Bauingenieure simulieren Explosionswellen per Computer
Forscher der Technischen Universität München haben ein Detonationsmodell auf Basis realer Städtedaten entwickelt, um Schäden bei Sprengungen von Weltkriegsbomben vorhersagen und möglichst minimieren zu können. Auch bei Bedrohungen durch Attentate sollen die Simulationen helfen, den Schaden zu begrenzen und Menschenleben zu retten.
Sie wurden gebaut, um Zerstörung zu bringen: Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg. Zwar ist der Krieg lange vorbei, doch immer wieder stoßen Bauarbeiter auf die explosiven Relikte. Ihre Zerstörungskraft haben sie nicht eingebüßt: Wird eine Bombe gefunden, muss sie entschärft werden. Und wenn das nicht geht, steht die kontrollierte Zerstörung an.
Doch was genau wird da kontrolliert? Welche Kräfte werden frei und welche Schäden entstehen durch die Detonationswellen für Menschen und Gebäude? Und wie kann die Sicherheit der Bürger erhöht werden? Diesen Fragen ging eine Gruppe Wissenschaftler um Prof. Martin Mensinger vom Lehrstuhl für Metallbau der Technischen Universität München (TUM) jetzt nach. Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „Verfahren zur Analyse von Detonationseinwirkungen in urbanen Gebieten“, kurz DETORBA, forschen sie an Möglichkeiten, durch neue Simulationsmethoden Schäden durch Detonationswellen an Bauwerken besser vorhersagen zu können. Unterstützt werden sie dabei von verschiedenen Firmen, Ingenieurbüros und der Stadt Frankfurt am Main.
Gebäude werfen Detonationswellen zurück
Wenn eine Bombe in bebautem Gebiet explodiert, wird die von ihr erzeugte Druckwelle von den umliegenden Gebäuden reflektiert, teilweise auch mehrfach. Die einzelnen Wellen und Reflexionen überlagern sich: Die Effekte werden nicht nur zum Teil stärker, sondern schwerer berechenbar: Bereits einfache Gebäudeformen, so die Wissenschaftler, sorgen für komplexe Wechselwirkungen.
Um die Effekte dennoch möglichst genau vorhersagen zu können, entwickelten die Ingenieure realistische Modelle. Dafür stützten sie sich auf hochauflösende dreidimensionale Stadtmodelle auf Basis der Daten von Geoinformationssystemen. Durch diese computergestützte Simulation kann die Gruppe relativ genau vorhersagen, wo Schäden welchen Ausmaßes in der jeweiligen Baustruktur zu erwarten sind. Auch die Gefahr für Menschen, die sich in der Nähe der Detonation aufhalten, bewerten sie.
Simulationen helfen Rettern bei der Arbeit
Mit Hilfe ihrer Simulationen ermöglichen es die Forscher, schnell Gefährdungskarten für Bedrohungen durch Bomben zu erstellen. Dabei muss es sich nicht unbedingt um einen Weltkriegsfund handeln: Auch Attentate und Terrorangriffe gehören zu den Bedrohungsszenarien. Im Ernstfall sollen Rettungskräfte durch die Simulationen in die Lage versetzt werden, besonders gefährdete Stellen und mögliche Rettungswege bereits im Vorfeld zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Evakuierungen können mit diesen Karten ebenfalls gezielter durchgeführt werden.
Die Ingenieure gaben sich jedoch nicht damit zufrieden, mögliche Schäden abzubilden, sondern suchten auch nach Wegen, um sie zum Beispiel durch abgestimmte Baumaßnahmen zu minimieren. Um dabei tiefer ins Detail gehen zu können, kombinierten sie ihre Computersimulation mit mechanischen Modellen: Dabei stellte sich heraus, dass Pfeiler und Stützen umso weniger in Mitleidenschaft gezogen werden je flexibler sie sind. So sei es zum Beispiel ideal, Stützen gelenkig auf dem Fundament zu befestigen, wenn möglich, sogar noch etwas unterhalb der Geländeoberfläche. Bei reinen Empfehlungen belassen es die Forscher dabei nicht, sondern machen direkt Nägel mit Köpfen: „Wir entwickeln hierfür spezielle Stützen in Stahl-Beton-Verbundbauweise“, erklärte Bauingenieur Stefan Trometer dazu.
Münchener haben leidvolle Erfahrung mit kontrollierter Sprengung
Wie wichtig eine genaue Kenntnis des möglichen Schadens im Vorfeld ist, um die passenden Vorkehrungen treffen zu können, wissen gerade die Münchener aus eigener leidvoller Erfahrung. Im August 2012 hatte im Stadtteil Schwabing eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg nicht entschärft werden können und musste gesprengt werden. Trotz vernagelter Fenster barsten Scheiben, fielen Fliesen von den Wänden, und umherfliegendes Stroh, zur Dämmung auf die Bombe gelegt, trug die Flammen teilweise in die Gebäude hinein. Noch lange Zeit nach der Sprengung waren nicht alle Schäden beseitigt, und viele Betroffene leiden immer noch unter den wirtschaftlichen Folgen.
Ein Beitrag von: