Serie Gesundheit (1) 22.06.2012, 11:55 Uhr

Betriebliches Gesundheitsmanagement macht Mitarbeiter gesünder

Betriebliches Gesundheitsmanagement ist ein Gebot der Stunde. Immer mehr Unternehmen punkten mit Fitness- und Betreuungsprogrammen im Wettbewerb um den beliebtesten Arbeitgeber. Mittelständische Unternehmen tun sich bei der Einführung schwerer als Konzerne, dabei müssen griffige Konzepte nicht zwangsläufig an die finanziellen Reserven gehen. Schließlich zahlt sich Gesundheit für alle Beteiligten auch aus.

„Hören Sie mal, Meier, Sie haben doch “nen Übungsleiterschein“, sagt der Personalchef eines Mittelständlers. „Wissen Sie was? Wir geben Ihnen ein paar Euro, Sie kaufen einen Stapel Gummimatten und kümmern sich ein wenig um die, denen nach fünf Treppenstufen flau wird.“ So einfach kann Gesundheitsmanagement sein. Und so falsch.

„Die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) ist kein Klacks – erst recht nicht für mittelständische Unternehmen“, schreibt Lutz Lambert, bei der IHK Düsseldorf auch zuständig für Gesundheit, im IHK Magazin. Das betriebliche Gesundheitsmanagement sei eine komplexe Managementaufgabe, Einführung und Umsetzung seien mit großem Aufwand verbunden. Lambert: „Dabei reicht es nicht, etwa die Süßigkeiten aus dem Snackautomaten zu verbannen, sondern hier geht es um die bewusste Ausrichtung aller betrieblichen Prozesse mit dem Ziel, Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftigten zu fördern.“ BGM umfasse Arbeitsschutz, betriebliche Gesundheitsförderung bis hin zur Hilfe bei Rauchentwöhnung, altersgerechte Arbeit und Führungskultur. „Je nach Definition kann auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dazugehören.“

Pro Jahr 130 Mrd. € Kosten durch erkrankte Mitarbeiter

In deutschen Unternehmen entstehen pro Jahr rund 130 Mrd. € Kosten durch Erkrankungen der Mitarbeiter. Das hat 2011 die Strategieberatung Booz & Company im Auftrag der Felix Burda Stiftung herausgefunden. Ein Drittel davon entfällt auf krankheitsbedingte Fehlzeiten, zwei Drittel entstehen dadurch, dass Mitarbeiter trotz Krankheit am Arbeitsplatz erscheinen. Dieser sogenannte „Präsentismus“ verursache doppelt so hohe Kosten wie eine krankheitsbedingte Abwesenheit am Arbeitsplatz.

Obwohl Krankenkassen für betriebliche Gesundheitsförderung im Jahre 2010 über 42 Mio. € und damit 7 % mehr als im Jahr zuvor ausgaben, so das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung, und laut Einkommensteuergesetz gesundheitsfördernde Leistungen bis zu einer Höhe von 500 € pro Mitarbeiter und Jahr steuerfrei sind, scheuten viele Unternehmen die Einführung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Der Knackpunkt: Der Gewinn ist nur schwer nachzuhalten. Verringerte Fehlzeiten, erhöhte Motivation und gestärkte Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen lassen sich nur schwer als monetärer Vorteil ausweisen.

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In Zeiten des demografischen Wandels, in denen ältere und daher krankheitsanfälligere Mitarbeiter immer wichtiger für Firmen werden, und angesichts des Fachkräftemangels werde, so IHK-Mitarbeiter Lambert, BGM „nicht nur lohnenswert, sondern notwendig“.

Gesundheitsmanagement macht Arbeitgeber attraktiver

Firmen werden künftig verstärkt auf Ingenieure zugehen müssen, Arbeitgebern mit einem schlechten Image zeigen begehrte Fachkräfte mehr und mehr die kalte Schulter. Diese Firmen, so das Fazit, das der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) aus einer hauseigenen Studie zieht, werden „mehr denn je zu den Verlierern im Kampf um die besten Mitarbeiter“. Ein ausgefeiltes BGM kann daher insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) im Wettbewerb um gute Mitarbeiter nach vorne bringen.

Kosten und Wettbewerb sollten aber nicht die einzigen Motive für ein BGM sein, meint Stephan Bartels. Der Diplom-Sportlehrer und Gesundheitswissenschaftler denkt auch an soziale und humanitäre Gründe, sich für gesunde Mitarbeiter einzusetzen. Bartels ist das gelungen. Mit Rückendeckung seines Arbeitgebers, des Maschinenbau-Unternehmens MBH in Ibbenbüren, stellte der Gesundheitsmanager ein im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnetes BGM auf die Beine.

Wer sich um ein effektives BGM bemühe, müsse zunächst die Führungskräfte ins Boot holen und es verstehen, ihnen den Nutzen zu vermitteln. Denn fehlendes Wissen sei ein wesentliches Hemmnis bei der Installierung von Gesundheitsprogrammen, andere seien u. a. die Angst vor zu hohen Kosten und vor der Störung des Arbeitsablaufs.

„Die Führungskräfte müssen konsequent hinter dem BGM stehen. Ihre Sensibilität für das Thema ist der entscheidende Faktor“, sagt Bartels. Das Feingefühl für das Thema Gesundheit aber fehlt häufig. Vor allem bei Managern, die noch nicht einmal ihre eigenen Krankheitsbilder kennen, wie Skolamed, Dienstleister für BGM, herausgefunden hat. Rund 42 % der bei Führungskräften auf der Basis von Check-ups erstellte Diagnosen waren ihnen neu, vor allem Stoffwechsel- und Skeletterkrankungen sowie Herzkreislaufprobleme.

„Die Entscheidungsträger sind näher an den Mitarbeitern als ich“, betont Bartels, „sie kennen die Bedürfnisse der Kollegen besser. Durch die große Nähe der Führungskräfte zu ihren Kollegen haben wir es geschafft, Burn-out-Symptome frühzeitig festzustellen und die betroffenen Mitarbeiter wieder erfolgreich zu integrieren.“ Allein das Auf-den-Mitarbeiter-zugehen, das Hilfsangebot, habe Erstaunliches bewirkt. Höchstes Gebot bei der Sorge um den Mitarbeiter aber sei der Schutz seiner Intimsphäre.

Gesundheitsmanagement: Führungskräfte haben Vorbildfunktion

Insbesondere bei kleinen Unternehmen wirke sich die persönliche Lebensweise des Geschäftsführers fördernd oder hemmend auf entsprechende Gesundheitspläne aus. Aus einer älteren Studie von VW geht hervor, wie groß der Zusammenhang von Führung und Gesundheit ist: Demnach nehmen Führungskräfte beim Wechsel in eine andere Abteilung ihren Krankenstand mit. Manager, die loben, sich Zeit nehmen, auf Ideen eingehen und eigene Fehler zugeben, verringern die Zahl der Fehltage ihrer Mitarbeiter um zwei, haben Wissenschaftler von der ETH Zürich ermittelt.

Vorbeugung im Sinne eines Arbeitsplatzes, der Lebensfreude und Kreativität fördert, ist für Bartels die beste Prävention. Und das Gefühl, nicht morgen auf der Straße stehen zu können. „Der Mensch braucht Arbeit, sie macht gesund. Die Bedrohung des Arbeitsplatzes lässt Menschen die Ellbogen ausfahren, sie brauchen aber Sicherheit.“

Gesundheitsmanagement sollte sich Bedürfnissen anpassen

BGM müsse sich an den Bedürfnissen des Unternehmens und der Mitarbeiter ausrichten. Dabei haben sich die Wünsche und Sorgen im Laufe der Jahre geändert. „Viele Menschen befinden sich in einer Sandwichposition zwischen den eigenen Kindern und den zu betreuenden Eltern.“ Auch hier könne der Arbeitgeber Hilfe signalisieren, auch das könne Teil von Gesundheitsmanagement sein. Ganz zu schweigen vom Druck, der auf Mitarbeitern durch den Zwang zu ständiger Erreichbarkeit, durch erhöhtes Tempo, unangemessene Bezahlung und unklare Aufgabenverteilung lastet.

Die Einführung von BGM verlange eine Menge Geduld, sagt Bartels, denn es handele sich um einen Prozess, der nicht morgen bereits die dicksten Früchte trage.  WOLFGANG SCHMITZ

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Schmitz

    Wolfgang Schmitz

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: Bildung, Karriere, Management, Gesellschaft

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