homeoffice zu ermöglichen. Die emotionale Bindung zum Arbeitgeber unter diesen Bedingungen wurde zuvor kaum untersucht. Lott und Abendroth haben daraufhin Befragungsdaten aus dem Linked Personal Panel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung analysiert. Die Ergebnisse sind repräsentativ für Unternehmen in Deutschland mit mehr als 50 Beschäftigten. Abgefragt werden unter anderem Einschätzungen zu Aussagen wie „Dieses Unternehmen hat einen bedeutenden persönlichen Wert für mich“ oder „Ich betrachte die Probleme des Unternehmens als meine eigenen“. Je nach Zustimmung oder Ablehnung lässt sich daraus die Identifikation gegenüber dem Arbeitgeber ableiten.
50:50: Motivation versus zähe Überstunden im Homeoffice
Unter den beschäftigten Befragten gibt es große Unterschiede. Circa die Hälfte gibt an, dass sich ihre Work-Life-Balance durch Homeoffice verbessert habe. Das zahlt direkt auf eine gesteigerte Motivation ein. Die anderen 50 % sagen jedoch, dass für sie die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu sehr verschwimme – zum Beispiel, weil sie ständig erreichbar sein müssen oder zumindest das Gefühl haben, besonders lange arbeiten zu müssen. Das hinge laut den Befragten mit der unterschwelligen Erwartungshaltung des Arbeitgebers zusammen, dass Mitarbeitende im Homeoffice auch besonders produktiv sein müssten. Darunter leidet die emotionale Bindung an das Unternehmen.
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Arbeitgeber müssen Interessen der Beschäftigten mehr berücksichtigen
Flexibilität und hybride Arbeitsmodelle sind Beschäftigten in Zukunft wichtig. Immer wieder gibt es aber auch Untersuchungen, dass Homeoffice zu Millionenschäden führt. Das Ergebnis hängt aber nicht mit der viel diskutierten Frage zusammen, ob Menschen im Homeoffice produktiver sind oder nicht. Die Schäden entstehen durch das eingeschränkte traditionelle Arbeiten in Büros. Eine große Wertschöpfungskette hängt vom Bürojob ab: Gastronomiebetriebe, Immobilienplaner, Makler, Vermieter, Reinigungsunternehmen, uvm.
Laut den Wissenschaftlerinnen sollten Arbeitgeber die Interessen der Angestellten in Bezug auf Homeoffice mehr berücksichtigen. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Chef und Mitarbeitendem sei dazu notwendig. Beide Parteien profitieren im besten Fall von der neuen Flexibilität. Das kann nur im Sinne des Arbeitgebers sein, da mit zunehmender Unzufriedenheit die Option einer Kündigung steigt.
„Angesichts der zunehmenden Forderungen der Arbeitnehmer nach Vereinbarkeit, ist zu erwarten, dass mitarbeiterorientierte Flexibilität eine noch wichtigere Rolle spielen wird“, analysiert Lott.
Regeln im Homeoffice helfen
WSI-Umfragedaten aus den ersten Phasen der Corona-Pandemie 2020 ergeben zudem, dass deutlich häufiger von klaren Regeln fürs Homeoffice gesprochen wird. Mitarbeitenden mit solchen Regelungen empfanden die Arbeit zu Hause seltener als belastend. Zu solchen Regeln können akzeptierte Feierabend Zeiten oder aber flexible Abgabe von To dos gehören.
Dr. Yvonne Lott forscht am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI). Prof. Dr. Anja Abendroth ist in Bielefeld ansässig.
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