Arbeitssicherheit in deutschen Offshore-Windparks: Was fehlt?
Die IG Metall und andere Organisationen der Offshore-Windbranche fordern einheitliche Standards für Arbeitssicherheit und Notfallrettung in deutschen Offshore-Windparks, um die Ausbauziele zu erreichen. Der geplante Ausbau der Offshore-Windenergie erfordert verbesserte Rettungsinfrastrukturen sowie eine stärkere Beteiligung der Beschäftigten an der Entwicklung von Arbeitssicherheitskonzepten.
Die Wartung von Offshore-Windkraftanlagen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Laut IG Metall könnten feste Standards, insbesondere in den Bereichen Sicherheit und Notfallrettung, die Arbeitsbedingungen erheblich verbessern.
Um die Klimaziele zu erreichen, plant die Ampelregierung, die Offshore-Windenergie deutlich auszubauen. Bis 2030 sollen 30 GW und bis 2045 sogar 70 GW installiert werden. Derzeit gibt es 1564 Windräder mit einer Gesamtleistung von 8,4 GW vor den Küsten von Nord- und Ostsee. Nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie sind vier weitere Windparks mit einer Leistung von 2,54 GW im Bau.
Mit diesem Ausbau wird auch die Zahl der Beschäftigten deutlich steigen. Die IG Metall schätzt, dass bis 2045 rund 55.000 Menschen in der Offshore-Industrie arbeiten werden. Derzeit sind es etwa 30.000, davon rund 1500 als Servicetechniker auf den Windturbinen auf See.
Arbeitssicherheit und schnelle Rettungs(infra)strukturen
Gewerkschaften und Betriebsräte fordern einheitliche und verbesserte Regelungen für die Arbeitssicherheit und schnelle Notfallrettung in Offshore-Windparks. Die IG Metall hat zusammen mit Betriebsräten ein Positionspapier erstellt, das der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. „Hohe Standards bei der Arbeitssicherheit sowie verlässliche und schnelle Rettungs(infra)strukturen sind zentrale Voraussetzungen für die Realisierung der Ausbauziele der Offshore-Windenergie in Deutschland“, heißt es im Papier.
Darin schlagen Gewerkschaften und Betriebsräte unter anderem einheitliche Standards für den Personaleinsatz bei Wartungen an Windturbinen, für die Kommunikationsinfrastruktur in Windparks und für eine optimierte Rettungskette vor.
Die Standards sind von Windpark zu Windpark unterschiedlich
Laut Gewerkschaft und Betriebsräten können Windparkbetreiber viele Abläufe, wie die Wartung von Anlagen, individuell festlegen, wodurch die Standards von Windpark zu Windpark unterschiedlich sind. „Es ist nicht so, dass alles schlecht ist, sondern wir haben auch schon gute Regelungen!“, kommentierte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Mit dem geplanten Ausbau der Offshore-Windkraft werden in den kommenden Jahren nicht nur deutlich mehr Menschen in dieser Branche beschäftigt sein, sondern Servicetechniker werden auch weiter draußen auf See arbeiten, wo die neuen Windparks entstehen. Daher seien bessere Standards für sichere Arbeitsplätze und schnelle Notfallrettung notwendig, sagte Friedrich. Er betonte zudem, dass eine Standardisierung nicht dazu führen dürfe, dass bestehende gute Regelungen verschlechtert werden.
Für Notfälle sollen mindestens zwei bis drei spezielle Rettungshubschrauber, sogenannte HEMS-Helikopter, einsatzbereit sein, heißt es in dem Positionspapier. Derzeit ist nach dpa-Angaben ein solcher Hubschrauber in Sankt Peter-Ording stationiert. „Wir müssen uns auch die Standorte genau angucken, weil es sein kann, dass wir unterschiedliche Wetterlagen haben“, erklärte Timo Röpkes, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender beim Windparkbetreiber Ørsted im ostfriesischen Norden (Landkreis Aurich), gegenüber der dpa.
Ein weiteres Rettungskonzept erforderlich
Die Gewerkschaft sagt, dass mit vielen neuen Windparks, die in den kommenden Jahren bis zu 350 km von der Küste entfernt in der Deutschen Bucht entstehen sollen, ein weiteres Rettungskonzept erforderlich ist. Weil die Hubschrauber, die an der Küste stationiert sind, diese Windparks nicht erreichen können. Heiko Messerschmidt, Branchenbetreuer für die Windindustrie bei der IG Metall, sagte: „Wenn dann die Windparks viel weiter draußen sind, dann braucht es technische Lösungen, entweder ein Offshore-Schiff oder eine Offshore-Plattform.“
Die Gewerkschaft bemängelte auch das Fehlen eines einheitlichen Standards bei der personellen Besetzung auf den Windturbinen. Es wurde berichtet, dass bisher mindestens zwei Techniker gleichzeitig auf einer Windkraftanlage arbeiten. Dies wurde von den Arbeitnehmern als unzureichend betrachtet. Henrik Köller, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Emden, äußerte die Frage, wer den Rettungsdienst informieren würde, falls ein Notfall eintritt, zum Beispiel ein Kollege einen Herzinfarkt erleidet und der andere mit den Wiederbelebungsmaßnahmen beginnt. Betriebsräte und Gewerkschaft forderten daher, dass mindestens immer drei Personen zur gleichen Zeit auf einer Anlage arbeiten sollten.
Bei den Kommunikationswegen besteht Handlungsbedarf
Betriebsräte geben an, dass es auch bei den Kommunikationswegen Handlungsbedarf gibt. Nach ihren Angaben fehlen in vielen Windparks immer noch Mobilfunkverbindungen. In der Regel sind die Anlagen mit Festnetzanschlüssen ausgestattet. Timo Röpkes betonte, dass, falls die Kommunikation ausfalle, immer mindestens ein zweiter Weg benötigt werde. Ansonsten seien sie völlig abgeschnitten. Er erwähnte auch die Notwendigkeit eines einheitlichen Mobilfunkausbaus auf See neben dem herkömmlichen Funkverkehr, um beispielsweise Telemedizin im Notfall zu ermöglichen.
Die IG Metall hat bereits Gespräche mit Unternehmen, Aufsichtsbehörden und Ministerien zu vielen Punkten geführt. In einem Papier zu industriepolitischen Handlungsempfehlungen, das im vergangenen Herbst von Organisationen der Offshore-Windbranche veröffentlicht wurde, wurde der Bund bereits aufgefordert, etwa Zuständigkeiten bei der Organisation eines Rettungssystems in weit draußen gelegenen Windparks auf den Meeren zu klären. Die IG Metall fordert außerdem, dass Beschäftigte, die auf See arbeiten, stärker in die Entwicklung von Arbeitssicherheitskonzepten einbezogen werden. (Mit dpa)
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