Fortschritt Digitalisierung 27.03.2018, 07:30 Uhr

Künstliche Intelligenz: Sind unsere Arbeitsplätze nun bedroht oder nicht?

Die Debatte um künstliche Intelligenz, Industrie 4.0 und Automatisierung wird schnell emotional. Denn es geht dabei immer öfter um etwas Existenzielles: Arbeit. Oder noch mehr um den Arbeitsplatz, der in vielen Berufszweigen wegzufallen droht. Doch wie ist die momentane Arbeitssituation wirklich?

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Foto: panthermedia.net/vizualni

Der technologische Fortschritt des 21. Jahrhunderts und damit auch die vierte industrielle Revolution sind nicht mehr aufzuhalten. In nahezu jeder Branche werden Prozesse immer mehr automatisiert und Arbeitsvorgänge effizienter gestaltet. Zu all dem kommt die starke Vernetzung, die intern und extern, abteilungs- und branchenübergreifend ganze Unternehmensstrukturen aufbricht. Der Markt verändert sich, die Industrie ebenso. Viele fragen sich deswegen zu recht: Ist mein Arbeitsplatz überhaupt zukunftssicher? Insbesondere die Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz bereitet Arbeitern aus der sozialen Mitte der Gesellschaft Kopfschmerzen. Berufe, die von Computern und Algorithmen langfristig besser und kostengünstiger erledigt werden können – die gibt es. Doch welche gehören dazu und wer ist betroffen?

Aus dem Blickwinkel eines progressiven Philosophen

Um sich die tatsächliche Tragweite des Wegfalls von Arbeitsplätzen bewusst zu machen, ist es vielleicht sinnvoll, die Einschätzung eines Menschen zu betrachten, der erst einmal fremd in der Debatte erscheint. Richard David Precht, Autor  des Bestsellers „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, populärer Neuzeitphilosoph und Schriftsteller, äußerte seine Gedanken zur zukünftigen Bildung, Arbeit, Ernährung und anderen Themen aus der philosophischen Perspektive bereits bei verschiedenen Veranstaltungen und im Fernsehen. Dabei trifft er oft den Nagel auf den Kopf. In einer seiner aktuellsten Reden verdeutlichte er beispielsweise den Unterschied der ersten drei industriellen Revolutionen gegenüber der aktuellen Umwälzung hin zur Industrie 4.0.

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Im 19. und 20. Jahrhundert beruhte der Erfolg der industriellen Revolutionen nämlich auf der leichten Beschaffung von Rohstoffen und schließlich der Auslagerung von Arbeitsplätzen. Bei der neuen industriellen Revolution konkurrieren jedoch viele Nationen und somit Milliarden Menschen miteinander. Nicht die Rohstoffe und die Arbeitskraft stehen dieses Mal im Fokus, sondern die Automatisierung der Arbeit. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass zumindest für einige Jahre oder Jahrzehnte die Arbeitslosigkeit – nicht nur in Deutschland – enorm steigen wird, weil viele Berufe durch Maschinen und Computer ersetzt werden.

Welche Jobs sind besonders betroffen?

Berufe, die mit der Beförderung von Menschen oder Gegenständen zu tun haben wie Liefer- und Busfahrer sind genauso betroffen wie Versicherungs- und Bankfachleute. Bei den einen sind es die autonomen Fahrzeuge, die schon in den nächsten Jahren auf den Straßen fahren werden. Bei juristischen Verwaltungsberufen oder eben in Versicherungskonzernen und Banken werden es Algorithmen sein, die über kurz oder lang viele Aufgaben, die kein individuelles Eingreifen erfordern, übernehmen werden. Viele körperliche Berufe in den Industriehallen gehören ebenfalls zu der gefährdeten Art, wobei auch dort nicht nur Fortschritte gefeiert werden. Wir hatten bereits berichtet, dass Mercedes Roboter wieder gegen menschliche Arbeitskräfte eingetauscht hatte, da Maschinen noch nicht die nötigen flexiblen Arbeiten übernehmen können.

Die Automatisierung und auch der Einsatz von KI wird in einigen Branchen also sicher noch Jahre dauern, doch eines steht fest: Die Berufe, die dann wegfallen, kommen auch nicht mehr wieder. Die Menschen, die dann ohne Arbeit dastehen werden, müssen jedoch weiterhin an der Gesellschaft teilnehmen können. Nicht jeder Büroassistent und nicht jeder LKW-Fahrer kann dann zum Data Analysten umgeschult werden, daher braucht es schon heute politische Lösungen. Sowohl in der Bildung als auch in der Weiterbildung verlangt die aktuelle Entwicklung eine Revolution, doch die lässt noch auf sich warten. Neben einigen Aktivisten sprechen sich mittlerweile aber immer mehr Politiker und Konzernchefs für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Wir haben mit Philip Kovce, einem Gründer der Bürgerinitiative bedingungsloses Grundeinkommen, über die Notwendigkeit und die Funktionsweisen gesprochen.

Neue Berufe sind keine Zukunftsmusik

 Während zahlreiche traditionelle Berufe immer noch ausgeübt werden, entstehen parallel immer mehr Tätigkeiten im IT-Bereich. Ob Cloud-Architekten, Data Scientists oder Data Artists – die künftigen Jobs werden sich vermehrt um die Analyse, die Aufbereitung und den Einsatz von digitalen Daten drehen. Die Unternehmen reagieren schon seit Jahren auf diese Entwicklungen. Erst vor wenigen Tagen z. B. berichtete die FAZ, dass der Online-Moderiese Zalando bis zu 250 Mitarbeiter seiner Marketingabteilungen entlassen wird. Als Grund gibt der Vorstand Rubin Ritter die Umstrukturierung auf datenbasiertes Marketing an. Es werden stattdessen zunehmend Informatiker bei Zalando gesucht.

Dabei wird sicherlich in Zukunft auch das Thema Künstliche Intelligenz, beziehungsweise Machine Learning eine immer größere Rolle spielen. Unternehmen wie Google arbeiten fortan an Software, die in alltägliche Geschäftsprozesse integriert werden soll und damit in erster Linie die Mitarbeiter entlastet. Denkt man jedoch ein Stück nach vorne, dann entwickelt sich diese Software natürlich über die Zeit weiter, denn genau dafür steht die künstliche Intelligenz: selbstständiges Lernen.

Nicht in Panik verfallen

Bevor man nun zum Chef rennt und fragt, wie lange man noch hat, eine kleine Entwarnung: Deutschland ist für seine Rechtsstaatlichkeit und die bürokratische Trägheit bekannt. Dass also bei uns die Revolution innerhalb von sehr kurzer Zeit Millionen Menschen auf die Straße befördert, ist relativ unwahrscheinlich. Dennoch ist das Thema ernst zu nehmen und insbesondere die Politik muss in den nächsten Jahren gute Voraussetzungen schaffen, damit die Menschen, die ihren Job tatsächlich verlieren werden, wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können – auf welche Weise auch immer. Zusätzlich muss das aktuelle Bildungssystem neu gedacht und designet werden, um die zukünftigen Generationen auf einen völligen neuen Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Was Sie als Ingenieur selbst tun können, haben wir in verschiedenen Artikeln beleuchtet. Unter anderem haben wir die Wirtschaftswissenschaftlerin Jutta Rump geragt, was Ingenieure lernen sollen, solange niemand weiß, wohin die Reise geht. Bei den großen Ingenieur- und Branchenverbänden haben wir nachgehakt, wie der Arbeitsplatz von Ingenieuren im Jahr 2030 aussehen könnte und wir haben einige Berufe mit Zukunft an der Schnittstelle des Ingenieurwesens und der Informatik vorgestellt. Außerdem hat der VDI Verlag in einer groß angelegten Studie Personalentscheider gefragt, wie sie den IT-Ingenieur, den sie derzeit alle suchen, eigentlich finden wollen.

Ein Beitrag von:

  • Nick Gretzinger

    Nick Gretzinger ist freiberuflicher Redakteur und Texter.

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