Forscher entwickeln „universellen“ Grippeimpfstoff
Die jährliche Grippeimpfung schützt jetzt nicht nur vor aktuell verbreiteten Virustypen, sondern auch vor der Schweinegrippe. Eine gesonderte Impfung ist damit nicht mehr nötig. Zudem arbeiten Forscher mittlerweile an einem generellen Schutz gegen sämtliche Grippeviren.
Erstmals beinhaltet der übliche saisonale Impfstoff gegen die Virusgrippe (Influenza), der sich jedes Jahr aus abgetöteten Bestandteilen der drei aktuell am häufigsten auftretenden Influenza-Virustypen zusammensetzt, auch das pandemische Influenzavirus, teilt die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin mit. Die Kosten für die Impfung übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen. Die Grippe bedroht vor allem ältere Menschen, Schwangere, chronisch Kranke und Menschen in Berufen mit viel Publikumsverkehr.
Von der weltweit grassierenden Schweinegrippe, einer neuen Variante der Influenza, deren Ursprung in einer Kreuzung zwischen einem menschlichen und einem tierischen Grippevirus vermutet wird, waren vor allem junge Menschen betroffen.
Gestorben sind an der Schweinegrippe weltweit ca. 18 000 Menschen, 253 davon in Deutschland. Die saisonale Grippe hingegen fordert jedes Jahr allein in Deutschland zwischen 7000 und 10 000 Menschenleben.
Trotz des vergleichsweise milden Verlaufs der Schweinegrippe hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diese zur Pandemie erklärt. Die Pharmaindustrie sollte daraufhin kurzfristig einen Impfstoff herstellen. Wie andere Staaten deckte sich auch Deutschland mit dem neuen Impfstoff ein. Über die Kosten wurde Stillschweigen vereinbart.
Mit dem Fall hat sich kürzlich der Europarat beschäftigt. Er fordert von der WHO Aufklärung über den mutmaßlich falschen Alarm. Die Abgeordneten der Mitgliedsstaaten werfen der WHO Einflussnahme zugunsten der Pharmahersteller und eine „erhebliche Verschwendung öffentlicher Gelder“ vor.
Keiji Fukuda, oberster Grippeexperte bei der WHO, rechtfertigte die Aktion mit dem Hinweis, es handele sich um ein „neuartiges Virus“ mit „unkalkulierbaren Risiken“, das sich „mit nie gesehenem Tempo“ ausbreitet. Kritiker wandten ein, dass zu wenig Zeit für eine sorgfältige Testung des neuen Impfstoffes bestanden habe. In den Medien machte der Ausspruch vom „Großversuch an der deutschen Bevölkerung“ die Runde.
Die reagierte verunsichert auf den Expertenstreit. Nach Erkenntnissen des RKI haben sich nur 8 % der Deutschen gegen die Schweingrippe impfen lassen. Im Deutschen Ärzteblatt räumte Reinhard Kurth, bis 2008 Leiter des RKI, strategische Versäumnisse ein: Der deutsche Pandemieplan enthalte zwar ausführliche Maßgaben für die Kommunikation, „diese haben aber nicht funktioniert.“
Inzwischen hat die WHO die Schweingrippe-Pandemie für beendet erklärt. Von den 34 Mio. an die deutschen Bundesländer ausgelieferten Impfdosen dürften nach Schätzungen 24 Mio. übrig sein. Was damit geschieht, ist offen.
Auf ihrer gemeinsamen Konferenz Anfang Juli sind die Gesundheitsminister der Länder übereingekommen „weiter zu prüfen, wie der Impfstoff sinnvoll verwendet werden kann“. Nun argwöhnt mancher, nicht abgelaufene Dosen könnten dem aktuellen Grippeimpfstoff untergemischt werden.
Ein solches Vorgehen weist das für die Sicherheit und Zulassung von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weit von sich. „Das geht schon deshalb nicht, weil der Impfstoff aus dem Vorjahr einen Wirkverstärker enthält, der bei den meisten der aktuellen Seren gegen die Virusgrippe nicht eingesetzt wird“, stellte PEI-Sprecherin Brigitte Morgenroth klar.
Wie aber wäre aus dem Dilemma zwischen immer neu auftauchenden Varianten des Grippeerregers und dem hinterherhinkenden Schutz der Bevölkerung herauszukommen? Nötig wäre ein Impfstoff, der langfristig vor verschiedenen Grippeviren schützt.
Den Ansatz verfolgen Forscher mit Hilfe von DNA-Impfstoffen. Ziel ist dabei Hämagglutinin, ein Eiweißmolekül, das wie ein pilzförmiger Stachel auf der Hülle der Viren sitzt. Damit verschaffen sich die Erreger Zutritt zu den Schleimhautzellen ihres Wirts. Herkömmliche Impfstoffe richten sich gegen den „Kopf“ der Stacheln. Der ist aber, anders als der versteckt liegende „Schaft“, häufig von Mutationen betroffen. Deshalb müssen Grippeimpfstoffe immer wieder angepasst werden.
Ein Team um Peter Palese von der Mount Sinai School of Medicine in New York hat nun DNA-Sequenzen hergestellt, die die Bauanleitung für „kopflose“ Hämagglutinin-Moleküle von Grippeviren tragen. Damit geimpfte Mäuse waren dauerhaft vor Grippeviren geschützt, auf deren Hämagglutinin der Impfstoff basierte. Immunzellen der Tiere reagierten im Reagenzglas auch auf andere Typen der Virusgrippe.
Vielversprechend sind die Ergebnisse, die Gary Nabel von den National Institutes of Health in Maryland mit einem DNA-Impfstoff im Tiermodell erzielte. Dieser enthielt die Bauanleitung für ein komplettes Hämagglutininmolekül. Mit einem saisonalen Impfstoff, der das neue Molekül enthielt, frischten die Forscher die Impfung auf. Mäuse und Frettchen waren so vor allen Grippeviren eines Typs geschützt, die aus einer über 70 Jahre umfassenden Zeitspanne stammten. S.V.D. WEIDEN
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