Was Unternehmen von Bewerbern erwarten
Möglicherweise kennen Sie folgendes Szenario im Bewerbungsprozess: Der Bewerber, nennen wir ihn „der Ingenieur“, erstellt seine Bewerbungsunterlagen zum 20. Mal. Sein Frust über die vielen Absagen hält sich inzwischen in Grenzen. Denn er hat seine Dokumente mittlerweile so umgeschrieben, dass er nur noch den Empfänger und ein paar Worte austauschen muss, um sie wieder bei einem neuen Unternehmen im Stellenportal hochzuladen. Geht dank Internet und Digitalisierung ja sehr einfach.
Schlau gemacht, denkt sich der Ingenieur, irgendwann wird doch ein Unternehmen anbeißen! Doch ist das tatsächlich so smart wie unser Ingenieur meint? Und was wird das für eine Position sein, die ihm darauf angeboten wird? Was wird das für ein Unternehmen sein, das „irgendwann anbeißt“?
Bedarf der Unternehmen
Zunächst einmal, wenn ein Unternehmen eine Stelle ausschreibt, hat es einen Bedarf an einem neuen Mitarbeiter. Der Grund kann vielfältig sein, beispielsweise ist das Arbeitsvolumen gestiegen und kann durch die bestehenden Mitarbeiter nicht mehr gedeckt werden. Um einen guten, passenden Bewerber zu erhalten, wird intensiv an der Ausschreibung gefeilt: Zunächst beschreibt das Unternehmen sich attraktiv, um Interesse bei potenziellen Bewerbern zu gewinnen. Sodann wird die Aufgabe exakt und aussagekräftig beschrieben. Und zwar so, dass die Aufgabe ansprechend und herausfordernd für Interessenten klingt. Ebenso werden die Anforderungen konkretisiert. Hierbei ist der Spagat zwischen „zu spezifisch“ und „zu allgemein“ zu meistern: Bitte nicht „zu spezifisch“, damit ausreichend potenzielle Bewerber die Anforderungen zumindest überwiegend erfüllen und sich bewerben, und nicht „zu allgemein“, damit sich nicht „jedermann/-frau“ darauf bewirbt, deren Qualifikationen überhaupt nicht passen. Es wird schon häufig mit großem Aufwand getüftelt und gefeilt, bis die passende Stellenausschreibung erstellt ist. Das Ziel ist, dass die Bewerber genau verstehen, ob die Position und das Unternehmen das richtige, passende für sie sind. Und Interessenten sollten sich „nur“ bei weitestgehender Überdeckung der Qualifikationen bewerben.
Vorstellungen der Unternehmen
Der gesuchte neue Mitarbeiter soll natürlich viele Erwartungen erfüllen: Sein fachliches Wissen, wie auch seine Persönlichkeit müssen passen. Im Besonderen soll er hoch motiviert und engagiert die anstehenden Aufgaben eigenständig und eigenverantwortlich erledigen. Sicherlich stets zur vollsten Zufriedenheit für den Kunden und für das Unternehmen. Schwierigkeiten sollte er möglichst selbständig lösen. Dabei soll er optimal ins Team passen und selbstverständlich zu 100 % loyal dem Vorgesetzten und dem Unternehmen gegenüber agieren. Klar, der neue Mitarbeiter, soll nicht nur „Dienst nach Vorschrift“ machen, sondern für die Aufgabe, das Arbeitsumfeld, und das Unternehmen „brennen“, die „Extrameile gehen“, Passion entwickeln. Diese Fähigkeiten sollte der Bewerber im Bewerbungsprozess, durch seine Unterlagen oder im Vorstellungsgespräch, präsentieren.
Leistungen der Unternehmen
Das Unternehmen bietet für den potenziellen neuen Mitarbeiter eine langfristige berufliche Perspektive, in der Regel eine sichere finanzielle Existenz. Dafür möchte es die vorweg beschriebenen Anforderungen erfüllt bekommen. Wenn zum Eintrittstermin noch Defizite bestehen, zum Beispiel fehlendes Wissen, sollen diese schnell behebbar sein. Je größer die Abweichungen sind, umso mehr Zeit benötigt die Einarbeitung und umso mehr Kosten werden verursacht. Somit erwartet das Unternehmen vom Bewerber, dass er versteht und einschätzen kann, was seine zukünftigen Aufgaben sind. Dazu sollte der Bewerber schon Erfahrungen mit den Anforderungen in irgendeiner Form gehabt haben, durch vorherige vergleichbare Tätigkeiten, durch Praktika oder Werkstudententätigkeiten, Studienarbeiten, Erfahrungsaustausch, etc. Ebenso sollte der Bewerber selbstreflektiert sein, seine Persönlichkeitsmerkmale, Fähigkeiten, Stärken sowie Schwächen, was er gut kann und gerne macht, und ebenso was nicht, gut kennen. Erst daraus kann der Bewerber ableiten, ob er auf die ausgeschriebene Stelle gut passt. Somit sollte unser Ingenieur sehr gewissenhaft zunächst sich selbst, seine Fähigkeiten, Neigungen, Kompetenzen, usw. reflektieren und seine Interessenschwerpunkte identifizieren. Anschließend sollte er eine Stellenmarktanalyse für seine Wunschtätigkeit durchführen und prüfen, welche zusätzlichen Qualifikationen er für die Aufgabe benötigt (nicht alle geforderten Qualifikationen werden im Studium vermittelt; hier ist Eigeninitiative gefordert).
Anforderungen der Unternehmen
Inwieweit die Anforderungen vollständig erfüllt sein müssen, hängt von zahlreichen Faktoren ab: Wie viele Interessenten haben sich beworben, wie dringend ist die Stelle zu besetzen, usw. In jedem Fall sind die fachlichen Qualifikationen nicht alles, auch die Persönlichkeit muss passen. Und da erwartet das Unternehmen, dass der Bewerber „alles“ gibt, um die zukünftigen Anforderungen zu erfüllen. Und dies spiegelt sich im ersten Schritt in den Bewerbungsunterlagen: Vor allem Sorgfalt bei der Arbeit, Fokussieren auf das Wesentliche und Relevante, Überzeugungsfähigkeit, Einsatzbereitschaft, Begeisterung.
Das bedeutet für die Bewerbungsunterlagen:
- Konkrete, überzeugende Begründung, warum der Interessent sich auf die ausgeschriebene Stelle und bei dem Unternehmen bewirbt. Dazu gehört, dass der Bewerber eine klare Vorstellung von seiner Wunschtätigkeit hat.
- Klare Darstellung der fachlichen und persönlichen Eignung, und dass er sich auf den Berufseinstieg im Vorfeld vorbereitet hat, durch Praktika, Auslandsaufenthalte, Weiterbildungsmaßnahmen, ehrenamtliches Engagement, etc.
Dies kann unser Ingenieur kaum durch seine Standardunterlagen erfüllen. Auch wenn es schwierig erscheint, sollte der Bewerber individuelle Bewerbungsunterlagen, konkret auf die ausgeschriebene Tätigkeit und auf das suchende Unternehmen bezogen, erstellen. Kreativität und Einfallsreichtum sind dabei wertvolle, erforderliche Kompetenzen.
Anforderungen im Vorstellungsgespräch
Im Vorstellungsgespräch wird erwartet, dass der Bewerber vorbereitet ist. Dazu gehört auch, dass er sich selbst und seinen Werdegang gut vorstellen und präsentieren kann. Die anschließenden Fragen sollte der Bewerber authentisch und ehrlich beantworten. Es hilft beiden Seiten nichts, wenn der Bewerber Angaben macht, die nicht zutreffen, jedoch vermutlich der Einstellende gerne hören möchte. Es macht einen guten Eindruck von Interesse und Wille, in dem Unternehmen zu starten, wenn gute Fragen über die zukünftige Beschäftigung gestellt werden. Wurden diese bereits im Vorfeld in der Vorstellung beantwortet, sollten sie nochmal vom Bewerber zusammengefasst werden, damit der Einstellende versteht, was ihm dabei wichtig ist.
Fazit: Leidenschaft für den Job ist gefragt
Das Unternehmen erwartet, dass der Bewerber klare Vorstellungen zu seiner zukünftigen Tätigkeit hat, dass er für die Aufgabe und das Unternehmen „brennt“. Diese Leidenschaft darf sich im Anschreiben und im Vorstellungsgespräch zeigen. Emotionslose Bewerbungen sind langweilig und unansprechend. Bewerbungsunterlagen müssen überzeugen, Interesse wecken, und aufzeigen, dass der Bewerber das Unternehmen bereichert. Serien-Bewerbungen werden schnell erkannt und beiseite gelegt. Engagement und Initiative werden honoriert, vorausschauendes Planen und Organisieren erwartet. Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch und den Berufseinstieg sollte selbstverständlich sein, sowie authentisches, ordentliches und selbstbewusstes Auftreten wie auch Interagieren.
Unser Ingenieur hat es verstanden. Er klärt für sich, in welche berufliche Richtung er gehen möchte, analysiert passende Stellenangebote, und prüft, wie er fachliche Defizite reduzieren kann. Sodann setzt er sich wieder an seine Bewerbungsunterlagen, um sie ansprechend und überzeugend, individuell auf die Ausschreibung bezogen, zu formulieren. Damit bekommt er schnell die erhoffte Einladung zum Vorstellungsgespräch, auf das er sich intensiv vorbereitet. So kann er gegenüber seinen Mitbewerbern punkten und überzeugen, und findet schnell zu seinem Wunschjob.
Ihnen wünsche ich gutes Gelingen und viel Erfolg!
Bodo Ikinger ist Business & Personality Coach und schreibt für ingenieur.de.
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