Hitze 04.06.2024, 07:15 Uhr

Warum Siesta in Deutschland keine Lösung ist

Die Siesta als kurze Mittagsruhe oder Mittagsschlaf, bekannt aus Ländern wie Spanien oder Italien, wird in Deutschland diskutiert, um das Unfallrisiko durch Hitzebelastung zu verringern. Allerdings stoßen Fragen zur Umsetzbarkeit und die Auswirkungen auf Arbeitszeiten und Abläufe in Unternehmen auf Bedenken.

Siesta

Heiße Debatte: Siesta in Deutschland - Praktisch unmöglich oder notwendig für den Arbeitsalltag?

Foto: PantherMedia / pressmaster

In Deutschland wird nun darüber diskutiert, eine Tradition zu übernehmen, die Länder wie Spanien oder Italien schon seit Jahrhunderten kennen. Es geht darum, in den kühlen Morgenstunden mit der Arbeit zu beginnen und dann zur Mittagspause bei hohen Temperaturen von 35 Grad ein ausgiebiges Nickerchen zu halten. Ähnlich wie die südeuropäische Siesta haben Amtsärzte kürzlich vorgeschlagen, die Mittagspause auch in Deutschland zu verlängern. Ein Hauptziel dieser Maßnahme ist es, das Unfallrisiko durch die Hitzebelastung, insbesondere bei körperlichen Tätigkeiten, möglichst niedrig zu halten.

Ja, die Möglichkeit, morgens zu arbeiten und während der Hitze zu ruhen, könnte dazu beitragen, heiße Sommer in Deutschland erträglicher zu gestalten. Die Siesta ist vielen Urlaubern aus Spanien bekannt, wo die Menschen derzeit von einer Hitzewelle betroffen sind. Doch wäre es in Deutschland überhaupt möglich? Brauchen deutsche Arbeitnehmer wirklich eine Siesta?

Was versteht man unter Siesta?

Siesta ist ein Begriff, der ursprünglich aus dem Spanischen stammt und, wie bereits erwähnt, eine kurze Mittagsruhe oder einen Mittagsschlaf beschreibt. In vielen Kulturen, insbesondere in einigen Ländern mit warmem Klima, ist die Siesta eine traditionelle Praxis, bei der die Menschen während der heißesten Stunden des Tages eine Pause einlegen, um sich vor der Hitze zu schützen.
Die Organisation der Siesta variiert je nach Land, Region und individuellen Gewohnheiten. Im Allgemeinen folgt die Siesta jedoch einem ähnlichen Muster: Nach dem Mittagessen, das oft die Hauptmahlzeit des Tages ist, machen die Menschen eine Pause, um sich auszuruhen. Dies kann eine kurze Ruhezeit von 20-30 Minuten bis hin zu einer längeren Schlafperiode von einigen Stunden umfassen.

In einigen Ländern wie Spanien und einzelnen lateinamerikanischen Ländern wird die Siesta in den täglichen Zeitplan integriert. Viele Geschäfte und Unternehmen schließen während dieser Zeit, und die Menschen haben die Möglichkeit, nach Hause zu gehen, sich auszuruhen oder ihren Freizeitaktivitäten nachzugehen. Die Siesta kann auch ein soziales Ereignis sein, bei dem Familien und Freunde zusammenkommen, um Zeit miteinander zu verbringen.

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Wie arbeitet man nach der Siesta?

Die Länge der Arbeitszeit nach einer Siesta am Nachmittag hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Arbeitszeitmodell, der Branche und den individuellen Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber. In einigen Kulturen und Ländern kann die Siesta dazu dienen, Energie für die Arbeit am Abend aufzutanken, während sie in anderen eher als Freizeit betrachtet wird.

Während in Deutschland die Debatte über die Einführung der Siesta stattfindet, verzeichnet Spanien laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen gegenläufigen Trend. Eine Umfrage zeigt, dass sich mittlerweile weniger als ein Fünftel der Bevölkerung einen kurzen Mittagsschlaf gönnt. Eine lange Mittagspause ist für viele Spanier keine Freude.

Obwohl viele Spanier in klimatisierten Büros und Betrieben arbeiten, müssen sie trotzdem zwischen 14 und 16 Uhr schließen, oft sogar noch länger. Gut, wenn man einfach nach Hause gehen kann. Diejenigen aber, die nicht nach Hause gehen können, müssen die verordnete Freizeit irgendwie überbrücken. Oft sitzen diese Mitarbeiter auf eigene Kosten in einem klimatisierten Restaurant. Abends kommen sie dementsprechend später nach Hause und haben weniger Zeit, um mit ihrer Familie zu verbringen.

In Deutschland würde die Ausweitung der Ruhezeiten bei vielen Menschen auf Ablehnung stoßen, da sie zu einer Verlängerung der Gesamtarbeitszeit führt. Außerdem ist fraglich, ob das Konzept überhaupt in städtischen und dicht besiedelten Gebieten umsetzbar ist.

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Nach immer öfters kommenden Hitzeperioden gibt es hierzulande immer mehr Forderungen, so eine Siesta einzuführen. „Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen, ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gegenüber dpa. „Bei starker Hitze sind Menschen nicht so leistungsfähig wie sonst. Schlechter Schlaf bei fehlender Abkühlung in der Nacht führt zusätzlich zu Konzentrationsproblemen“, sagte Nießen. Deshalb sollte man komplexe Arbeitsanforderungen lieber in die frühen Morgenstunden verschieben.

Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat in der Debatte über eine mögliche Einführung der Siesta in Deutschland die Rolle der Arbeitgeber hervorgehoben. „Nach der derzeitigen gesetzlichen Lage sind Arbeitgeber verpflichtet, die Gefährdungen für Beschäftigte auch mit Bezug auf Hitze zu beurteilen und entsprechende technische, organisatorische und persönliche Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen“, sagte Laumann auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.

Vor allem Personen mit körperlich anstrengenden Arbeiten oder im Freien Tätige seien von der Hitze betroffen. „Für diese Berufsgruppen könnte die Einführung einer Siesta während Hitzeperioden aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll sein“, sagte Laumann der dpa.

„Siesta in der Hitze ist sicherlich kein schlechter Vorschlag“, schrieb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dazu auf Twitter. Nach seiner Meinung sollten aber es Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst aushandeln. „Medizinisch sicher für viele Berufe sinnvoll“, fügte er hinzu.

Stimmen gegen Siesta in Deutschland

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer, hat sich gegen die Einführung einer Hitze-Siesta für Arbeitnehmer in Deutschland ausgesprochen.

„Bei hohen Temperaturen sind Arbeitgeber durch Vorgaben zum Arbeitsschutz bereits jetzt dazu aufgerufen, Maßnahmen für ein erträgliches Arbeiten zu ergreifen. Die Notwendigkeit einer flächendeckenden, womöglich gesetzlich festgelegten Siesta im Sommer sehe ich nicht“, sagte Ostermann der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. „Modelle wie Vertrauensarbeits- und Gleitzeit bieten in vielen Jobs, wo dies vom Arbeitsablauf her möglich ist, ohnehin die Möglichkeit, an heißen Tagen bereits früh mit der Arbeit zu beginnen, um die kühleren Stunden am Morgen optimal dafür zu nutzen. Frei nach dem Motto: Früher Vogel fängt den kühlsten Wurm“, ergänzte Ostermann.

Die genaue Ausgestaltung der „Siesta“ bleibt sicherlich Gegenstand von Verhandlungen. Es ist klar, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer für dieses Thema sensibilisiert werden müssen. Dennoch haben viele Menschen auch ohne eine Siesta aufgrund der Flexibilität beim Arbeiten und diverser Gleitzeitregelungen bereits gute Möglichkeiten, die richtigen Aufgaben am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zu erledigen – sei es tagsüber oder nachts.

Bei genauerer Betrachtung stellen sich jedoch auch andere kritische Fragen, die sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in Bezug auf die Siesta vor große Herausforderungen stellen. Hier sind nur einige Stichwörter: Schichtarbeit, Lieferketten, Arbeitswege, Kindergarten- und Schulzeiten und nicht zuletzt die gesetzlichen Beschränkungen der Arbeitszeit (11 Stunden Ruhezeit). Allein diese Faktoren machen die täglichen Abläufe im Arbeitsalltag der meisten deutschen Unternehmen und Arbeitnehmer derzeit nur begrenzt für die „Siesta“ geeignet.

Wunsch nach Siesta?  Klimawandel erhöht Gesundheitsrisiko am Arbeitsplatz

Der Klimawandel wirkt sich deutlich auf die Beschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern aus. Laut einer Umfrage fühlen sich 21 Prozent der Arbeitnehmer durch Hitzewellen bei der Arbeit stark belastet. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen im Land entspricht das etwa 160.000 Menschen, so die Krankenkasse DAK-Gesundheit. Die Kasse beauftragte diese Umfrage für den Gesundheitsreport 2024, der das Thema «Gesundheitsrisiko Hitze. Arbeitswelt und Klimawandel» behandelt. „Hitze ist das größte durch den Klimawandel bedingte Gesundheitsrisiko – auch für die Beschäftigten“, zitiert die dpa Worte der DAK-Landeschefin Sabine Hansen.

Zwar haben laut Report zwei Drittel der Beschäftigten die Möglichkeit, Maßnahmen gegen die Hitze zu ergreifen, wie zum Beispiel ausreichend zu trinken oder den Arbeitsplatz zu verdunkeln. Anpassungen der Arbeitszeit, wie eine „Siesta“ in der Mittagszeit nach südeuropäischem Vorbild, sind jedoch bisher kaum verbreitet. Dennoch würden 36 Prozent der Befragten diese Option gerne nutzen.

Obwohl sich die Umfrage auf Mecklenburg-Vorpommern bezieht, könnten die Ergebnisse ebenso gut für ganz Deutschland gelten.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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