Arbeitnehmer fordern vor allem Empathie von ihrem Chef
Einer Studie zufolge wünschen sich Angestellte, dass Vorgesetzte Empathie zeigen und zuhören. Die Führungsetagen wünschen sich indes etwas ganz anderes.
Der Chef soll zuhören und Empathie zeigen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen einen sehr viel größeren Wert auf die Menschlichkeit ihrer Vorgesetzten als Führungsetagen von Unternehmen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). Demnach sehnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über Grenzen hinweg nach einer Chefin oder einem Chef mit ausgeprägten menschlichen Qualitäten: BCG hat dazu 4.000 Menschen aus Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien gefragt, welche Eigenschaften ihnen bei Führungskräften wichtig sind: Herz, Hand oder Hirn. Hirn steht dabei für Intellekt und klares Denken, Hand für Tat- und Entschlusskraft und das Herz für soziale Fähigkeiten wie das Zuhören, Einfühlungsvermögen und die Förderung des Teamgeists.
Empathie? Unternehmen wollen Intellekt und Tatkraft
Die Diskrepanz zwischen den Antworten der Unternehmen selbst und ihrer Angestellten ist erheblich. So legen die Unternehmen bei Führungskräften mit 69 % den größten Wert auf den den Intellekt und das Denkvermögen. Tatkraft ist mit 44 % am zweitweichtigsten. Zuhören, Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, den Teamgeist zu fördern, liegen mit 25 Prozent auf dem letzten Platz.
Was brutaler Kontrollverlust mit Führungskräften macht
Bei den Angestellten ist es genau umgekehrt: 37 Prozent der Befragten legen den größten Wert auf menschliche Qualitäten und das Herz, 20 Prozent auf Tatkraft und Entschlusskraft und nur 14 Prozent auf den Intellekt und die Fähigkeit zum klaren Denken. Empathie ist ihnen wesentlich wichtiger.
„Die Herz-Qualitäten bei Führungskräften rücken immer mehr in die vorderen Ränge“, sagt BCG-Berater Felix Schuler. „Empathisches Führen, eine echte Verbundenheit mit den Mitarbeitern, Zuhörfähigkeiten.“
Für Führungskräfte bedeuten die unterschiedlichen Erwartungen der Mitarbeiter und noch weiter oben angesiedelter Manager nach Schulers Einschätzung erhöhte Anforderungen: „Es sind nicht mehr nur die von oben geforderten Qualitäten wie Entschlusskraft und fachliche Expertise gefragt.“
Kann der Chef sein Team motivieren?
Vorgesetzte, die Empathie zeigen und in der Lage sind, ihr Team positiv zu motivieren, zahlen sich derweil auch ganz profan finanziell für ein Unternehmen aus. Motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind produktiver, wer mit Freude zur Arbeit geht, schafft mehr – und bleibt gern im Unternehmen.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Kann es Realität werden?
Beim Thema Motivation lassen sich grundsätzlich zwei Arten unterscheiden: Die extrinsische Motivation, die über äußere Anreize funktioniert, und die intrinsische Motivation, die Mitarbeiter innen heraus entwickeln. Grundsätzlich komme der Aspekt, dass Menschen einen Job eben auch deshalb ausüben, weil sie darin eine Berufung sähen, in der Diskussion um Zufriedenheit am Arbeitsplatz oft zu kurz, sagt Wirtschaftswissenschaflter Bernhard Neumärker von der Uni Freiburg. „In der Diskussion wird oft unterstellt, es gebe nur so etwas wie ein Arbeitsleid. Als müsse man dem Arbeitnehmer seine Zeit abkaufen, sonst würde er nichts tun. Wie eine Art Schmerzensgeld.“
Intrinsische Motivation durch Empathie fördern
Bisweilen wird Angehörigen mancher Berufsgruppen, etwa solchen, die im sozialen oder pflegerischen Bereich liegen, eine besonders hohes Maß an intrinsischer Motivation nachgesagt. Das führt zu einem speziellen Phänomen: Gerade Menschen, die ihre Arbeit besonders stark aus einem inneren Antrieb heraus erledigten, würden zumindest relativ betrachtet besonders schlecht bezahlt. Denn sie seien bereit, mehr zu leisten, als sie an Gegenwert in Form von Lohn erhielten, so Neumärker. Egal, ob der Impuls von außen oder von innen kommt: Führungskräfte können direkt positiven Einfluss nehmen. So kann es für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon ungeheuer motivierend sein, positives Feedback zu seiner Arbeit zu bekommen.
Wenige wollen selbst Führungskraft werden
Die unterschiedlichen Ansichten über die Frage, welche Qualitäten eine Führungskraft erfüllen muss, mag Klagen von Angestellten über ihre Chefinnen und Chefs im Arbeitsalltag erklären. Die Untersuchung der Unternehmensberatung zeigt aber auch: Die Mehrheit der Angestellten ist mit der Arbeit ihrer Vorgesetzten und Führungsetagen in der Corona-Krise zufrieden : 60 Prozent in Spanien und 71 Prozent in Großbritannien goutierten demnach die Arbeit ihrer Chefs, in Deutschland und Frankreich sind es 66 beziehungsweise 63 Prozent.
Mitarbeiter motivieren: Das sollten Führungskräfte beachten
Vielleicht überraschend: Selbst Chefin oder Chef möchte kaum jemand werden – in allen vier Ländern. Zwar hätten ungefähr 50 Prozent der Menschen den Wunsch, sich beruflich zu entwickeln. „Es sind aber nur 13 Prozent, die gerne Führungskraft werden wollen“, so Schuler. Die Übrigen sind demnach zwar ebenfalls ambitioniert, haben aber andere Ziele. „Um die 50 Prozent der Entwicklungsbereiten gibt es einen ganz intensiven Wettbewerb zwischen ganz verschiedenen Entwicklungspfaden.“ Also zum Beispiel der Weg in die Selbstständigkeit, eine Karriere als Experte oder der Wunsch nach einer gesellschaftlich und sozial als sinnvoll empfundenen Arbeit.
Große Mehrheit fühlt sich mit Arbeit verbunden
Die ganz große Mehrheit, ob ehrgeizig oder nicht, ist laut Umfrage durchaus zufrieden mit ihrem Arbeitsleben. „Neunzig Prozent der Leute sagen, dass sie sich ihrer Arbeit verbunden fühlen, es gibt keine Entfremdung an dieser Stelle“, sagte Schuler. „Wir haben nicht eine Grundgesamtheit von Unzufriedenen, sondern eine Grundgesamtheit von Zufriedenen und Engagierten.“
(mit dpa)
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