Interview 04.10.2023, 09:31 Uhr

TikTok, YouTube, BeReal – Diese Personalmarketing-Trends für 2024 sollte man kennen

Angesichts des akuten Fachkräftemangels ist ein regelrechter War for Talents, ein Ringen um die besten Talente, ausgebrochen. Vor allem Handwerksbetriebe haben es immer schwerer, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Dennoch tun einige Unternehmen zu wenig, um junge Nachwuchskräfte anzusprechen. Welche Rolle spielen z. B. TikTok, YouTube und BeReal für die Personalbeschaffung?

Recruiting

Foto: Jehn & Peters GmbH

Julian Jehn ist Recruiting-Experte für Bau-, Handwerks- und Industrieunternehmen. Aus langjähriger Erfahrung weiß er, wo Handwerksbetriebe wirklich potenzielle Bewerber und Bewerberinnen antreffen. In diesem Interview wirft er einen Blick auf die Trends für das Personalmarketing für das Jahr 2024.

Rekrutierung von Talenten und Online-Plattformen

Wie hat sich die Rekrutierung von Talenten in den letzten Jahren verändert? Welche Rolle spielen dabei die neuen Online-Plattformen im Vergleich zu den traditionellen Methoden?

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Wie viele Handwerker bereits feststellen mussten, funktionieren klassische Maßnahmen wie etwa Zeitungsannoncen im Grunde nicht mehr. Auch die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt oder mit Personalvermittlern stellt sich meist als wenig ertragreich heraus, weil auch sie Schwierigkeiten dabei haben, Bewerber zu finden. Selbst Jobportale liefern nur noch bei kaufmännischen Berufen die gewünschten Ergebnisse – nicht aber bei gewerblichen Mitarbeitern oder Fachkräften, denn in diesem Bereich lässt sich darüber lediglich ein verschwindend geringer Anteil möglicher Kandidaten finden: nämlich die aktiv Suchenden. Aus diesen Gründen sind Online-Plattformen aus einer modernen, zielführenden Recruiting-Strategie nicht mehr wegzudenken. Bei Facebook oder Instagram handelt es sich demnach längst nicht mehr um einen bloßen Trend – vielmehr sind Social-Media-Plattformen nicht selten der einzige Weg, um überhaupt noch effektiv Fachkräfte zu gewinnen.

TikTok, YouTube und BeReal für die Personalbeschaffung

Welche spezifischen Vorteile bieten Plattformen wie TikTok, YouTube und BeReal für die Personalbeschaffung im Vergleich zu herkömmlichen Jobportalen?

Wie ich bereits angemerkt habe, finden sich auf Jobportalen lediglich jene Arbeitnehmer, die bereits auf Jobsuche sind. In aller Regel befinden sich viele der wirklich leistungsfähigen und kompetenten Fachkräfte jedoch bereits in einem festen Arbeitsverhältnis: Viele von ihnen wären zwar durchaus an einem Wechsel ihres Arbeitgebers interessiert, bemühen sich aber nicht aktiv darum. Über klassische Jobportale können Unternehmen daher keinen Kontakt zu all diesen wechselwilligen Kandidaten herstellen. Vielmehr müssen sie proaktiv um diese Menschen werben – das ist nur über gezielte Anzeigen auf Social Media möglich.

So kann man sich beispielsweise auf TikTok für wenig Geld viel Reichweite „kaufen“ – gleichzeitig lässt sich dort aber auch auf organischem Wege eine Menge erreichen. YouTube bietet hingegen die Möglichkeit, Interessenten einen authentischen und tieferen Einblick in die eigene Firma zu gewähren. Auf diese Weise können Unternehmen auch die nötige Vertrauensgrundlage schaffen, um passende Kandidaten endgültig von sich zu überzeugen.

Die jüngere Generation ist auf den genannten Plattformen besonders aktiv. Wie passen diese Plattformen zur Zielgruppe der Handwerksbetriebe, die oft als traditionell angesehen werden?

Tradition schließt Modernität keineswegs aus – im Gegenteil: Indem Kampagnen so konzipiert werden, dass traditionelle Werte von Handwerks, Industrie- und Bauunternehmen modern präsentiert werden, lassen sich beide Aspekte wunderbar vereinen! Auf diese Weise werden Betriebe auch für jüngere Bewerber attraktiv. Unternehmen sollten sich dabei allerdings nicht verstellen, sondern moderne Maßnahmen schlicht auf eine angemessene Art und Weise nutzen, um die angepeilte Zielgruppe überhaupt zu erreichen.

Trifft all das auch auf Ingenieure zu?

Auch Ingenieure sind nur Menschen wie alle anderen: Sie nutzen die sozialen Medien also ebenfalls und können darüber durchaus auf offene Stellen aufmerksam gemacht werden. Eine Besonderheit dabei ist allerdings, dass sie sich vorwiegend für fachspezifische Themen interessieren. Um ihre Neugier zu wecken, bietet es sich deshalb an, zur eigenen Branche oder Nische passende Inhalte aufzugreifen und entsprechende Videos auf YouTube zu veröffentlichen.

Potenzielle Bewerber über Plattformen wie TikTok oder YouTube ansprechen

Welche Arten von Inhalten haben sich als besonders wirksam erwiesen, um potenzielle Bewerber über Plattformen wie TikTok oder YouTube anzusprechen? Gibt es Beispiele für erfolgreiche Kampagnen?

Bei TikTok fällt die Aufmerksamkeitsspanne der User äußerst gering aus: Es zählt also jede Sekunde und die Inhalte dürfen potenzielle Bewerber zu keinem Zeitpunkt langweilen. Umso wichtiger ist es, beispielsweise aktuellen Trends zu folgen und sie auf seine eigene Branche oder sein eigenes Fachgebiet umgemünzt abzubilden. Durchdachte Imagefilme, die den Arbeitsalltag oder einzelne Mitarbeiter in schnell aneinandergereihten Szenen zeigen, liefern ebenfalls hervorragende Ergebnisse.

Ausführliche Mitarbeiter-Testimonials lassen sich hingegen wunderbar auf YouTube präsentieren: Das vorhandene Personal kann dabei zum Beispiel darauf eingehen, was die Firma als Arbeitgeber besonders auszeichnet. Da YouTube die weltweit zweitgrößte Suchmaschine ist, stoßen potenzielle Bewerber völlig automatisch auf derartige Videos, während sie sich über das jeweilige Unternehmen informieren.

Wie stellen Betriebe sicher, dass ihre Botschaft auf den Online-Plattformen als authentisch und ansprechend wahrgenommen wird, ohne ihre traditionelle Identität zu verlieren?

Authentizität bedeutet in diesem Kontext im Grunde nur, Sachverhalte so zu präsentieren, wie sie auch wirklich sind. Entscheidend dabei ist, genau die Dinge zu thematisieren, die möglichen Bewerbern wirklich wichtig sind. Statt lediglich mit Obstkörben und kostenlosem Kaffee zu werben, sollten die Betriebe also versuchen, ihre tatsächlichen Mehrwerte als Arbeitgeber in Form von hervorragend geschnittenen Videos und abwechslungsreichen Szenen darzustellen.

Welche Herausforderungen könnten bei der Nutzung von Plattformen wie TikTok oder BeReal im Vergleich zu etablierten Jobportalen auftreten? Gibt es Bedenken hinsichtlich Datenschutz oder Image?

Wie überall entstehen Imageschäden nur dann, wenn Betriebe ihre Außendarstellung nicht ausreichend planen und sich dadurch unvorteilhaft präsentieren. Hier gilt also die Devise, sich stets zu fragen: Wie könnte etwas von anderen Personen aufgefasst werden? Tendenziell kann eine unvorteilhafte Darstellung auf TikTok mehr Schaden anrichten als auf anderen Plattformen oder Jobportalen, weil man dort vergleichsweise einfach große Reichweite generieren kann. Die eigentliche Herausforderung besteht allerdings darin, diesen Einflussbereich auf TikTok in echte Aufmerksamkeit zu verwandeln – schließlich gelingt es nur den wenigsten Unternehmen, spannende Inhalte zu kreieren, die potenzielle Bewerber tatsächlich überzeugen.

Nicht in Eigenregie umsetzen

Welche Ratschläge würden Sie Unternehmen geben, die sich erstmals mit der Nutzung solcher Plattformen für ihr Personalmarketing auseinandersetzen?

Meiner Erfahrung nach verschwenden Betriebe aufgrund mangelnden Know-hows eine Menge Zeit und Geld, wenn sie derartige Maßnahmen zunächst in Eigenregie umsetzen. Daher rate ich strikt dazu, schon von Beginn an einen möglichst erfahrenen Experten zurate zu ziehen und sich von ihm in allen Belangen unterstützen zu lassen. Alternativ sollten Unternehmen mindestens einen ihrer Mitarbeiter damit beauftragen, sich in Vollzeit um all das zu kümmern. Schließlich ist nichts schlimmer, als eine solch wichtige Aufgabe nur halbherzig anzugehen – das würde auch jeder Außenstehende sofort bemerken.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Personalmarketings? Werden Online-Plattformen dauerhaft etablierte Methoden wie Jobportale ergänzen oder sogar ersetzen?

Recruiting-Strategien mit Fokus auf Online-Plattformen und die Nutzung von Jobportalen verfolgen völlig unterschiedliche Ansätze: Während Betriebe auf Jobportalen über das sogenannte Pull-Marketing aktiv suchende Bewerber ansprechen, liegt ihr Fokus bei Social Media auf dem Push-Marketing, wobei sie proaktiv auf mögliche Kandidaten zugehen und sie von sich überzeugen. Es wird daher nicht so sein, dass eine Methode die jeweils andere ersetzt – vielmehr ergänzen sie sich hervorragend, weshalb eine Kombination aus beiden Ansätzen in jeder ganzheitlichen Recruiting-Strategie berücksichtigt werden sollte.

Über Julian Jehn:
Julian Jehn und Johann Peters sind die Gründer und Geschäftsführer der Jehn & Peters GmbH. Als Recruiting-Experten für Bau-, Handwerks- und Industrieunternehmen unterstützen sie ihre Kunden bereits seit vielen Jahren dabei, zuverlässig und vor allem langfristig Mitarbeiter zu gewinnen, die genau in das entsprechende Unternehmen passen. Dabei setzen sie nicht nur auf Social-Media-Recruiting, sondern sorgen mit einem Strategie-Mix aus Schulungssystemen, Vorsorgemodellen und Videoproduktionen dafür, dass ihre Kunden wieder deutlich mehr Bewerbungen geeigneter Kandidaten aus ihrer Region erhalten.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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