Sind mittelständische Unternehmen attraktive Arbeitgeber?
In der Regel üben Großunternehmen und Konzerne eine größere Anziehungskraft auf Ingenieurinnen und Ingenieure aus als Unternehmen aus dem Mittelstand. Was sind die Vor- und Nachteile, die ein Job im Mittelstand mit sich bringt?
Auf der Suche nach einem neuen Job schauen die meisten Ingenieure und Ingenieurinnen vor allem auf große, bekannte Firmen und Konzerne. Vermeintliche Arbeitsplatzsicherheit, eine gute Bezahlung und das Image von Markennamen gelten dabei als wichtigste Faktoren.
Hingegen wird der Mittelstand als Arbeitgeber von vielen Kandidatinnen und Kandidaten erstmal gemieden und gilt als zweite Wahl. Das liegt vor allem an der (medialen) Präsenz großer, bekannter Konzerne. Sie verfügen über die personellen und finanziellen Mittel, um etwa an Hochschulen und auf einschlägigen Plattformen in Form von Werbung und Forschungsarbeiten präsent zu sein. Zusätzlich arbeiten universitäre Institute vornehmlich für diese bekannten Firmen, so dass deren Namen zum Beispiel auch in Vorlesungen fallen.
Derartige Möglichkeiten, den eigenen Unique Selling Point (USP) deutlich zu machen, haben kleinere bzw. mittelständische Firmen weniger. Zusätzlich ist ihre Präsenz auf Karrieremessen und Karriereportalen ungleich geringer. Somit kommen auch Ingenieurinnen und Ingenieure mit etwaigen Angeboten des Mittelstands seltener in Kontakt und kennen die genauen Konditionen weniger gut.
Mittelstand in Deutschland
Rund 55 Prozent aller Beschäftigten sind in Unternehmen des Mittelstands angestellt. Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2021 rund 6,1 Millionen Betriebe und Selbstständige im Mittelstand gezählt. Sie erwirtschafteten im Jahr 2021 einen Umsatz von rund 5,6 Billionen Euro.
Mit dem Begriff Mittelstand sind in der Regel kleine und mittlere Unternehmen gemeint, die bestimmte Grenzwerte bezüglich Umsatz, Beschäftigte oder Bilanzsumme nicht überschreiten. Es gibt jedoch keine allgemeingültige Definition des Begriffs. Die KfW-Bankengruppe definiert zum Beispiel den Mittelstand als private Unternehmen sämtlicher Wirtschaftszweige, deren jährlicher Umsatz die Grenze von 500 Millionen Euro nicht übersteigt. Allgemein gilt auch eine Begrenzung der Mitarbeiterzahl auf unter 500 Beschäftigte.
Karrieremöglichkeiten im Mittelstand
Die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten bei KMU sind im Gros meist besser als in großen Konzernen. Gerade Führungskräfte können im Mittelstand schneller und fundierter Erfahrungen sowohl bei der strategischen Entwicklung als auch im fachlichen Bereich sammeln. Je kleiner das Unternehmen, desto übergreifender sind die Mitarbeitenden angehalten, mitzudenken und ihre Visionen mit einzubringen. So haben Sie die Möglichkeit, einen besseren Einblick in das gesamte Unternehmensgeschehen zu erhalten. Die Aufgaben in mittelständischen Unternehmen sind somit unterm Strich oft interessanter, weil abwechslungsreicher.
Insgesamt gibt es auch im Mittelstand für Ingenieurinnen und Ingenieure vor allem Angebote in den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Bauingenieurwesen, aber zunehmend auch sehr viele Jobs in der Umwelt-, Sicherheits-, Medizin- und Werkstofftechnik sowie für Wirtschaftsingenieurinnen und Wirtschaftsingenieure.
Neben dem fachspezifischen Wissen des jeweiligen ingenieurwissenschaftlichen Studiengangs ist ein besonders breites technisches Basiswissen gefragt, welches in den Unternehmen durch individuelle und spezifische Weiterbildung auf die jeweiligen Anforderungen und Produkte der Unternehmen weiterentwickelt werden kann. Besonders gern gesehen sind neben den technischen Fähigkeiten Kenntnisse im ökonomischen Bereich.
Verdienst und Aufstiegsmöglichkeiten im Mittelstand
Auch der Mittelstand muss sich bei den Gehältern nach dem Markt richten. Mögen die Gehälter in Konzernen im Schnitt höher sein, so kann dies durch schnellere Aufstiegsmöglichkeiten im Mittelstand kompensiert werden. Unter “Aufstiegsmöglichkeiten“ wird dabei nicht nur der vertikale/hierarchische Aufstieg verstanden, sondern auch der schnell zunehmende Verantwortungsumfang bei Fachaufgaben.
Grundsätzlich gilt: Im Mittelstand gibt es meist flachere Hierarchien und kürzere Entscheidungswege. Wer also den Wechsel zu einem KMU ins Auge fasst, kann damit rechnen, nach einer überschaubaren Einarbeitungszeit recht schnell größere Verantwortung für Projekte zu übernehmen. Entsprechend kann auch das Gehalt schneller als gedacht das Niveau größerer Konzerne erreichen.
Vorteile der Karriere im Mittelstand
Bei Inhaber-geführten Mittelständlern stehen darüber hinaus oft nachhaltige Erfolge vor anorganischem Wachstum. Die Arbeitsatmosphäre ist durch den persönlichen Bezug zu den Vorgesetzten meist besser und in Abteilungen, in denen jeder jeden kennt, wird die eigene Leistung deutlicher sichtbar. Meist wird interdisziplinäre Zusammenarbeit gefördert und Ingenieurinnen und Ingenieuren ein breitgefächertes Aufgabenspektrum überantwortet. Schließlich sichert die Arbeit guter Ingenieurinnen und Ingenieure die Existenz vieler Betriebe, indem diese nicht nur neue Entwicklungen vorantreiben, sondern ebenso bei den Kostenplänen gewinnorientiert rechnen.
Und auch bei KMU gilt die Elektrotechnik als die Ingenieurdisziplin mit der größten Interdisziplinarität. Ob Informations- und Kommunikationstechnik, Elektrizitätswirtschaft, Maschinenbau, Verfahrens-, Fahrzeug-, Umwelt- und Medizintechnik oder Luft- und Raumfahrttechnik – die Elektrotechnik gilt als die Schlüsseltechnologie und ist unverzichtbar, um mit dem Fortschritt und aktuellen Anforderungen Schritt halten zu können.
Nachteile der Karriere im Mittelstand
Obwohl Sie schnell Verantwortung übernehmen können, heißt das nicht, dass Sie ebenso schnell einen tollen Jobtitel erhalten. Schließlich ist die Anzahl der leitenden Positionen bei mittelständischen Unternehmen meist begrenzt. Spitzenpositionen bleiben bei inhabergeführten Unternehmen nicht selten Familienmitgliedern des oder der Inhaber vorbehalten. Darüber hinaus können Beförderungen und Karrieren hier mitunter willkürlich entstehen. Wer im mittelständischen Unternehmen Karriere machen möchte, sollte darauf achten, wie Führungspositionen in der Vergangenheit besetzt wurden.
Identifikation mit dem Arbeitgeber
Wer bei einer mittelständischen Firma anheuert, sollte sich mit dieser auch identifizieren. Gerade Mittelständler legen großen Wert darauf, dass ihre Mitarbeitenden hinter ihnen stehen und ihre Arbeit mit ganzem Herzen machen. Deshalb sollten sich Bewerberinnen und Bewerber intensiv damit auseinandersetzen, ob und warum sie zu genau diesem Unternehmen passen, welchen Bezug sie zu den Produkten haben und ob ihnen die Unternehmenskultur liegt.
Teamfähigkeit zählt
Der familiäre Spirit ist im Mittelstand Programm – kein Wunder, bei über 90 Prozent familiengeführten, mittelständischen Unternehmen. Dort werden vor allem Teamgeist und der Familiengedanke gelebt. Das führt dazu, dass Titel allein weniger zählen als vielmehr die eigene Persönlichkeit und Leistungsbereitschaft. Fachliches Know-how wird vorausgesetzt, doch soziale Skills werden ebenso erwartet. Im Gegenzug bieten die meisten KMU eine familienfreundliche Personalpolitik und fördern die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden.
Mitdenken erwünscht
Im Mittelstand sind Sie nah dran an der Entstehung, Weiterentwicklung und dem Vertrieb von Produkten. Es wird erwartet, dass Sie über den Tellerrand hinaus denken und sich verantwortlich fühlen für das nachhaltige Wachstum des gesamten Unternehmens – und nicht nur für das Wachstum Ihrer Abteilung bzw. Ihres Zuständigkeitsbereiches.
Karrierebooster Mittelstand
Eines ist auch klar: Bei der gegenwärtigen Situation auf dem Arbeitsmarkt sind Mitarbeitende aus dem Mittelstand auch für Großunternehmen attraktiv. Deshalb spricht nichts dagegen, den Karriereweg im Mittelstand zu beginnen oder fortzusetzen. Am Ende ist der dynamische Lebenslauf einer Kandidatin oder eines Kandidaten, der sich im Mittelstand seinen Karriereweg gebahnt hat, sicherlich mindestens genauso interessant. Und er kann durchaus mit dem eher statisch wirkenden Werdegang einer Ingenieurin oder eines Ingenieurs konkurrieren, die oder der – manchmal über Jahrzehnte – in ein und demselben Großunternehmen gearbeitet hat.
Große Unternehmen punkten mit Diversity
Wer mit Mitarbeitenden aus anderen Ländern seine Mittagspause verbringen will, wird in einem großen Unternehmen oft mehr Diversität (englisch: Diversity) finden als beim Mittelständler. Auch der Anteil der Reisetätigkeit ist bei einer Karriere im Mittelstand vergleichsweise geringer. Das hängt aber vom jeweiligen Mittelständler und der Position ab. Wenn Sie beruflich gerne international rumkommen wollen, ist die Karriere in einem großen Konzern vermutlich besser geeignet.
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