Brände zerstören Industriewerte in Milliardenhöhe
Deutsche Unternehmen fürchten sich vor Cyberattacken. Dabei entstehen die größten Schäden seit Jahren durch ganz andere Ursachen, wie der neue „Global Claims Review“ der Allianz zeigt.
Die Bedrohung durch Cyberangriffe nehme zu und deutsche Unternehmen seien nicht darauf vorbereitet. So lautet der Tenor, wenn es um die Gefahren für Industrie und Wirtschaft geht. In Wirklichkeit aber werden die Unternehmen sehr viel weniger von Hackern als von technischen Mängeln und menschlichem Versagen bedroht. Knapp 90 % aller Schadensfälle sind darauf zurückzuführen, wie die Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) feststellt. Für die aktuelle Studie „Global Claims Review“ hat der Industrieversicherer über 470.000 Schadensfälle der letzten fünf Jahre untersucht.
Brände verursachen Millionenschaden in deutschen Unternehmen
Das Ergebnis: Cyberangriffe und Naturkatastrophen, die uns am ehesten in den Kopf kommen, wenn es um große Schadensfälle der letzten Jahre geht, beinhalten für die meisten Unternehmen ein überschaubares Risiko. Deutsche Unternehmen hatten vielmehr mit traditionellen Ursachen für Schadensfälle zu kämpfen. So machten Feuer, Explosionen und Produktmängeln in den Jahren 2013 bis 2018 rund 40% des Gesamtwertes aller Schäden aus. Die Unternehmen, bzw. Ihre Versicherungen kostete das rund 14 Milliarden Euro. Wer an die Explosionen bei BASF vor zwei Jahren oder bei Bayernoil denkt, kann sich das Ausmaß in etwa vorstellen.
An Platz drei der teuersten Schadensfälle folgen dann Schäden an technischen und maschinellen Einrichtungen inklusive Motorschäden mit 6 %, fehlerhafte Verarbeitung und Baumängel sowie Flugzeugkollisionen.
Die teuersten Schadensfälle sind aber nicht unbedingt die, die am häufigsten auftreten. So zählen Feuer und Explosion nicht zu den Top 5 der Schadensfälle. In der Menge tun sich aber Fälle beschädigter Waren und fehlerhafter Verarbeitung hervor. Und auch Verbrechen, Flugzeugkollisionen sowie Verluste auf See wurden von der AGCS überdurchschnittlich häufig registriert.
Schadenssummen steigen seit Jahren
Der weltweite Wert aller Schadensfälle belief sich im Untersuchungszeitraum auf 58 Milliarden Euro. Dabei sind zwei Dinge wichtig: Zum einen sind in die Untersuchung nur die Schäden eingeflossen, die auch versichert waren. Die tatsächlichen Schäden dürften entsprechend höher sein, wenngleich die sogenannte Protection Gap in der Industrie nicht so groß ist wie etwa bei Privathaushalten. Zum anderen hat die AGCS die Schadenssumme in dieser Zeit nicht alleine gestemmt, da die Risikoabdeckung nicht immer bei 100 % lag. Der tatsächlich vom Versicherer getragenen Summe kann man sich über die im Gesamtjahr 2017 erstatteten Schäden nähern: Im genannten Jahr erhielten die Versicherten rund 4,8 Milliarden Euro.
„In dem vernetzten und globalisierten wirtschaftlichen Umfeld, in dem wir uns heute befinden, steigen die Schadensummen an“, so Philipp Cremer, Global Head of Claims bei der AGCS. Das liegt zum einen daran, dass ein Brand in einem Rohstofflager nicht nur an Ort und Stelle Schäden verursacht, sondern auch die weitere Lieferkette trifft. Außerdem gebe es eine Wertekonzentration auf engem Raum. Da die Effizienz in der Industrie seit Jahren steigt, gewinne jeder Quadratmeter eines Lagers und einer Produktionshalle an Wert. So kostete ein Schadensfall durch Brand den Versicherer im Schnitt 1,5 Millionen Euro. Rechnet man die sekundären Brandfolgen dazu, zu denen etwa Betriebsunterbrechungen zählen, verursacht ein einzelner Brand schnell 3 Millionen Euro Sachschaden.
Vernetzung der Produktion hält Schadensfälle eher ab
Neue Technologien können Schäden verringern. Das zeigten die Entwicklungen im Flugverkehr, die das Reisen mit dem Flugzeug immer sicherer machten. Und auch in der vernetzen Produktion werden Sensoren dafür sorgen, dass Störungen im Produktionsablauf oder Schäden an einer Maschine frühzeitig erkannt und dem Maschinenführer gemeldet werden. „So vermindern neue Technologien das Eintreten eines Schadens wegen früherer Warnungen, Monitoring in Echtzeit und vernetzter Überwachungssysteme. Andererseits nimmt der Umgang mit Daten und die daraus resultierende Verletzlichkeit zu“, ist Cremer überzeugt.
Risiko Cyberkriminalität und Systemausfälle
Dass die Schäden vor allem traditionelle Ursachen haben und Cyberkriminalität und Naturkatastrophen nicht so stark ins Gewicht fallen wie von vielen befürchtet, hat zwei Ursachen. Zum einen kommt das von Ortwin Renn beschriebene Risikoparadox zum Tragen. Die Menschen fürchten sich vor dem Falschen, so der Direktor des Zentrums für Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart in seinem Buch. Und erklärte das Phänomen damit, dass dem Menschen für Alltagsgefahren der Instinkt fehle. Großereignisse – wie im Schadensfall etwa Naturkatastrophen – übertreffen die vielen kleinen Ereignisse um ein Vielfaches. Aber eben vor allem in unserer Wahrnehmung.
Es gibt jedoch eine zweite Erklärung und die ist weit weniger beruhigend. Demnach haben sich die Risiken aus neuen Technologien und Klimawandel noch nicht in dem Maß entwickelt, dass sie die traditionellen Schadensursachen verdrängt hätten. Aber dass sie es eines Tages tun werden, ist nach dieser Lesart nur eine Frage der Zeit. Cremer glaubt, dass die Cyberrisiken zunehmen und zu den bisherigen Risiken hinzukommen werden. Wobei nicht jedes Cyberrisiko ein Hackerangriff sein muss. Auch der Ausfall computerbetriebener Produktionsprozesse kann schnell teuer werden.
Und sollte es doch einmal zu einem externen Angriff auf die IT-Infrastruktur eines Unternehmens kommen, sei vor allem Zeit entscheidend. „Da braucht man ein funktionierendes Netzwerk an Dienstleistern in der IT-Forensik, um das Leakage schnellstmöglich zu stoppen, das Ausmaß zu analysieren, Anzeige zu erstatten, die Medienarbeit zu starten und die Zusammenarbeit mit den Behörden sicherzustellen – alles innerhalb der ersten 48 Stunden“, so Cremer. An dieser Stelle Hilfestellung zu geben und Schäden vom Unternehmen abzuwenden, sei auch Aufgabe eines Versicherers.
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